"Verschwörungstheorien erzählen meist einfach die 'bessere Geschichte' als die banale Realität."
Und dann ist da noch der Faktor: Welche Lüge ist überzeugender als eine, die zum Teil der Wahrheit entspricht? Wenn ich also bloß zum wahren Kern ein bisschen etwas dazuerfinden muss, damit daraus "eine bessere Geschichte" wird? Und dieser Teil, den wir dazuempfinden - das ist ja letztendlich nichts anderes als die generell als positiv besetzte Fantasie.
Bei Verschwörungstheorien wird diese Fantasie missbraucht, um eine eigene Agenda voranzutreiben. Beim Schreiben hingegen versuchen wir, sie zur reinen Unterhaltung zu verwenden.
Gerade im Fantasy bauen wir dann jedoch häufig wieder Dinge ein (politische und religiöse vor allem), die historisch wiederum zum Machtmissbrauch gedient haben - und auch heute noch dazu verwendet werden:
Töten im Namen der Religion ist seit kurzem wieder in. Politische Entscheidungen (z.B. Abtreibungsrecht, Ehe für alle etc.) werden nach wie vor u.a. mit der Religion gerechtfertigt.
Demokratien werden von Teilen derer, die aktuell nicht in der Mehrheit oder zumindest nicht an der Macht sind, mit Diktaturen und anderen totalitären Regimen gleichgesetzt.
Und es werden anhand willkürlicher demografischer Merkmale wie Geschlecht, ethnischer Herkunft und sexueller Orientierung neue angebliche "Herrscherklassen" definiert, die andere durch ihre bloße Existenz vermeintlich "unterdrücken".
All das sind Mechanismen, um die komplexe Realität zu vereinfachen in eine simplere Darstellung, eine Geschichte, die kompakter ist und sich damit besser erzählen lässt, als wenn man unzählige wissenschaftliche Studien über allerhand völlig verschiedene Sachverhalte lesen und im Kopf behalten müsste, um einer möglichst realistischen Sicht auf die Welt am nächsten zu kommen.
Vor allem braucht jede Geschichte einen Antagonisten - meist der, der am Ende schuld ist.
Wie viele Fantasy-Geschichten handeln von einem Tyrannen, der das Land unterdrückt und von den Helden gestürzt werden muss?
Entweder, damit ein neues System an dessen Stelle treten kann (Revolution)
Oder aber, man hält die Ordnung des derzeitigen Systems grundsätzlich für richtig, und glaubt bloß, die Person, die diese Macht momentan innehabe, sei die falsche. Man unterstützt also einen Gegenkandidaten für denselben Posten, und wenn der erst herrsche, dann wird alles wieder gut (Great-Man-Theory of Leadership / "Rückkehr des Königs").
In wie vielen Fantasy-Geschichten sind Götter tatsächlich real, und Religion damit kein Hirngespinst, dass sich vor allem da einnistet, wo die Wissenschaft noch nicht hingekommen ist - sondern eine korrekte Beschreibung eines Teil des Realität?
Der gemeinsame Nenner hier sind autoritäre Instanzen, durch die die Erzählung der Geschichte erst möglich wird:
- X will dir etwas Böses. Wenn X doch bloß nicht (mehr) herrschen würde, dann wäre alles gut.
- Wenn doch nur das Volk endlich "aufwachen" und die Wahrheit erkennen würde, dass X, dann wird alles gut.
Ebenso wie natürlich:
- Y hat dich auserwählt, und du bist der einzige, der diese Welt vor X retten kann. (Hier wäre Y also eine "gute" autoritäre Instanz.)
Demgegenüber steht die Wissenschaft, die stets mit der Nullhypothese startet, dass alles Zufall ist. Und erst, wenn ein vorliegendes Datenmuster unter der Zufallsannahme extrem unwahrscheinlich wird, verwirft man diese Zufallsannahme für diese bestimmte Hypothese.
Weitet man dieses Prinzip jedoch auf den gesamten Kosmos aus - und beim Worldbuilding für seine Geschichte entwirft man ja letztendlich den gesamten Kosmos selbst - dann wird das eine ziemlich nihilistische Geschichte.
Warum bauen wir also freiwillig diese ganzen autoritären Elemente in Fantasy-Geschichten ein, von denen wir doch eigentlich froh sind, sie überwunden zu haben?
