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Was ist "gute" Kritik für euch? Kj7b-8-c9f0

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    Was ist "gute" Kritik für euch?

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    Was ist "gute" Kritik für euch? Empty Was ist "gute" Kritik für euch?

    Beitrag von Roy Aal Sa Jun 11, 2022 4:08 pm

    Hi zusammen,

    was bewertet ihr als gute Kritik zu euren Texten?

    Konstruktive Kritik ist für mich nicht: "Mir gefällt dein Schreibstil, aber ..."
    Das ist vermutlich die schlechteste Satzkonstruktion überhaupt, die glaube ich aus der Schule kommt? Sag was Positives und dann was Negatives. Buh! Jeder weiß doch, was das für eine Mogelpackung ist.


    Einer der wichtigsten Punkte scheint für mich die Menge an Kritik zu sein, die man sich als Autorin oder Autor schon ausgesetzt hat.
    Will heißen, jemand, der noch nie Kritik zu einem Text erhalten hat, wird durch das Aufzeigen aller Fehlern entmutigen. Eine größere Hilfe scheint das Benennen von positiven Textstellen und ein Bestärken der Fähigkeiten oder der Idee hinter dem Text.

    Ich erinnere mich selbst noch ziemlich gut daran, wie nervös ich früher war, selbst anonym in Foren Texte hochzuladen.
    Und ich weiß auch noch, dass wenn mir damals ein inhaltlicher Fehler um die Ohren gehauen wurde, ich am liebsten alles hingeschmissen hätte.

    Das möchte ich gerne mit meiner Kritik vermeiden und gerade Anfänger darin bestärken, ihre Texte zu teilen und mehr Selbstvertrauen in ihr geschriebenes Wort zu entwickeln.

    Momentan bin ich durch einen Schreiblehrgang ziemlich viel in Kontakt mit Leuten, die noch nie ihre Texte mit jemandem ausgetauscht haben.
    Oft fange ich an, ein umfangreiches Feedback zu schreiben und dann halte ich inne, lösche 90% davon und besinne mich auf ein paar positive Worte.

    Warum?
    Weil ich keinem Anfänger "Fehler" um die Ohren hauen will, die er eh noch nicht verarbeiten kann und dann vielleicht alles hinschmeißt.

    Zudem wollen viele Schreibanfänger z.B. keine Rückmeldung zu Rechtschreibung und Grammatik, obwohl sie die eigentlich brauchen. Wink Gerade als Legasthenikerin kann ich das nachempfinden. In meiner Schulzeit habe ich es gehasst, dass der Buchstabendreher wichtiger war, als die Aussage des Satzes. Gleichzeitig wurde mir dadurch aber auch bewusst, dass niemand auf die Aussage achtet, wenn er von verdrehten Worten abgelenkt wird. Will heißen, ich glaube, dass die ersten geschriebenen Worte von jemandem nicht aufgrund von Rechtschreibfehlern durchgestrichen werden sollten. Wenn Leute sicherer in ihren Aussagen werden, kommt immer mehr die Auseinandersetzung mit den Wörtern und irgendwann mit der Kommasetzung. Das ist aber nichts, das man jemandem erklären muss, der gerade zum ersten Mal versucht hat, eine Geschichte und Gefühle irgendwie mit Schrift auf Papier festzuhalten und einzurahmen.
    Eins nach dem anderen.


    Nun ist es so, dass ich natürlich von Leuten aus dem Lehrgang auch Kritik erhalte, die genau das Gleiche tun. Also jeden guten Satz positiv hervorheben und das Ego streicheln. Und das ist keine gute Kritik für mich. Das sind leere Worthülsen, die ich fast nie ernst nehme.

    Was verstehe ich dann aber unter einer guten Kritik?

    Im Grunde sind es zwei Dinge:
    1. Leute, die holprige Sätze hervorheben
    2. Leute, die kurz in eigenen Worten die Geschichte wiederholen


    Und ich überlege mittlerweile, ob das auch etwas ist, mit dem Anfänger gut arbeiten könnten? Einerseits gebe ich dem geschriebenem Wort meines Gegenübers mehr Anerkennung, weil ich durch eine eigene Zusammenfassung anzeige, dass ich mich wirklich mit dem Text beschäftigt habe. Und außerdem kann der Autor oder die Autorin nun selbst nachlesen, was bei mir als Leserin angekommen oder vielleicht nicht angekommen ist.

    Letzteres kann natürlich wieder frustrierend sein, wenn man merkt, dass das, was man gemeint hat, so gar nicht verstanden wurde.
    Aber man muss ja auch nicht bei einem Anfänger auf jeden einzelnen Gedankensprung hinweisen, sondern kann das wiederholen, was man sehr klar verstanden hat.

    Zusätzlich glaube ich aber auch, dass es sinnvoll bleibt, Textstellen und Ideen, die einem wirklich positiv aufgefallen sind, zu benennen. Eine ehrliche Rückmeldung, was man mag und als gut gelungen empfunden hat, ist an dem Punkt bedeutend hilfreicher als das Aufzeigen von einem Kommafehler.


    Habt ihr euch schon mal zu dem Thema Gedanken gemacht?

    Achtet ihr darauf, wie viel Kritik euer Gegenüber schon hatte? Oder seid ihr da rigoros und sagt: "Wer mit seinen Texten an die Öffentlichkeit will, braucht ein dickes Fell. Und entweder hat er das oder nicht. Schonbehandlung gibt es bei mir nicht."


    Bin sehr gespannt und freue mich auch über eure eigene Wahrnehmung und Erfahrungen Cool

    Liebe Grüße
    Roy
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    Was ist "gute" Kritik für euch? Empty Re: Was ist "gute" Kritik für euch?

    Beitrag von Alastor Sa Jun 11, 2022 9:30 pm

    Hi Roy,

    da ich wie üblich nicht so viel Zeit habe *hüstel* nur "kurz" eine Rückmeldung dazu, einfach weil ich es gut finde, dass du dich so intensiv damit beschäftigst.

