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    Wie können Figuren für den Leser lebendig werden? - Charakterisierung mithilfe von Wertungen und Kontrastierungen

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    Beitrag von Gotthelf Do Mai 03, 2018 3:25 pm

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    Beitrag von Susanne Gavenis Do Mai 03, 2018 5:07 pm

    Führt jetzt zwar ein bisschen von Körpersprache weg, passt aber trotzdem gerade zum Thema.

    Ich bin ja als Autorin ebenfalls mehr wie Fred und verbringe relativ viel Zeit mit der Konzeption, bevor ich schließlich konkret mit dem Schreiben beginne. Allerdings ist es mir trotz Plottens und diverser Vorüberlegungen dennoch schon das eine oder andere Mal passiert, dass eine Figur in einer Geschichte sich in eine Richtung entwickelt hat, die ich überhaupt nicht vorausgesehen hatte. Das kam immer spontan beim Schreiben, und erst, als ich diesen Impulsen gefolgt bin, hatte ich das Gefühl, dass diese Figur in meiner Vorstellung tatsächlich zum Leben erwacht ist (während sie vorher lediglich auf meinem gedanklichen Reißbrett existiert hat).

    Das eine Mal war es eine wichtige weibliche Nebenfigur, die ich eigentlich zur Freundin meiner Hauptprotagonistin machen wollte. In meiner Planungsphase hatte ich mir das sehr gut vorgestellt und gedacht, dass ich die Begegnungsszene zwischen beiden Figuren locker aus dem Handgelenk schütteln könnte. Beim Schreiben der Szene habe ich jedoch sofort einen starken Widerstand von meiner Nebenfigur gespürt, der es mir unmöglich gemacht hat, die Szene weiterzuschreiben. Ich habe dann ein wenig locker gelassen und geschaut, was das Mädel tut, wenn ich ihr die Zügel schießen lasse. Die Blockade war sofort verschwunden, und die Szene hat sich - nach meiner vorherigen Konzeption für mich komplett überraschend - sehr konflikthaft entwickelt, und beide Figuren sind über eine weite Strecke der Geschichte zu Rivalinnen geworden. Diese Rolle hatte ich eigentlich für eine andere weibliche Nebenfigur vorgesehen, die sich aber sehr bereitwillig stattdessen als neue beste Freundin angeboten hat. Ich musste dann meine Konzeption entsprechend anpassen, aber da beide Nebenfiguren einfach nur die Rollen getauscht haben, die ich ursprünglich für sie vorgesehen hatte, war das zum Glück kein Problem.

    Ein anderes Mal fand ich ein "Zum-Leben-Erwachen" einer meiner Figuren so verblüffend, dass ich auch heute noch ein bisschen staune, weil es dazu geführt hat, dass sich meine Geschichte (eine Trilogie) im letzten Teil deutlich von meiner ursprünglichen Planung entfernt hat. Die Figur war von mir eigentlich als einer von zwei Haupt-Antagonisten geplant worden, aber schon als ich die erste Szene mit ihm damals meinen Probelesern gegeben habe, haben ALLE gesagt: "Na, das ist ja ein netter Kerl! Der gefällt uns!", und das, obwohl er als gedungener Meuchelmörder den Auftrag hatte, die Prinzessin zu entführen, um damit einen Staatsstreich einzuleiten. Auch wenn er seinen Auftrag konsequent durchgezogen und auch vor Mord nicht zurückgeschreckt hat, hat er sich dennoch standhaft geweigert, der amoralische Arsch zu sein, als den ich ihn ursprünglich geplant hatte, und sich im Lauf der Geschichte schließlich vollständig auf die Seite meiner Helden geschlagen (und ohne diese überraschende Entwicklung wäre mein Finale in seiner jetzigen Form gar nicht machbar gewesen).

    Auch wenn das immer ein wenig attitüdenhaft klingt, fühlt es sich für mich in diesen Fällen schon so an, als wolle ich etwas, was meine Figur nicht will, und als wolle ich ihr durch meine Konzeption eine Rolle und einen Charakter überstülpen, die ihr nicht entsprechen. Und mein "Flow" beim Schreiben ist solange blockiert und stockt, bis ich auf das höre, was die Figuren mir zu sagen haben. Natürlich kommt das nicht ständig vor, und bei Autoren, die das permanent über JEDE ihrer Geschichten berichten, hebe ich schon ein wenig skeptisch die Augenbraue, denn wenn ich meine Geschichten gut plane, sollte mir m.E. nicht JEDE Figur auf der Nase herumtanzen und mir mit spontanen Entwicklungen meine Story sprengen. Dass es mir trotz einer Menge Planungsarbeit dennoch hin und wieder passiert, finde ich eigentlich erstaunlich genug.