Klar, es ist immer schön einfach, einen Schuldigen zu haben, auf den man alles Übel der Welt externalisieren kann. Diesen Instinkt haben wir alle, da er unser Selbstwertgefühl stärkt, und das ist evolutionsdienlich.
Aber warum sehnen wir uns innerhalb von Geschichten nach solch düsteren Zeiten zurück, wo die Menschen unter einem Tyrannen leben, die Religion noch stärkeres Gewicht hat, alte, starre Geschlechternormen gelten oder sogar übermächtige Wesen wie Götter Teil des Settings sind?
Ist die reale Welt denn nicht schon grausam genug?
Doch, ist sie - aber auf eine andere Weise:
Während im Fantasy das Übel oft begründet werden kann mit
"X will dir etwas Böses" bzw. "X ist böse / machtbesessen etc." (wie in einer guten Verschwörungstheorie auch),
ist die banalere, doch deshalb nicht minder grausamere Erkenntnis in der realen Welt oft:
"Du bist X (einer anderen Person, einem Gott, der nicht existiert, dem Kosmos als ganzes etc.) einfach sch*ßegal."
Letzteres fällt uns jedoch viel schwieriger zu akzeptieren als ersteres.
Schließlich steht das in Konflikt mit unserem internen "Sinnsuchapparat", der gerne hinter all unseren persönlichen irdischen Problemen zumindest irgendeine höhere Bedeutung sehen möchte.
Ich sage manchmal überspitzt: "Die Menschen würden eher den Gedanken akzeptieren, dass es nur den Teufel gebe, als dass es weder ihn noch Gott gebe."
Ein übermächtiger Bösewicht reicht schon für eine gute Geschichte - einen übermächtigen "Guten" möchte man da oft gar nicht, nicht umsonst ist "Deus ex machina" ja verpönt. Verschwörungstheorien brauchen auch keinen Gott, um zu funktionieren, nur einen Satan, gegen den die Leute aufgestachelt werden sollen.
Gibt es jedoch weder das eine noch das andere, scheint die Mühe bedeutungslos.
Es gibt so viele Geschichten da draußen, die für mich mittlerweile auf ähnlich durchsichtige Weise unglaubwürdig sind wie Verschwörungstheorien:
- Geschichten, in denen in der Moral / Botschaft der Handlung Gott instrumentalisiert wird, der angeblich für dich einen Plan hat, dich schützt o.ä.
- Auf der anderen Seite sekuläre Geschichten, in denen neue Klassenkämpfe anhand einer postulierten Täter-Opfer-Dynamik heraufbeschworen werden, die für die meisten Menschen in Erste-Welt-Ländern so in den seltensten Fällen existiert.
- Geschichten, in denen ein einziger Konzern oder eine einzige Regierung so viel Macht haben und alle Fäden immer wieder bei dieser einen Instanz zusammenlaufen, sodass diese Institution guten Gewissens als Grund allen handlungsrelevanten Übels bezeichnet werden kann.
- Und dann natürlich noch unzählige Geschichten, die in ihrem romantischen Subplot in völliger Ignoranz der menschlichen Biologie und evolutionärer Psychologie den Mythos des oder der "Seelenverwandten" propagieren.
Selbst unsere Handlungsstruktur ziehen wir ja nach dem Prinzip auf: Wir streichen alles Überflüssige. Alles, was nicht unmittelbar plotrelevant ist. Chekhov's Gun: Wenn wir etwas einführen, erzeugen wir damit direkt die Erwartung beim Leser, dass es auch bald plotrelevant wird und eben nicht einfach nur Zufall ist.
Selbst vermeintliche echte "Zufälle", wie sie in Game of Thrones gerne als Plottwists verwendet wurden, müssen aufgebaut und vorher angedeutet werden, damit sie nicht "aus dem Nichts kommen" und die Fans durch "Subversion der Erwartungen" enttäuschen, wie wir im Laufe der Serie gelernt haben.
Ich denke jedoch, in der realen Welt gibt es wesentlich mehr Zufälle als Pläne. Deshalb ist mein "Rasiermesser" gegen Verschwörungstheorien (neben Ockham's und Hitchen's Rasiermessern ;D ) der Satz:
"Begründe nichts mit Bösartigkeit, was sich mit Inkompetenz begründen lässt." (= "Never attribute to malice what you can attribute to incompetence.")