    Tatsächlich habe ich immer meine Kritik individuell angepasst an (oft auch eine Kombi aus allem möglichen davon):
    1. Wie weit ist der Schreiber schon von seinen Fähigkeiten und Kenntnissen her
    2. Wie viel Kritik hat der Schreiber schon bekommen
    3. Wie alt ist der Schreiber eigentlich (!) Für mich ein ganz wichtiger Punkt, denn ein 13 Jähriger braucht mehr Motivation und das Aufzeigen von Möglichkeiten und Verbesserungspunkten als jemand älteres, der nicht mehr akut in der Entwicklung steckt (Entwicklung in allen Bereichen seines Lebens)
    4. Was braucht die Person tatsächlich, um vorwärtszukommen

    Korrigieren von einzelnen Rechtschreib- und Grammatikfehlern finde ich persönlich im Forum meist eher überflüssig. So eine Phase hatte ich auch mal ganz kurz, aber zum einen kostet es zu viel Zeit, die Kritik wird viel zu lang und das wesentliche geht unter.
    Rechtschreibung und Grammatik (kürze ich mal mit R&G ab Very Happy) ist primär erstmal echt unwichtig, außer es stört den Lesefluss erheblich, oder aber ich sehe konkrete Stellen, wo ein bestimmtes Verhalten immer wieder auftaucht. Z.B. Satzzeichen werden nach Ende eines gesprochenen Satzes vergessen. Dann greife ich 1-2 Beispiele raus und sage der Person "das passiert dir öfter, es muss so aussehen und nicht so, schau nochmal über deinen Text".
    Neben R&G handhabe ich es so auch mit grundsätzlichen Satzstellungsfehlern, die z.B. die Verb-Objekt Beziehung maßgeblich verändern, womit der Satz dann am Ende (wenn man es genau liest) etwas anderes aussagt, als der Schreiber eigentlich will.

    Dazu kombiniere ich dann die inhaltliche Kritik, Umsetzung von Show-dont tell, spannende Dialogführung, bewerte Textfluss (Sätze zu kurz oder zu lang?), die Geschichte als solche etc.

    Je nachdem wie meine Punkte oben zu bewerten sind verfahre ich bei all dem eben unterschiedlich ausgeprägt. Für mich ist es dabei auch wichtig positive Dinge zu erwähnen, vor allem gegen Ende und auch die Kritikpunkte nochmal so wiederzugeben, dass man als Schreiber das Gefühl hat "ok, muss ich dran arbeiten, ist aber kein Weltuntergang", statt den Schreiber völlig ernüchtern zurückzulassen.

    Es braucht seine Zeit bis man als Schreiber seine eigenen Texte mit mehr Distanz bewerten kann und bis man mit mehr Kritik umgehen kann. Darauf muss man meiner Meinung nach als Kritiker eingehen. Gerade bei jungen Schreibern ist es fatal die Person mit schlechter Kritik zu erschlagen und dann völlig desillusioniert zurückzulassen. Es gibt viele, die deshalb das Schreiben nach 2-3 Mal solcher Kritik einfach haben sein lassen, obwohl durchaus Potential bestanden hätte.


    _______________________________________________________________________________________________________________________
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    Das Wasser brandete unter ihm, so tief unter ihm.
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    Es waren seine eigenen Tränen.

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    Was ist "gute" Kritik für euch? Empty Re: Was ist "gute" Kritik für euch?

    Beitrag von Crackle42 Sa Jun 11, 2022 9:39 pm

    Roy Aal schrieb:
    Habt ihr euch schon mal zu dem Thema Gedanken gemacht?

    Achtet ihr darauf, wie viel Kritik euer Gegenüber schon hatte? Oder seid ihr da rigoros und sagt: "Wer mit seinen Texten an die Öffentlichkeit will, braucht ein dickes Fell. Und entweder hat er das oder nicht. Schonbehandlung gibt es bei mir nicht."
    Hi,
    prinzipiell hat Alastor das auf einer Seite gut zusammengefasst, wie Kritik aussehen soll.

    Ganz einfach ist das nicht und in Ratgebern wird man dazu wohl auch unzählige Hinweise finden, eben weil Rückmeldungen ein heikles Thema sind. Denn hier kommen mehrere Probleme zusammen.
    1) Kritik (wenngleich neutral gemeint) fühlt sich nicht selten wie ein persönlicher Angriff an
    2) Als Konsequenz werden negative Emotionen ausgelöst
    3) Zuvor genannte Gründen führen zu einer Abwehrreaktion, sprich die Person macht die Schotten dicht und da hilft auch kein Lob, um wie bei einem trojanischen Pferd diesen Mechanismus zu umgehen.
    4) Eigene Werke werden als erweiterer Teil eines selbst wahrgenommen. Die Kritik dessen wird oft gleichgesetzt mit einem persönlichen Angriff (siehe 1), wenngleich es theoretisch etwas Objektives ist. Das ist genauso mit eigenen Kunstwerken, Garten, Kindern, ...
    5) Die Verbesserbarkeit mancher Rückmeldungen ist nicht hilfreich. "Du musst dein Schreibstil verbessern" hilft nicht weiter, denn das lässt sich weder konkret umsetzen noch ist klar, was mit "besser" gemeint ist.

    Blicken wir mal auf die Seite des Kritisierten.
    A) Bereitschaft. Wenn eine Person sich nicht verbessern möchte, kann von außen jeder noch so gut gemeinte Ratschlaf, Aufforderung, Befehl, Zwang, whatever, ausgeführt werden - die Person wird sich nicht bewegen. In der Psychologie spräche man von Volition.
    B) Offenheit. Eine Kritik schmeckt natürlich erstmal bitter, problematisch ist aber der aus 4. genannte Punkt, dass die Assoziation Kritik am Projekt = Kritik an mir, in den Köpfen besteht.
    C) Motivation. Wieso schreibt die Person? Was hat die Person für Ziele? Ganz klar, wenn es der Unterhaltung für den Freundeskreis dient oder weil man Freude am Schreiben hat, hat die Kritik anders auszusehen als wenn eine Veröffentlichung angestrebt wird.

