was bewertet ihr als gute Kritik zu euren Texten?
Konstruktive Kritik ist für mich nicht: "Mir gefällt dein Schreibstil, aber ..."
Das ist vermutlich die schlechteste Satzkonstruktion überhaupt, die glaube ich aus der Schule kommt? Sag was Positives und dann was Negatives. Buh! Jeder weiß doch, was das für eine Mogelpackung ist.
Einer der wichtigsten Punkte scheint für mich die Menge an Kritik zu sein, die man sich als Autorin oder Autor schon ausgesetzt hat.
Will heißen, jemand, der noch nie Kritik zu einem Text erhalten hat, wird durch das Aufzeigen aller Fehlern entmutigen. Eine größere Hilfe scheint das Benennen von positiven Textstellen und ein Bestärken der Fähigkeiten oder der Idee hinter dem Text.
Ich erinnere mich selbst noch ziemlich gut daran, wie nervös ich früher war, selbst anonym in Foren Texte hochzuladen.
Und ich weiß auch noch, dass wenn mir damals ein inhaltlicher Fehler um die Ohren gehauen wurde, ich am liebsten alles hingeschmissen hätte.
Das möchte ich gerne mit meiner Kritik vermeiden und gerade Anfänger darin bestärken, ihre Texte zu teilen und mehr Selbstvertrauen in ihr geschriebenes Wort zu entwickeln.
Momentan bin ich durch einen Schreiblehrgang ziemlich viel in Kontakt mit Leuten, die noch nie ihre Texte mit jemandem ausgetauscht haben.
Oft fange ich an, ein umfangreiches Feedback zu schreiben und dann halte ich inne, lösche 90% davon und besinne mich auf ein paar positive Worte.
Warum?
Weil ich keinem Anfänger "Fehler" um die Ohren hauen will, die er eh noch nicht verarbeiten kann und dann vielleicht alles hinschmeißt.
Zudem wollen viele Schreibanfänger z.B. keine Rückmeldung zu Rechtschreibung und Grammatik, obwohl sie die eigentlich brauchen. Gerade als Legasthenikerin kann ich das nachempfinden. In meiner Schulzeit habe ich es gehasst, dass der Buchstabendreher wichtiger war, als die Aussage des Satzes. Gleichzeitig wurde mir dadurch aber auch bewusst, dass niemand auf die Aussage achtet, wenn er von verdrehten Worten abgelenkt wird. Will heißen, ich glaube, dass die ersten geschriebenen Worte von jemandem nicht aufgrund von Rechtschreibfehlern durchgestrichen werden sollten. Wenn Leute sicherer in ihren Aussagen werden, kommt immer mehr die Auseinandersetzung mit den Wörtern und irgendwann mit der Kommasetzung. Das ist aber nichts, das man jemandem erklären muss, der gerade zum ersten Mal versucht hat, eine Geschichte und Gefühle irgendwie mit Schrift auf Papier festzuhalten und einzurahmen.
Eins nach dem anderen.
Nun ist es so, dass ich natürlich von Leuten aus dem Lehrgang auch Kritik erhalte, die genau das Gleiche tun. Also jeden guten Satz positiv hervorheben und das Ego streicheln. Und das ist keine gute Kritik für mich. Das sind leere Worthülsen, die ich fast nie ernst nehme.
Was verstehe ich dann aber unter einer guten Kritik?
Im Grunde sind es zwei Dinge:
1. Leute, die holprige Sätze hervorheben
2. Leute, die kurz in eigenen Worten die Geschichte wiederholen
Und ich überlege mittlerweile, ob das auch etwas ist, mit dem Anfänger gut arbeiten könnten? Einerseits gebe ich dem geschriebenem Wort meines Gegenübers mehr Anerkennung, weil ich durch eine eigene Zusammenfassung anzeige, dass ich mich wirklich mit dem Text beschäftigt habe. Und außerdem kann der Autor oder die Autorin nun selbst nachlesen, was bei mir als Leserin angekommen oder vielleicht nicht angekommen ist.
Letzteres kann natürlich wieder frustrierend sein, wenn man merkt, dass das, was man gemeint hat, so gar nicht verstanden wurde.
Aber man muss ja auch nicht bei einem Anfänger auf jeden einzelnen Gedankensprung hinweisen, sondern kann das wiederholen, was man sehr klar verstanden hat.
Zusätzlich glaube ich aber auch, dass es sinnvoll bleibt, Textstellen und Ideen, die einem wirklich positiv aufgefallen sind, zu benennen. Eine ehrliche Rückmeldung, was man mag und als gut gelungen empfunden hat, ist an dem Punkt bedeutend hilfreicher als das Aufzeigen von einem Kommafehler.
Habt ihr euch schon mal zu dem Thema Gedanken gemacht?
Achtet ihr darauf, wie viel Kritik euer Gegenüber schon hatte? Oder seid ihr da rigoros und sagt: "Wer mit seinen Texten an die Öffentlichkeit will, braucht ein dickes Fell. Und entweder hat er das oder nicht. Schonbehandlung gibt es bei mir nicht."
Bin sehr gespannt und freue mich auch über eure eigene Wahrnehmung und Erfahrungen
Liebe Grüße
Roy