Ich denke, das meiste Übel in der Welt wird verursacht durch Egoismus + Nachlässigkeit, durch Versagen beim Belohnungsaufschub, also das Vorziehen eines kurzfristigen Vorteils gegenüber einem langfristigen. Jeder ist eben erst einmal von der Evolution so angelegt, auf den eigenen Vorteil bedacht zu sein, bzw. auf den seiner Gene, also das, was neben ihm selbst auch noch der eigenen Familie nützt.
Dann kommt noch eine Menge Übel hinzu, dass aus ideologischer Verblendung begangen wird, weil Leute angefangen haben, ihren eigenen Bullshit zu glauben, denen ihnen aber irgendwann ja mal jemand anderes eingetrichtert haben muss - möglicherweise jemand, der sich dessen ebenso unbewusst war.
Eine tatsächlich böse Absicht ("malevolence"), also z.B. Handeln aus sadistischen Gründen, wo anderen Schaden zuzufügen die Hauptmotivation ist, dürfte auf globaler Ebene ein verschwindend geringer Anteil sein.
Der Antagonist in einer Geschichte hingegen hat überdurchschnittlich oft offen böse Absichten. Und wenn nicht, wenn er also bloß im Eigeninteresse Schäden an anderen bereitwillig in Kauf nimmt, dann hat er doch zumindest einen Masterplan. Wie in einer Verschwörungstheorie eben: Alle Fäden laufen zurück zum Antagonisten.
So wird immer wieder das Gefühl vermittelt: "Da ist jemand mit Autorität, der hat einen Plan für dich." Jemand, der dich an die Hand nimmt und zum Plot hinführt.
Wenn es der Antagonist ist, dann bist du sein armes Opfer, und die ganze Welt hat sich gegen dich verschworen.
Wenn es der Mentor, ein guter König oder ein liebender Gott ist, dann bist du eben der klassische "Auserwählte".
Hauptsache, das eigene Tun hat auf jeden Fall ein hohes Maß an Bedeutung.
Auf keinen Fall darf der Gedanke aufkommen, vielleicht sei das alles nur Zufall, und dem Kosmos sei der Ausgang der Handlung egal.
- Die einzige Möglichkeit, die ich sehe, wie man diese "äußere autoritäre Instanz" umgehen könnte...:
- ...ist, wenn man einen Hauptcharakter mit einer extrem starken innewohnenden Motivation hat, etwas, das er schon sein gesamtes Leben erreichen wollte. Die "Absicht" ist also selbst gewählt, die "Autorität", der "Zwang", wird von der eigenen Disziplin, dem eigenen Streben nach Erreichen dieses Ziels, ausgelöst.
Solch einem Charakter muss man also nicht erst die Heimat zerstören und die Eltern umbringen, damit er auf sein Abenteuer auszieht: Er weiß bereits, was er will, und verlässt die Heimat deshalb freiwillig, um es zu suchen.
Doch oft scheint mir das im Fantasy nicht vorzukommen: Denn gerade da drehen sich die stärksten Motivationen oft um "Einer meiner Verwandten ist umgebracht worden von X, ich suche Vergeltung dafür!"
Und wenn das eine Motivation ist, die der Charakter schon sein ganzes Leben hat, dann hat er den Tod der nahestehenden Person eben als Kind erlebt, so wie Batman. Andere wiederum verlieren die ihnen nahestehende Person erst während der Geschichte und werden meist durch genau dieses Ereignis dann hinaus in die Abenteuerwelt geworfen.
TL;DR: Die Hauptfrage, die ich in die Runde stellen möchte, ist also: Brauchen wir das "Autoritäre", das "Deterministische", um überhaupt "gute" Geschichten erzählen zu können?
Meine Motivation hinter dieser Frage ist kurz gesagt:
Ich möchte mit meiner Geschichte möglichst wenig "lügen".
Letztendlich muss "suspension of disbelief" erst einmal bei mir selbst funktionieren, bevor sie beim Leser funktionieren kann.
Und ich kann nichts schreiben, wo ich beim Tippen bereits das Gefühl habe, ich würde gewissermaßen helfen, eine "Verschwörungstheorie" zu propagieren.
- Spoiler:
- Damit meine ich nicht "Ich tue jetzt mal so, als ob es Elfen und Drachen gäbe, und als ob diese Drachen auch noch fliegen könnten, obwohl ihre Proportionen das nicht zulassen dürften."