    Was bleibt übrig? Nun, zuerst einmal wäre der erste und wichtigste Schritt, eure Art und Ausführlichkeit von Kritik klar und offen zu kommunizieren. Hier im Forum sieht man das manchmal, dass Leute explizit um Inhalt oder Schreibstil Kritik bitten. Das ist eine gute Vorgehensweise, um sich miteinander vertraut zu machen. Die Kritik ausweiten oder verändern, kann man danach immer noch. Was bringt es, die wichtigste Kritik zu löschen, wenn das für dich essenziell ist? Wenn du also jemanden hast, der schlechten Wortbau hat oder Umgangssprache verwendet, dann gehört das in die Kritik. Aber bitte nicht nach dem Motto: "Mir hat dein Text gefallen, aber ich habe mich schwer getan mit deinem Wortbau", sondern den eigenen Punkt klar kommunizieren, ohne ihn auszutreten: Für mich war es aufgrund des Wortbaus (an manchen Stellen/allgemein/in Szene XY) schwierig, mich auf den Inhalt zu fokussieren. Das werde ich jetzt trotzdem mal beiseite lassen und auf die Inhalte eingehen, die mir aufgefallen sind: ..."
    Damit gibst du dem Kritisierten übrigens deine Wahrnehmung mit. Was er oder sie damit anstellt, bleibt demjenigen selbst überlassen (siehe Punkt A und B).

    Um nun noch deine Fragen zu beantworten:
    Gute Kritik ist für mich, wenn der Text kritisiert wird ("In Szene 1 war X", "in Abschnitt 2 war Y") und nicht ich ("Du musst ..."; "Du solltest ..."). Als zweites ist es für mich immer hilfreich, wenn ich verstehen kann, warum etwas kritisiert wird. Fehlt die Logik? Ist es unverständlich? Ungewohnt? Je nach Umfang der Kritik und was genau kritisiert wird, hilft mir auch ein potenzieller Verbesserungsvorschlag. Das setzt natürlich eine ausführlichere Kritik voraus, im Zusammenhang mit der Textkritik und Begründung tue ich mich aber leichter die Gedanken des Kritikers zu verstehen. Sicherlich nicht überall, gerade wenn aber Kapitel oder Abschnitte zerschossen wurden, tut mir eine Richtung gut (Ich hätte mir mehr von XY gewünscht, weniger YZ. Wenn du XX bringst, kannst du YY vertiefen, ...). Und zu guter letzt, wie du schon selbst sagtest, tut es genauso gut, positive Kritik zu geben und auch mal umgekehrt zu begründen, weshalb eine Szene oder ein Abschnitt aus meiner Sicht gut war.


    Zuletzt von Crackle42 am Sa Jun 11, 2022 9:41 pm bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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    Was ist "gute" Kritik für euch? Empty Re: Was ist "gute" Kritik für euch?

    Beitrag von Crackle42 Sa Jun 11, 2022 9:40 pm

    Alastor schrieb:Hi Roy,

    da ich wie üblich nicht so viel Zeit habe *hüstel* nur "kurz" eine Rückmeldung dazu, einfach weil ich es gut finde, dass du dich so intensiv damit beschäftigst.

    Tatsächlich habe ich immer meine Kritik individuell angepasst an (oft auch eine Kombi aus allem möglichen davon):
    1. Wie weit ist der Schreiber schon von seinen Fähigkeiten und Kenntnissen her
    2. Wie viel Kritik hat der Schreiber schon bekommen
    3. Wie alt ist der Schreiber eigentlich (!) Für mich ein ganz wichtiger Punkt, denn ein 13 Jähriger braucht mehr Motivation und das Aufzeigen von Möglichkeiten und Verbesserungspunkten als jemand älteres, der nicht mehr akut in der Entwicklung steckt (Entwicklung in allen Bereichen seines Lebens)
    4. Was braucht die Person tatsächlich, um vorwärtszukommen

    Korrigieren von einzelnen Rechtschreib- und Grammatikfehlern finde ich persönlich im Forum meist eher überflüssig. So eine Phase hatte ich auch mal ganz kurz, aber zum einen kostet es zu viel Zeit, die Kritik wird viel zu lang und das wesentliche geht unter.
    Rechtschreibung und Grammatik (kürze ich mal mit R&G ab Very Happy) ist primär erstmal echt unwichtig, außer es stört den Lesefluss erheblich, oder aber ich sehe konkrete Stellen, wo ein bestimmtes Verhalten immer wieder auftaucht. Z.B. Satzzeichen werden nach Ende eines gesprochenen Satzes vergessen. Dann greife ich 1-2 Beispiele raus und sage der Person "das passiert dir öfter, es muss so aussehen und nicht so, schau nochmal über deinen Text".
    Neben R&G handhabe ich es so auch mit grundsätzlichen Satzstellungsfehlern, die z.B. die Verb-Objekt Beziehung maßgeblich verändern, womit der Satz dann am Ende (wenn man es genau liest) etwas anderes aussagt, als der Schreiber eigentlich will.

    Dazu kombiniere ich dann die inhaltliche Kritik, Umsetzung von Show-dont tell, spannende Dialogführung, bewerte Textfluss (Sätze zu kurz oder zu lang?), die Geschichte als solche etc.

    Je nachdem wie meine Punkte oben zu bewerten sind verfahre ich bei all dem eben unterschiedlich ausgeprägt. Für mich ist es dabei auch wichtig positive Dinge zu erwähnen, vor allem gegen Ende und auch die Kritikpunkte nochmal so wiederzugeben, dass man als Schreiber das Gefühl hat "ok, muss ich dran arbeiten, ist aber kein Weltuntergang", statt den Schreiber völlig ernüchtern zurückzulassen.