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    Beitrag von Fred Erikson Do Mai 03, 2018 8:48 pm

    Das finde ich jetzt auch verblüffend. Ich hatte gehofft, ich wäre durch's Plotten gefeit. ;D

    Aber das die detaillierte Ausarbeitung des Plots vor dem eigentlichen Schreibprozess die Wahrscheinlichkeit deutlich verringert, mit "unvorhergesehenem" konfrontiert zu werden, ist dennoch unstrittig, oder?


    Wenn ich mich mal selbst analysiere, denke ich, dass meine jahrzehntelange Erfahrung als Spielleiter im RPG viel damit zu tun hat, wie ich schreibe. Da muss ich an einem Spielabend ja zig Charaktere glaubhaft und unterscheidbar darstellen, von denen zumindest einige mit eigenen Motiven, Interessen und Vorgeschichten ausgestattet sind. Der Nachteil ist, dass es mir derzeit nicht möglich wäre, einen Roman mit innerem Plot, der also hauptsächlich von der Entwicklung der (einzelnen) Hauptfigur im Sinne der Prämisse, lebt. Jetzt komme ich aber viel zu weit vom eigentlichen Thema ab.^^


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    Beitrag von Susanne Gavenis Fr Mai 04, 2018 1:49 pm

    Ich denke schon, dass einem das Plotten sehr dabei hilft, seine Figuren "auf Linie zu halten" und mit der größeren Rahmenhandlung zu verzahnen. Was ich aber bei mir selbst in den vergangenen Jahren (bzw. Jahrzehnten, seufz!) immer wieder festgestellt habe, ist, dass es nicht möglich ist, durch Vorplanung das Unvorhergesehene VOLLSTÄNDIG aus seinen Geschichten zu verbannen, sondern dass die Spontanität sich immer mal wieder ganz unerwartet ihr Recht erkämpft, auch noch ein Wörtchen bei der Figuren- und Handlungsentwicklung mitzureden.

    Ich merke das immer daran - und mittlerweile habe ich gelernt, diese Zeichen zu deuten und ernst zu nehmen - , wenn ich für eine Szene trotz Vorplanung überhaupt kein Feeling bekomme, sobald ich mit dem konkreten Schreiben beginne, und ich das Gefühl habe, meine Figur(en) mehr mit der Peitsche vorantreiben zu müssen, als dass sie sozusagen gemeinsam mit mir durch die Szene marschieren. Ein solches Stocken zeigt mir immer, dass irgendetwas an einer Figur oder der weiteren Handlungsentwicklung hakt, und zwar so sehr, dass die Geschichte und/oder die Figuren immer mehr in Schieflage geraten würden, wenn ich meiner ursprünglichen Konzeption mit Gewalt weiter folgen würde.

    Bemerkenswert finde ich, dass mir dieses Steckenbleiben beim Schreiben immer Möglichkeiten und Wege aufzeigt, die die Figuren und die Geschichte am Ende besser machen und die ich in meiner Ursprungsplanung nicht gesehen hatte. In dieses Gefühl des Blockiert-Seins und des Widerstandes, den mir eine Figur beim Schreiben einer Szene unerwartet und spontan entgegensetzt, hineinzuspüren und zu erkunden, was mir die Figur sagen will, das ich bisher nicht habe hören wollen, ist für mich zu einem wichtigen Gradmesser geworden, ob die Geschichte sich - all meiner abweichenden Vorplanung zum Trotz - auf einem guten und stimmigen Weg befindet. Und das einzige Mal, wo ich das NICHT getan habe, weil ich unbedingt meine in meinen Augen so geniale und originelle Ursprungsplanung durchziehen wollte, ist mein Protagonist während der gesamten Geschichte für mich tot geblieben, hat bis zum Ende nicht mit mir gesprochen, und ich musste sowohl seine Entwicklung als auch die Storyhandlung mit Kopf und Gewalt vorantreiben (was ich sonst trotz Planung und Plottens in dieser Form nicht tue bzw. zu tun brauche). Folgerichtig war das auch der einzige Roman, den ausnahmslos alle meine Probeleser scheiße fanden und der am Ende in die Altpapiertonne gewandert ist.