Ich meine damit:
Ich möchte Menschen nicht Hoffnung auf etwas machen, das ich für utopisch halte, bloß damit "die Geschichte sich besser 'verkauft' oder besser 'anfühlt'".
Ich möchte Menschen keine einfachen Ausflüchte geben für ihre Probleme, indem ich ihnen erlaube, die Antagonisten zu willkommenen Sündenböcken für alle Probleme der fiktiven Welt zu machen. Denn dieser Glaube entsteht ja schnell, wenn nach dem Sieg über den Antagonisten das erwartete "Happily Ever After" eingeläutet wird: Antagonist weg, besserer Herrscher / besseres System installiert, jetzt gibt es keine (ernstzunehmenden) Probleme mehr.
Ich habe aber mehr und mehr das Gefühl, dass eine Geschichte zumindest einige diese Elemente braucht, um mitreißend zu sein.
Warum z.B. eine Prophezeiung einführen, wenn diese dann nicht in Erfüllung geht? Bloß, weil Menschen in der realen Welt an Prophezeiungen geglaubt haben, die sich dann auch als Humbug herausgestellt haben? Das mag zwar realistisch sein, aber das will kaum einer lesen.
Und so gibt es auch bei mir Antagonisten mit großen Masterplänen, indirekt "auserwählte" (eher "ausgerechnete" ) Helden, und natürlich geht auch die Romanze am Ende "gut" aus.
Den Realismus versuche ich bloß dadurch einzubauen, dass sich die Charaktere der banaleren, realen Gründe für die Ereignisse bewusst werden:
Der Priester des Sonnengottes erfährt am Ende, dass die von ihm verehrte vermeintliche Gottheit eben in Wahrheit nur ein Plasmaball im Weltall ist wie jeder andere Stern auch, der kein Bewusstsein hat.
Der Prota versteht, dass er bestimmte Qualitäten entwickeln muss, bevor die Love Interest sich für ihn interessiert, und dass das eben nichts mit "Wunder", "Liebe auf den ersten Blick", "Vorherbestimmung" oder "Seelenverwandtschaft" zu tun hat, sondern mit Biologie und Instinkten - von denen man manche leichter überwinden kann als andere.
Und so weiter.
- Gekommen ist mir diese Überlegung übrigens...:
- ...weil ich jetzt, wo ich mir kürzlich endlich mal nach über 10 Jahren ein neues Laptop gegönnt habe (und auch nur, weil das alte abgeschmiert war), tatsächlich erstmals vernünftig in der Lage war, The Elder Scrolls: Skyrim zu spielen. Ein Spiel, dass für die meisten wahrscheinlich mittlerweile schon wieder eine olle Kamelle ist - aber mein alter PC hat das eben nicht gepackt.
Jetzt kann ich also erstmals in dieser Welt herumlaufen, und es ist ja auch grafisch toll gemacht - aber es packt mich einfach nicht.
Noch während ich unterwegs bin, um eine bestimmte Quest zu erfüllen - Quests sind ja das, was einem Spieler das Gefühl geben, dass er etwas von Bedeutung tut - laufe ich an so vielen anderen Aufhängern für weitere Quests vorbei, dass ich trotz Tagebuch-Funktion im Spiel den Überblick verliere. Man kann die Quests natürlich alle annehmen, es ist aber auch egal, ob man sie erfüllt - mit dem Hauptplot scheint das alles nur bedingt etwas zu tun zu haben. Natürlich gibt es da im Hintergrund einen politischen Konflikt - das Kaiserreich gegen die Sturmmäntel - aber ob man sich auf den einlässt und auf welcher Seite, auch das ist egal. Man ist einfach nur jemand, der seiner Hinrichtung entkommen ist und jetzt frei in dieser Welt herumläuft, wo man tun und lassen kann, wie einem beliebt. Die Sims: Himmelsrand, quasi.
Das klingt vielleicht erstmal toll, weil es so "realistisch" ist, gerade in Kombination mit der Grafik. Handlungsfreiheit / Open World + tolle Grafik + komplexe Welt = Immersion, oder?
Nein, leider nicht. Denn Fantasywelten gibt es heute am laufenden Band. Damit man einer bestimmten seine Aufmerksamkeit widmet, muss man das Gefühl haben, dass das, was man darin tut, Bedeutung hat.