    Es braucht seine Zeit bis man als Schreiber seine eigenen Texte mit mehr Distanz bewerten kann und bis man mit mehr Kritik umgehen kann. Darauf muss man meiner Meinung nach als Kritiker eingehen. Gerade bei jungen Schreibern ist es fatal die Person mit schlechter Kritik zu erschlagen und dann völlig desillusioniert zurückzulassen. Es gibt viele, die deshalb das Schreiben nach 2-3 Mal solcher Kritik einfach haben sein lassen, obwohl durchaus Potential bestanden hätte.
    Damn. Na gut, du warst schneller Very Happy
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    Beitrag von La Cipolla So Jun 12, 2022 7:21 am

    Ich denke auch, dass individualisierte Didaktik total wichtig ist, dass "Wie?" und "Wie viel?" also fast denselben Wert wie "Was?" haben können ... Und vielleicht kommt da der Lehrer durch, aber erfahrungsgemäßg gilt das selbst für Schreibende mit viel Erfahrung. Die blocken wahrscheinlich nicht mehr einfach ab, wenn sie einen Haufen Kritikpunkte bekommen, aber dafür haben sie halt andere Egotismen und "Selbstbild-Effekte", auf die man eingehen sollte. Typische Beispiele wären die Neigung, positives Feedback zu überlesen, ein (zu) starkes Vertrauen in einen individuellen Stil oder die Tendenz, Kritisierende mit weniger Erfahrung zu bevormunden.

    Ein anderes Erfahrungsding, das einem kein Ratgeber sagen kann (weil es komplett an Person, Text und Situation hängt), ist die Balance zwischen generell und spezifisch. Wir brauchen die Fähigkeit, zu entscheiden, wann wir lieber Dinge im Gesamtbild kritisieren und wann wir auf einen komischen Satz oder einen Kommafehler hinweisen. Ich habe sooo oft "verschwendete" Energie gesehen, weil jemand die Sprache auseinandergenommen hat, obwohl ein allgemeinerer Verriss sehr viel wichtiger gewesen wäre.

    Und vor allem, wenn beide Punkte zusammenkommen ...
    Was man will, ist nicht immer das, was man braucht. (Was wir ironischerweise sehr schnell lernen, wenn es um unsere Figuren geht. ^^) Muss man wahrscheinlich nicht weiter ausführen, aber es ist definitiv ein Balance-Akt, weil man die Wünsche der Schreibenden auch irgendwo respektieren möchte und muss.

    tl;dr Fingerspitzengefühl, Erfahrung und Empathie! Ich weiß etwa, dass ich meistens zu viel schreibe und arbeite dran. :D
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    Beitrag von SilbenPrinz So Jun 12, 2022 4:39 pm

    Als Kritiker habe ich einiges zu lernen gehabt. Gerade am Anfang ist der Gaul oft mit mir durchgegangen. Ich mühe mich um Besserung und darum die sinnvollen Punkte die Alastor und Crackle aufgelistet hat, nicht außer Acht zu lassen. Gelingt nicht immer.
    Auch LaCipola spricht wichtige Punkte an.
    Manchmal verfalle ich darauf Beispiele zu schreiben, wenn ich denke mit Worten nicht ausdrücken zu können, was ich gerade meine. Aber das ist vielleicht nicht wirklich sinnvoll oder gar vollkommen falsch in manchen Situationen. Ich denke, ich kann mir hier eine Scheibe Wissen abschneiden bei euch und werde mich hoffentlich immer ans Loben erinnern und das Aber streichen. Twisted Evil


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    Was ist "gute" Kritik für euch? Empty Re: Was ist "gute" Kritik für euch?

    Beitrag von _Mishra So Jun 12, 2022 8:45 pm

    Hallo Smile

    Was eine gute Kritik ist oder ausmacht, ist echt eine gute Frage. Bewusst habe ich mich das bisher noch nicht gefragt. Ganz von selbst habe ich mir mal angesehen, was ich an Kritiken gegeben habe und mich selbst hinterfragt. Besonders weil ich dazu neige lange und ausschweifende Sachen zu schreiben.

    Was am Anfang steht, gilt für die meisten zwischenmenschlichen Interaktionen: Ehrlichkeit.
    In diesem Kontext kann man auch von einer Art Neutralität dem Text gegenüber sprechen. Denn um den geht es ja und nicht darum, ob ich den Autor oder die Autorin leiden kann oder eben nicht. Einen Text zerreißen, weil man sich früher mal in einer Angelegenheit uneins war, ist ebenso hilfreich, wie eine Überhäufung mit Zucker.
    Allerdings finde ich es auch wichtig, nicht ausschließlich die negativen Dinge hervorzuheben. Ehrlichkeit wieder, die in beide Richtungen geht. Die eine Stelle wirkt nicht ganz rund. Am Besten mit Erklärung, weshalb. Die andere Stelle funktioniert hingegen ganz hervorragend. Auch das gerne mit einem Warum. Selbst wenn es nur ein kurzes Statement ist, das ein Witz z.B. ein Lächeln beim Lesen hervorgerufen hat.
    Schlagworte wie Respekt und Anstand fließen da auch mit rein. Ebenso die Tonalität der Kritiker, was dann aber auch manchmal einfach eine Charakterfrage ist. Da muss man sich einfach an einander gewöhnen und lernen, wie andere ihre geistigen Inhalte transportieren.
    Da hilft es immens, sich die Kritiken zu anderen Texten durchzulesen. Man sieht meistens rasch, wer was für Dinge schreibt. Der eine eher direkt, kurz und knapp, der andere nimmt sich eher 'oberflächlich' den Gesamteindruck vor.
    Das macht es manchmal aber auch etwas schwierig, wenn "neue" Leute sehr zeitnah Texte einstellen. Man weiß diese Personen noch nicht so ganz zu nehmen und geht dann vielleicht mit zu viel Einsatz an die Sache. Ist mir jedenfalls schon passiert und rückblickend muss ich dann eingestehen, dass ich wohl übers Ziel hinaus geschossen bin.

    Dieses Kennenlernen ist letztlich das, was meine Vorredner schon zu Genüge angemerkt haben. Wer sitzt da auf der anderen Seite? Alter, Kenntnisstand im Handwerk, etc.
    Hier im Forum vielleicht auch die Dauer des Dabeiseins und die Frage, wie viel man schon von anderen gelesen haben könnte.
    Alastor schrieb:Tatsächlich habe ich immer meine Kritik individuell angepasst
    So, denke ich, sollte es gehandhabt werden.