    Ich weiß nicht, ob man meine Erfahrungen beim Schreiben verallgemeinern kann, und es soll jetzt auch nicht esoterisch klingen, aber ohne diese "Kommunikation" mit meinen Figuren, also so ein inneres Mitschwingen, das mir zeigt, dass wir uns (also ich als Autorin und sie als meine Figuren) auf derselben Wellenlänge befinden und uns über die Richtung einig sind, in die ich sie während der Geschichte bewegen möchte, kommt - zumindest bei mir - keine gescheite Geschichte raus.


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    Beitrag von Drachenprinzessin Sa Mai 05, 2018 8:19 pm

    Ich kenne das Gefühl, dass ich zu meinen Figuren erst einmal eine "Beziehung" aufbauen muss um eine vernünftige (oder für meine Verhältnisse vernünftige) Geschichte schreiben zu können, da ist nichts esoterisches dran Wink Deshalb habe ich mir ja auch angewöhnt kürzest Geschichten über und mit meinen Figuren zu schreiben bevor ich mit der eigentlichen Geschichte anfange.
    Ich kann aber auch die anderen Ansätze gut nachvollziehen. Außerdem denke ich, dass gerade im Hinblick darauf eine "Beziehung" zu seinen Figuren aufzubauen es nicht so sehr darauf ankommt was für eine Technik man verwendet, sondern eher ob diese Technik für einen selbst funktioniert Wink


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    Beitrag von shiva strife Di Mai 15, 2018 9:46 am

    Sooooo ...... ich hab jetzt im "Schnellauf" eure Kommentare gelesen und mir mal ein paar interessante Sachen herausgepickt, zu denen ich gerne etwas beitragen möchte.


    Die erste Diskussion ging ja sehr auf das Thema, wann, wie viel Körpersprache einsetzen und ich fand besonders Gotthelfs-Meinung dazu ein interessanter Blickwinkel.

    Dir ging es ja hauptsächlich darum, dass zu viel/detaillierte Körpersprachenbeschreibungen "unrealistisch" rüberkommen, da nur wenige Menschen (außer Sir Holmes) so explizit darauf achten würden.
    Ja, ich finde du hast da einen Punkt, den ich in diesem Zusammenhang so noch nicht bewusst wahrgenommen habe.

    Gotthelf schrieb:dass jemand das Gewicht auf sein hinteres Bein versetzt, wenn der Gesprächspartner ihm näher kommt, wodurch er eine defensive Haltung einnimmt, und außerdem kleiner aussieht, als er tatsächlich ist. Es ist eine recht spezifische Geste


    Susanne hat dabei ja schon einiges rekommentiert (hier für mich die wichtigsten Ausschnitte):
    Susanne schrieb:Wenn du jetzt ganz pingelig wärst, könntest du natürlich sagen, dass ein POV-Charakter in einer Szene NIEMALS mithilfe seiner Körpersprache näher charakterisiert werden dürfte, weil er sich ja niemals auf diese Weise von außen wahrnimmt

    Normalerweise dient ja der Einsatz von Körpersprache in Dialogen und Szenen dazu, die Emotionen der Figuren und ihre Veränderung im Lauf der Szene wahrnehmbar und spürbar zu machen. Dazu eignen sich aber m.E. in erster Linie solche körpersprachlichen Ausdrucksformen, die spontan und meist unbewusst und unbeabsichtigt eine emotionale Regung bei einer Figur anzeigen ("Wo warst du?", fragte sie. Er wich steif einen Schritt zurück. "Das geht dich gar nichts an.").

    Die für mich genau das darstellen, wie ich das Kapitel von Susanne auch verstanden habe.
    Ich gebe Gotthelf recht, dass eine zu überzogene oder wie später erwähnt eine zu "originelle" Beschreibung von Emotionen durch Körpersprache aufgesetzt und unwirklich erscheinen, aber ich denke, dass es hier wieder darum geht, den richtigen Mix und vor allem den richtigen Zeitpunkt zu finden.
    Gotthelf hat ja viele Kontz Beispiele gebracht, in denen er keine Körpersprache genutzt hatte - wieso? Mh, das weiß wohl Kontz selbst am besten, aber ich denke, weil es zum hervorheben der Szene einfach nicht notwendig war.

    Wenn ich Susannes Satzbeispiel aber herannehme, könnte ich doch hier auch die Körpersprache weglassen.
    Ich probiere das mal aus:

    1. "Wo warst du?", fragte sie. "Das geht dich gar nichts an", sagte er abwehrend.
    2. "Wo warst du?", fragte sie. Er wich steif einen Schritt zurück. "Das geht dich gar nichts an."