Den Gipfel des Realismus - aber auch Zynismus, irgendwie - bietet in der Hinsicht wohl das aktuell in der Beta-Phase befindliche Spiel "Medieval Dynasty", wo es einfach nur darum geht, unter realistischen mittelalterlichen Umständen zu überleben: Holz hacken, Felder bebauen, Magd umwerben zum Erben-Zeugen, andere dazu motivieren, in die eigene Siedlung zu ziehen und die eigene Dynastie somit immer weiter zu vergrößern. Wie "Die Siedler", "Die Sims" und andere "Bevölkerungsspiele" eben, nur halt diesmal aus der ersten Person.
Skyrim hat sich da zum Glück immer noch eher dem klassischen Helden- und Abenteurersetting verschrieben, aber auch hier kippt die Freiheit schnell in Beliebigkeit und damit in Bedeutungslosigkeit:
Was in dieser speziellen Welt soll mich davon überzeugen, dass gerade Himmelsrand toller ist als ein anderes Fantasy-Universum?
Oder überhaupt toller als die reale Welt?
Ich habe von Leuten gehört, die weit über 100 Stunden in Skyrim gesteckt haben.
Was kann ich in dieser Zeit alles in der realen Welt anfangen?
Wieviel weiter kann ich an meiner eigenen Geschichte kommen mit 100 Stunden Zeitaufwand?
Wenn man "nur" Gamer ist, stellt sich diese Frage vielleicht nicht. Aber unter uns Kreativen ist es ja oft so, dass wir andere Werke heranziehen auf der Suche nach Inspiration. Insbesondere dann, wenn wir mit dem eigenen Schaffen an bestimmten Punkten nicht weiterkommen. Dann kann es helfen, sich bewusst nochmal aus der eigenen Geschichte herauszubegeben in die Welt eines anderen.
Speziell bei Skyrim jedoch sehe ich nur Worldbuilding, Worldbuilding, Worldbuilding, aber keinen Plot.
Hier zwei verfeindete Personen, zwei verfeindete Lager, hier ein Buch mit Geschichte Y, hier ein Artefakt zum Holen aus einem Dungeon, hier ein Gott / eine Religion, die für XY steht...
Und das auch noch, wieder dem erhöhten Realismus zuliebe, stets nur in rein auditiver Form, sodass ich den ganzen Infodumps auch noch stets aufmerksam zuhören und mir die Inhalte merken muss, anstatt später nochmal im Tagebuch nachlesen zu können.
Natürlich muss ein PC-Spiel freier sein in seinen Handlungsmöglichkeiten als ein Film oder ein Buch, aber ich habe noch keine Aufhänger für Geschichten entdeckt, bei denen ich denke "Au ja, da will ich mit meinem Charakter dabei sein!"
So viel Detailverliebtheit, dass es an kreative Masturbation grenzt, aber keine Geschichte - keine Aussage. Keine Bedeutung. Einfach nur eine so gigantische und umfassende Welt, dass sie bei Bedarf zur vollkommenen Realitätsflucht (>100 Stunden) taugt. Man kann sich im Spiel ja sogar ein Haus kaufen, und damit quasi dauerhaft von der Erde nach Himmelsrand umziehen.
Und so schlimm ist die reale Welt dann doch nicht, dass ich ihr so lange entfliehen müsste. Zumindest nicht, wenn man wie gesagt noch andere kreative Hobbies hat.
Ich muss fairerweise sagen, dass ich mich noch relativ am Anfang des Spiels befinde - im Moment reise ich andauernd zurück nach Weißlauf, um dort meinen Kram loszuwerden, ehe ich mich wieder in die Widnis zurückstürze. Ich habe aber bereits das Gefühl, dass ich schon den Überblick verloren habe vor lauter potentieller Miniquests und dabei selbst im kleinen Weißlauf bloß an der Oberfläche dessen gekratzt habe, was hier alles erledigt werden kann. Das ist aber irgendwann nicht mehr verlockend, sondern fühlt sich mehr an wie ein übervoller Schreibtisch, voll mit Aufgaben, von denen zwar jede vielleicht nur wenig Zeit in Anspruch nehmen würde, aber es sind so viele, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll, und am Ende bloß prokrastiniert und gar nichts macht.
Mein Bruder hat das Spiel damals deutlich weiter gespielt, aber er hat genau verstanden, was ich meine, und mir gesagt, dass er das Spiel letzten Endes aus genau den gleichen Gründen abgebrochen hat.