    LaCipolla schrieb:Was man will, ist nicht immer das, was man braucht.
    Das stimmt allerdings. Merke ich privat gerade wieder etwas mehr. Smile
    Und das bringt mich zu etwas, das Crackle angemerkt hat. Und letztlich auch Alastor in seinem Leitfaden zum Kritisieren bzw. Einstellen von Texten meinte.
    Hier im Forum sieht man das manchmal, dass Leute explizit um Inhalt oder Schreibstil Kritik bitten.
    Gute Kritik orientiert sich an den zu betrachtend gewünschten Aspekten. Je genauer diese vom Autor vermittelt werden, umso besser kann der Kritisierende darauf eingehen. Und entsprechend wertvoll oder zielführend wird die Kritik.
    Da eine Kritik in meiner Vorstellung ein Dialog ist, beginnt dieser mit dem ersten Post des Autors. Je weniger Informationen darin enthalten sind, umso mehr Narrenfreiheit bekomme ich als Kritiker. Ein einfaches Einstellen eines Textes ohne weitere Worte, oder einem Alles was euch einfält, lässt viel Spielraum für Dinge, die man gar nicht hören bzw. lesen wollte.
    Andererseits gibt es manchmal auch Dinge, die nicht erfragt werden, aber einfach angesprochen werden müssten. Dazu hat Crackle aber schon etwas geschrieben, dem ich mich einfach anschließe.

    LaCipolla hat's am Ende ganz gut zusammengefasst.
    Fingerspitzengefühl, Erfahrung und Empathie!

    "Gute" Kritik erfordert irgendwann, wie das Schreiben von Texten selber auch, Übung und Erfahrung.
    Und was SilbenPrinz angesprochen hat... Damit stehst du in jedem Fall nicht alleine.  Very Happy
    Ich schreibe eben gerne lange Kritiken und manchmal drifte ich dabei etwas ab. Aber wie du auch mühe ich mich um Besserung. Wink
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    Was ist "gute" Kritik für euch? Empty Re: Was ist "gute" Kritik für euch?

    Beitrag von Roy Aal Di Jun 14, 2022 10:39 pm

    Cool, Danke euch für den Input.
    Da waren noch echt gute Punkte dabei, die ich nicht bewusst bedacht habe.

    @Alastor
    Alter ist natürlich ein sehr wichtiger Punkt. Ich glaube, unterbewusst achte ich immer darauf. Und meist kann man ja selbst in Foren auch durch das geschriebene Wort ungefähr abschätzen, wie alt jemand ist.

    @Crackle42
    Das mit der "Verbesserbarkeit" finde ich auch mega. Was heißt denn "besser" und "schöner"? Das sind bei mir auf der Arbeit auch so ein gehasster Begriffe. Du gestaltest etwas und dann heißt es: "Können wir die Tabellen schöner machen?" Dann musst du dich erstmal durchfragen, um herauszufinden, was der Person nicht gefällt. Will sie verspieltere Tabellen? Sollen sie aufgeräumter werden? Stärkere Kontraste? Weniger Farben? Knalligere Farben?

    Breitschaft, Offenheit und Motivation sind auch nochmal mega wichtig.

    Ich habe das bei mir im Kopf nochmal so auf zwei Bereiche heruntergebrochen.
    Was will die Person?
    Was braucht die Person?

    @La Cipolla
    Als Lehrer hast du da, glaube ich, einen alltäglichen Blick auf die Thematik. Smile
    Das mit dem Selbstbild-Effekte finde ich interessant. Am Ende soll die Person ja ein realistisches Bild von ihren eigenen Fähigkeiten bekommen. Aber wenn man die Kritik nicht für voll nimmt, wird's schwierig.

    Das mit der verschwendeten Energie kann ich 100% so unterschreiben. Es gibt tatsächlich Leute, mit denen ich mich über Rechtschreibung und Grammatik austausche, und mir das sehr viel bringt. Aber dann steht immer schon die Grundlage, dass die Geschichte so in Ordnung ist und nicht alles über den Haufen geworfen werden sollte.

    @SilbenPrinz
    Ich glaube, Vorschläge und Beispiele für eine andere Wortwahl zu schreiben, ist gar nicht so verkehrt. Also mir hilft es oft, wenn jemand nochmal ein anderes Wort reinbringt und ich darüber nachdenke, ob das von mir gewählte, wirklich das ausdrückt, was ich meine oder eben der Vorschlag besser wäre.
    Bei ganz frischen Autoren und Autorinnen wird das oft wahrscheinlich verschwendete Energie sein, aber wenn jemand so 6 Monate schon schreibt, denke ich, ist da schon ein Punkt erreicht, wo solches Feedback einen relevanten Entwicklungsschritt bestärken kann.

    @_Mishra
    Ich habe deine detaillierte Kritik immer sehr genossen. Very Happy Aber es ist in jedem Fall sehr viel Mühe.

    Tatsächlich finde ich es primär cool, wenn ich Feedback bekomme, ob ein Satz jemanden zum Lächeln gebracht hat. Und wenn nur ein Smiley im Text an der Stelle ist. Dann weiß ich, ok, die Lockerheit an der Stelle hat funktioniert. Weil gerade Humor ist ja da auch nochmal so eine Kunst für sich. Weil, wenn es nicht funktioniert, in der Regel niemand reinschreiben wird "Hat mich nicht zum Lächeln gebracht", sondern die Stelle einfach übergehen, weil sie emotional nichts in ihm ausgelöst hat.