    Jetzt meine Frage an euch - wie empfindet ihr diese zwei unterschiedlichen Beispiele? Welches würde euch hier besser gefallen?




    Zweiter Diskussionspunkt:
    Earl Grey schrieb:Ein Problem, das ich beim Schreiben eher habe, ist, Abwechslung reinzubringen. Ich tue mich mit Show don't tell! etwas schwer, und habe manchmal das Gefühl, in einer billigen Trickkiste zu wühlen.
    In die Kategorie fallen ja auch irgendwie Beschreibungen der körperlichen Reaktionen, also Herzrasen, ein Kloß im Hals, schwitzen usw. (um mal von der klassischen Körpersprache abzuweichen). In meinem letzten Projekt habe ich aus der Sicht eines Vampirs geschrieben, dessen Körper faktisch tot ist. Wenn veränderte Atmung und Herzschlag etc. wegfallen, ist das auf einmal gar nicht mehr so einfach - earl Grey


    Haha, das geht mir genauso und ich bin ehrlich gesagt richtig erleichtert gewesen, als ich Susannes Kommentar dazu gelesen habe.
    Ich bin selbst so ein Autor, der sich ab und zu verbiegt, um ja nicht nochmal (aktuelles Beipsiel) "Monsterpflanze" oder "fleischfressende Blume" zu verwenden.
    Naja, aber nach 2,3 anderen Wort Variationen gingen mir dann auch die Ideen aus - ist das schlimm? Muss ich mich jedes mal verbiegen?
    Laut Susannes Meinung, muss ich vielleicht den Fokus darauf gar nicht so extrem legen, wie ich es bisher getan habe
    --> dieser Punkt fand ich persönlich sehr hilfreich.



    Dritter Punkt:
    Plotten und Charakterisierung

    Dein Satz Fred
    Fred schrieb:Mich interessieren meine Charaktere nur im Zusammenhang mit dem Plot. Sie dienen einzig dazu, eine spannende Geschichte rund um den Plot aufzubauen.
    Fand ich in diesem Zusammenhang am spannendsten.

    Ich bin noch NIE auf die Idee gekommen, keinen Charakterbogen zu machen. Wie soll ich denn dann in meinem Plot (ich plotte, sagen wir relativ detailliert), wissen, wie mein Charakter reagiert?
    Passiert es dir dann nicht, dass dein Charakter seine Eigenschaftszüge während der Geschichte verändert? --> davor hätte ich nämlich Angst
    Aber vielleicht hängt das auch davon ab, wie du plottest? Kannst du mal eine Plott- Beispielszene einstellen ?

    Frage an Fred:
    Mich würde das brennend interessieren, wie du plottest und dann ohne dir vorher Gedanken über die Neigungen deines Charakters gemacht zu haben, die Charaktere darin einbaust.

    Frage an Susanne:
    Machst du Charakterbogen? Wenn ja, wie sehen die aus?
    Eventuell wäre auch ein Plott-Szenenbeispiel von dir interessant?



    Vierter Punkt:
    Susanne schrieb:Das ist eine interessante Übung! Diese Erfahrung habe ich bei meinen eigenen Geschichten auch schon das eine oder andere Mal gemacht. Es ist schon erstaunlich, wie sehr es zuweilen das Denken befreit, aus einer Figur einmal herauszutreten und sie aus der Sicht einer anderen Figur wahrzunehmen. Unabhängig davon, dass einem plötzlich aus einer solchen Außenperspektive Dinge an dieser Figur auffallen können, die man bisher gar nicht auf dem Schirm hatte, kann es auch für die Geschichte selbst sehr bereichernd sein. Gerade wenn man bei einer Szene unschlüssig ist, aus wessen Perspektive man sie schreiben sollte (vielleicht, wenn zwei relativ gleichberechtigte Figuren darin auftreten), kann so ein Wahrnehmungs-Switch ganz erhellend sein und dabei helfen, das Konfliktpotenzial dieser Szene besser auszuloten


    Ich hätte hier ein aktuelles Beispiele, eine Szene aus meinem Romanprojekt.
    Ich Switche dort ab und zu zwischen den einzelnen Perspektiven, aber meist sind das von einander unabhängig reagierende "Personengruppen".
    Nun habe ich mich bei einem Abschnitt ertappt, indem ich von meinem Hauptprota (weibl)  zu meinem Nebenprota (männl.) gewechselt bin, um die Handlung die gerade passiert aus, in diesem Fall, "seiner" Sicht zu schreiben, mit Blick auf "sie".