    Ich kann mir vorstellen, dass wenn jemand einen Text ohne Angaben zu Kritikwünschen einstellt, grundlegend erstmal nicht so Erfahrung mit Kritik hat. Also dass der Autor oder die Autorin gar nicht weiß, worauf die Leserschaft bei dem Text jetzt achten soll. Folglich gehe ich immer davon aus, dass die Leute da nur ein allgemeines Feedback wollen. Würde da also keine Rechtschreibfehler korrigieren.
    Sondern eher auf die Handlung oder die Figuren eingehen. Mein Fallback wäre in der Situation jetzt halt immer, dass ich die Geschichte in eigenen Worten wiederhole. Aber das ist manchmal auch ganz schön Mühe. Andererseits ... wann ist Kritik schreiben nicht Mühe? Und wir machen's ja gerne, weil wir selbst davon profitieren. Very Happy
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    Beitrag von Necroghoul7 Di Jun 28, 2022 10:19 am

    Hallo,
    hier nun meine – ausführliche - Antwort:

    Zunächst einmal ist meine Kurzantwort auf die Frage, was eine gute und hilfreiche Kritik ausmacht: Das ist subjektiv und das entscheidet jeder Autor selbst, und danach sucht man sich dann seine Testleser oder Lektoren aus. Da ich seit meinem Foreneinstieg schon ein Dutzend Testleser ausprobiert habe, habe ich mir aber durchaus zum Thema Gedanken gemacht.

    Ich erkundige mich oft aus Neugier, ob mein Gegenüber schon Testleser, Kurse und/oder Lektorate hatte, ob Veröffentlichungen angestrebt sind, aber es beeinflusst meine Art der Rückmeldung nicht, es sei denn, es wird um Veränderung gebeten. Ich frage auch meist, ob Rechtschreibung korrigiert werden soll (gerade wenn es viel ist).

    Meine „Schonbehandlung“ besteht aus zwei Teilen: Erstens achte ich darauf, dass meine Rückmeldung immer konstruktiv (möglichst nie abwertend) ist, z. B. indem ich immer eine persönliche Begründung anfüge und dabei oft hervorhebe, dass mein Eindruck subjektiv ist und ich mindestens eine zweite Meinung empfehle. Ich maße mir nicht an, ein Lektor zu sein, oder zu beurteilen, ob jemand Anfänger oder Profi ist. Und zweitens versuche ich zu jedem Kritikpunkt mindestens einen Alternativvorschlag zu machen, damit der Autor eine Vorstellung davon bekommt, was ich passender fände oder mir besser gefallen würde. Das inspiriert dann manchmal zu neuen Ideen (bei mir zumindest).
    Im Gegensatz zu Alastor achte ich weniger auf das Alter als auf die Persönlichkeit des anderen. Es gibt genug Jüngere mit Riesenselbstbewusstsein und Ältere mit Unsicherheiten und niedriger Frustrationstoleranz.

    Eine „Schonbehandlung“ ist bei mir nicht davon abhängig, für wie erfahren ich den Autor im Umgang mit Kritik halte, sondern von Art und Dauer unseres persönlichen Testleserkontaktes. Denn erst wenn eine Einschätzungs- und damit Vertrauensbasis bezüglich Kritikkompetenz und Kritikintention besteht, kann ich mich auf Kritik ernsthaft einlassen, und genauso empfinden das vielleicht auch andere.
    Das bedeutet, je länger ich mit jemandem zusammenarbeite, desto sicherer bin ich mir, dass Kritik richtig eingeordnet wird, und desto besser kann ich selbst Kritik des Gegenübers einordnen und damit arbeiten. Beispielsweise kann ich mit weiteren Rückmeldungen immer besser unterscheiden, was „nur persönlicher Geschmack“ und was „handfest“ ist und ob der Testleser sich überhaupt auf den Inhalt meiner Geschichte einlässt und in meinem Interesse kritisiert. Das ist übrigens bei jeder Form der Hilfe so … vielleicht kennt ihr das auch, wenn einem etwas übergeholfen wird, was man gar nicht möchte, und man sich danach sehnt, die Form der Hilfe zu kriegen, mit der man gut arbeiten kann (Punkt 4 von Alastors Beitrag). Wenn einem ein anderer sagt, was man "braucht", werde ich übrigens generell misstrauisch, oft ist es stattdessen, was er "will", hat also mehr mit seinen als mit meinen Bedürfnissen zu tun (nicht nur beim Schreiben!).

    Wenn jemand viel lobt oder viel kritisiert, weiß ich beim ersten Mal auch nicht, ob derjenige sehr kritisch/unkritisch ist oder ihm der Text wirklich sehr oder gar nicht gefallen hat. Oder ob er einfach nur gerade gute oder schlechte Laune hatte. Bislang war es bei mir mit einer Ausnahme ein Zeichen dafür, dass daraus keine langfristige Zusammenarbeit entsteht. Das, was Crackle42 unter Offenheit erklärt, ist bei mir stark abhängig von der Einschätzbarkeit der Motivation und Kompetenz des Kritikers. Der Hinweis mit der Wahrnehmung ist gut, ist aber leider nicht meine Stärke. Auch das, was _Mishra unter Tonalität erläutert, kann ich zunächst nicht einschätzen, gerade flapsige oder direkte Rückmeldungen erzeugen in mir erst mal eine Abwehrhaltung, bis ich merke, „der meint es nur gut“ (oder eben doch nicht, denn jeder lässt sich, oft unbewusst, von Emotionen zu unsachlichen Kommentaren verleiten).

    Ich hinterlasse nicht die Botschaft: „da musst du dran arbeiten“ oder „das muss überarbeitet werden“, sondern erläutere nur, was mir auffällt, und überlasse diese Entscheidung dem Autor. Das liegt aber eher daran, dass ich zu viel „muss“ und „soll“ auch im Alltag als übergriffig und anmaßend empfinde (gebranntes Kind).

    Ich finde die Rückmeldung, ob dem Gegenüber der Schreibstil gefällt, schon interessant, aber nur, wenn sie begründet ist. Denn dann kann ich erkennen, wie mein Schreibstil wirkt, was andere damit assoziieren, und ob das auch meine Intention ist. Z. B. mögen manche Leser eher einfache Sprache und kurze Sätze, andere viele Fremdwörter und Schachtelsätze, und das darf ruhig benannt werden. Auch empfindet jeder etwas anderes als „holprig“, und deshalb hilft es mir nur dann, wenn erklärt wird, welche Formulierung wieso holprig wirkt und wie der Testleser sie formuliert hätte. „Dieser Abschnitt klingt holprig“ wäre so allgemein, dass ich damit nichts anfangen kann. Ich vermute, das hat Crackle42 unter Punkt 5 und LaCipolla mit spezifisch gemeint. Nur bei spezifischer Rückmeldung ist gesichert, dass man nicht andereinander vorbei redet oder etwas falsch versteht. Beispiele wie von Silbenprinz finde ich sehr gut, solange es nicht zu überladen wird.

    Ich finde es so wie du ebenfalls hilfreich und wichtig, besonders positive Textstellen hervorzuheben, damit der Autor bei der Überarbeitung nicht genau diese löscht oder verändert.

    Besonders sinnvoll finde ich, wenn erläutert wird, wie die Geschichte verstanden wurde und wie sie gewirkt hat (z. B. welche Gefühle sie beim Lesen auslöst, wie man die Figuren charakterlich einordnet, ihre Motive interpretiert usw.). Das ist etwas „Neutrales“, also weder Lob noch Kritik, und trotzdem für mich extrem hilfreich. Ich stelle immer wieder fest, dass ich am Leser vorbeischreibe, andererseits will ich auf keinen Fall belehrend wirken – gar nicht so leicht!

    Grundsätzlich bin ich offen, wenn das Gegenüber eine andere Form der Kritik wünscht (z. B. mehr Positives, Negatives usw.) oder Rückfragen hat, aber ich habe festgestellt, dass sich nach ein, zwei Texten sowieso von allein ergibt, ob es „passt“ (sowohl vom Schreibstil als auch vom Kritikstil). Daher würde ich mir an deiner Stelle keine Gedanken darüber machen, sondern eben nur anbieten, dass du Stil und Inhalt deiner Kritik an Wünsche anzupassen bereit bist.
    Beispielsweise hat es einer Testleserin bisher gereicht, nur die Testleserfragen und besonders schlechte Formulierungen anzumerken, also habe ich mich daran weitgehend angepasst.

    @RoyAal, ja Kritik zu geben macht Mühe, deshalb bin ich in der Schreibwerkstatt mittlerweile weniger aktiv. Vielleicht ist das sogar das heimliche Kauptkriterium: Deine Kritik ist umso besser, je mehr Mühe sie dir gemacht hat: Also wenn du hinterher erschöpft und ausgelaugt bist, war sie besonders gut?! ;-)

    Am Ende noch ein ganz neuer Punkt: Da ich durch meine Rückenprobleme versuche, öfter zu stehen und zu laufen, gebe ich oft Rückmeldungen per Diktiergerät. Das wurde bislang meist positiv aufgenommen, vermutlich weil ein Tondokument viel mehr Informationen in viel kürzerer Zeit bereitstellt als nur schriftliche Anmerkungen. Der Klang der Stimme erspart z.B. Smileys, Fragezeichen usw.
    Ich gehe davon aus, als Kritiker besser geeignet zu sein als als Autor, aber es macht halt weniger Spaß.


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    Was ist "gute" Kritik für euch? Empty Re: Was ist "gute" Kritik für euch?

    Beitrag von Justin Do Jun 30, 2022 12:00 am

    Ob ich gute Kritiker bin, weiß ich nicht - kannst Du besser beurteilen.

    1) Grammatik/Rechtschreibfehler interessieren mich überhaupt nicht - außer sie sind SO augenscheinlich falsch, dass ich sie erkenne, dann schlage ich vor, dass sie geprüft werden soll. Ich selber, als nicht Deutscher, bin froh wenn mir jemand meine Grammatik/Rechtschreibfehler aufzeigt - sehe ich aber nicht als Schreibkritik.

    2) Ich versuche selbst das vom Autor gewollte Gefühl/Setting/Atmosphäre der Szene zu verstehen und überlege, ob das Gefühl durch das Geschriebene bei mir so angekommen ist - bzw. was für ein Gefühl ich erlebt habe und an Hand von Was (Satzbau/Tempo/Wortwahl) es erlebt habe. Wenn ich schreibe, versuche ich ein bestimmtes Gefühl im Leser zu erwecken - es ist für mich schön zu wissen ob ich mein Ziel erreicht habe und ob die von mir gewählte Mittel da gewirkt haben wo ich es mir gedacht habe.

    3) Ich habe ein sehr gute Fantasie und mein Kopfkino ist an sich sehr vivid. Ich versuche in meiner Kritik, den Autor die Bilder zu beschreiben, die bei mir durch das Lesen sich im Kopf stellen. Da ich selbst sehr "Bildhaft" schreibe, will ich wissen ob es zu viel Bilder/Beschreibung ist, ob die Bilder und das Geschehen sich ergänzen oder konkurrieren und ob ich sie einfach streichen soll.

    4) Sprache... Ich liebe Dialog und viele Autoren scheuen sich davor sie zu schreiben. Für mich ist es wichtig, dass das Gesprochene zu den Figuren passen. Ein Anwalt soll wie ein Anwalt sprechen, ein Straßenjunge soll grade nicht wie ein Anwalt sprechen.

    5) Logik... Da ich sehr Bildhaft den Text vor mir sehe, fällen mir sehr viel Logikfehler auf. Wenn ich eine Szene zuvor geschrieben habe, dass die Figur 20 Meter Seil im Rucksack hat, dann muss er wohl die letzte 30 Meter der 50 Meter hohe Klippe runterfallenlassen... Mann springt mit den Gedanken hin und her, es ist gut wenn der Kritiker ein wenig die Fakten checkt.

    6) Das warum... Nicht alles was ich lese gefällt mir. Ich schalte meine distaste für Liebesgeschichten ab und erkläre warum mir etwas nicht gefällt. Es wurde keine Bilder erzeugt, es hat sich für die Figur keine Sympathie aufbauen können. Beschreibungen waren zu generic und klischehaft, Inhalt war für mich persönlich abstoßend - weil ich nicht auf blood and gore - nur um blood uand gore zu beschreiben, stehe.

    7) Lob... Ich weiß, dass ich da bin um "Kritik" zu schreiben, aber wenn ich eine Passage lese, wo ich sage: "Wow, das war toll geschrieben. Hut ab!" Dann erwähne ich das auch - weil jemand hat seine Aufgabe gemacht und was gelernt und dass soll man auch bei einer Kritik honorieren (Sonst läuft der Gefahr, dass der Autor aus Versehen, den Abschnitt, Satz, Szene löscht).

    Cool Menschlichkeit... Ich schreibe keine Kritik um etwas zu beweisen. Jemand sucht Hilfe und ich habe mich dazu bereit erklärt, ihm zu helfen. Ich versuche durch Austausch, Mails, Rückmeldungen, Fragestellung in Kontakt zu bleiben um zu sehen, ob meine Kritik was gebracht hat oder verstanden worden ist.

    Wie Sie an den vielen roten Stellen sehen können, beherrsche ich die Kommaregeln besser als Sie es jemals tun werden. Was ist "gute" Kritik für euch? 253937370


    Ich hoffe, dass ich auch was dazu beitragen könnte - und bitte, dezent die Grammatik-/Rechtschreibfehler übersehen  Was ist "gute" Kritik für euch? 2939384546 .
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    Beitrag von Crackle42 Sa Jul 23, 2022 11:04 am

    Justin schrieb:Ob ich gute Kritiker bin, weiß ich nicht - kannst Du besser beurteilen.

    1) Grammatik/Rechtschreibfehler interessieren mich überhaupt nicht - außer sie sind SO augenscheinlich falsch, dass ich sie erkenne, dann schlage ich vor, dass sie geprüft werden soll. Ich selber, als nicht Deutscher, bin froh wenn mir jemand meine Grammatik/Rechtschreibfehler aufzeigt - sehe ich aber nicht als Schreibkritik.

    2) Ich versuche selbst das vom Autor gewollte Gefühl/Setting/Atmosphäre der Szene zu verstehen und überlege, ob das Gefühl durch das Geschriebene bei mir so angekommen ist - bzw. was für ein Gefühl ich erlebt habe und an Hand von Was (Satzbau/Tempo/Wortwahl) es erlebt habe. Wenn ich schreibe, versuche ich ein bestimmtes Gefühl im Leser zu erwecken - es ist für mich schön zu wissen ob ich mein Ziel erreicht habe und ob die von mir gewählte Mittel da gewirkt haben wo ich es mir gedacht habe.

    3) Ich habe ein sehr gute Fantasie und mein Kopfkino ist an sich sehr vivid. Ich versuche in meiner Kritik, den Autor die Bilder zu beschreiben, die bei mir durch das Lesen sich im Kopf stellen. Da ich selbst sehr "Bildhaft" schreibe, will ich wissen ob es zu viel Bilder/Beschreibung ist, ob die Bilder und das Geschehen sich ergänzen oder konkurrieren und ob ich sie einfach streichen soll.

    4) Sprache... Ich liebe Dialog und viele Autoren scheuen sich davor sie zu schreiben. Für mich ist es wichtig, dass das Gesprochene zu den Figuren passen. Ein Anwalt soll wie ein Anwalt sprechen, ein Straßenjunge soll grade nicht wie ein Anwalt sprechen.

    5) Logik... Da ich sehr Bildhaft den Text vor mir sehe, fällen mir sehr viel Logikfehler auf. Wenn ich eine Szene zuvor geschrieben habe, dass die Figur 20 Meter Seil im Rucksack hat, dann muss er wohl die letzte 30 Meter der 50 Meter hohe Klippe runterfallenlassen... Mann springt mit den Gedanken hin und her, es ist gut wenn der Kritiker ein wenig die Fakten checkt.

    6) Das warum... Nicht alles was ich lese gefällt mir. Ich schalte meine distaste für Liebesgeschichten ab und erkläre warum mir etwas nicht gefällt. Es wurde keine Bilder erzeugt, es hat sich für die Figur keine Sympathie aufbauen können. Beschreibungen waren zu generic und klischehaft, Inhalt war für mich persönlich abstoßend - weil ich nicht auf blood and gore - nur um blood uand gore zu beschreiben, stehe.

    7) Lob... Ich weiß, dass ich da bin um "Kritik" zu schreiben, aber wenn ich eine Passage lese, wo ich sage: "Wow, das war toll geschrieben. Hut ab!" Dann erwähne ich das auch - weil jemand hat seine Aufgabe gemacht und was gelernt und dass soll man auch bei einer Kritik honorieren (Sonst läuft der Gefahr, dass der Autor aus Versehen, den Abschnitt, Satz, Szene löscht).

    Cool Menschlichkeit... Ich schreibe keine Kritik um etwas zu beweisen. Jemand sucht Hilfe und ich habe mich dazu bereit erklärt, ihm zu helfen. Ich versuche durch Austausch, Mails, Rückmeldungen, Fragestellung in Kontakt zu bleiben um zu sehen, ob meine Kritik was gebracht hat oder verstanden worden ist.
    Als jemand, der von dir zu zwei seiner Kapitel Rückmeldung bekommen hat, kann ich nur sagen, dass du kein guter Kritiker bist, sondern ein fantastischer. Insbesondere deine Punkte 2-5 würde ich so unterschreiben. Auch wenn ich gerne mal Lob hören würde, nützt mir diese, vor allem stets begründete Rückmeldung ungemein. Als Konsequenz deiner Kritik habe ich jede Rückmeldung zu Herzen genommen und angepasst, was objektiv gesehen signifikanz zu verbessern war.
    Bei meinem ersten Projekt hatte ich Fred als Kritiker. Der hat genauso begründet, wieso ihm eine Szene oder Kapitel nicht gefällt, was er sich darunter eher vorgestellt hätte und meist sogar konkrete Verbesserungsvorschläge gegeben. Wenn es mal runde Kapitel oder Szenen gab, dann hat er auch das honoriert.
    Diese Form von Zusammenarbeit und Kritik habe ich für mich als fruchtbar und hervorragend angesehen, weshalb ich das als "gute Kritik" kennzeichnen würde.
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    Was ist "gute" Kritik für euch? Empty Re: Was ist "gute" Kritik für euch?

    Beitrag von Justin Sa Jul 23, 2022 12:30 pm

    Das geht wie Öl runter - Danke Crackle - ich tue nur mein Bestes.

      Aktuelles Datum und Uhrzeit: Sa Apr 27, 2024 2:16 am