    Danach wechsle ich aber wieder zu "ihr". Nach einer Weile bin ich wieder auf diese Stelle gestolpert und habe sie umgeschrieben, weil ich den Bruch so krass fand....

    Ich würde, wenn ich das Beispiel noch finde, es gerne hier einstellen wollen und mal eure Meinungen dazu abfragen. Da es hier zu der Diskussion passt.
    Wäre das ok?



    Allgemeine Frage:
    wann bauen wir die Übungsbeispiele ein? Gibt's da ein offizielle Go? oder macht das jeder wie er lustig ist?


    Und damit das der längste Post meines bisherigen Forumlebens wird noch ein PS:

    - sorry, für den rießen Post, da ich versuche nachträglich einzusteigen   Wie können Figuren für den Leser lebendig werden? - Charakterisierung mithilfe von Wertungen und Kontrastierungen - Seite 2 4116661953 Wie können Figuren für den Leser lebendig werden? - Charakterisierung mithilfe von Wertungen und Kontrastierungen - Seite 2 3434132744

    - @Susanne: gestern habe ich das letzte Kapitel gelesen und bin jetzt bei den Interviews! Bisher bekommt der Ratgeber eine Bestnote von mir.
          Wo willst du die Rezi hinhaben? (Amazon, Thalia??)

    Grüße


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    Beitrag von Susanne Gavenis Do Mai 17, 2018 5:04 pm

    Wow, das ist wirklich ein langer Post! Ich gehe erst mal nur auf einen (oder zwei) deiner Punkte ein, der Rest kommt dann später.

    Dass dir der Ratgeber so gut gefallen hat, freut mich natürlich außerordentlich! Da ich das Buch ausschließlich über Amazon vertreibe (was SEHR viele Vorteile bringt), würde mir auch nur eine Amazon-Rezi nützen. Du musst dich aber nicht hetzen damit, sondern kannst gerne erst einmal in aller Ruhe bei der Leserunde mitmachen. Die Rezi läuft zum Glück nicht weg.

    Ich würde sagen, die Übungen kann jeder, der möchte, dann machen, wenn wir in der Leserunde bei dem entsprechenden Thema angekommen sind (was ja bei den ersten Übungen, glaube ich, jetzt schon passiert ist).

    Zu deiner Frage mit dem "Er wich steif einen Schritt zurück" versus "sagte er abwehrend" finde ich, dass die Variante mit der Körpersprache, also dem Schritt zurück, deutlich besser ist, als würde man an dieser Stelle lediglich ein Adverb benutzen. Sicherlich ist auch der Satz mit dem Adverb funktional und hilft einem, ein Gefühl für die Situation zu bekommen, aber ein Adverb ist vom Gefühl her (zumindest von meinem Gefühl) spürbar weiter von einer Figur entfernt, als würde man ihr emotionales Innenleben mithilfe von Körpersprache ausdrücken.

    Genauso wäre es, würde man z.B. einfach schreiben: "Du hast mich enttäuscht", sagte sie traurig. "Sehr sogar", statt dasselbe Gefühl mit Körpersprache indirekt zum Ausdruck zu bringen, etwa so: Sie senkte den Kopf, und Tränen rannen langsam ihre Wangen hinab. "Du hast mich enttäuscht". Ihre Stimme wurde leiser, brach beinahe. "Sehr sogar."

    Ein Adverb ist letztlich immer nur ein einziges Wort (das natürlich in bestimmten Situationen völlig ausreicht), aber ich denke, immer dann, wenn es wirklich wichtig ist, dass die Leser emotional dicht am Innenleben einer Figur sein sollen, sollte man als Autor auf Körpersprache statt auf Adverbien zurückgreifen. Das braucht zwar mehr Platz, aber wenn man nicht gerade ein John Sinclair- oder Perry Rhodan-Heft mit normierten 63 Seiten Umfang schreibt, finde ich den Einsatz von Körpersprache statt schlichter Adverbien oft unersetzlich, um den Lesern eine Figur emotional nahezubringen.


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    Beitrag von Earl Grey Fr Mai 18, 2018 10:14 pm

    Hm, ein interessanter Aspekt. Habe ich mir so noch nie überlegt, sondern immer nur nach Gefühl geschrieben. Ein guter Hinweis Smile


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    Nun sind wir schon wieder an der Grenze unseres Witzes, da wo euch Menschen der Sinn überschnappt.
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    Beitrag von Susanne Gavenis Sa Sep 08, 2018 12:05 pm

    Auch wenn dieser Abschnitt bereits länger zurückliegt, der Vollständigkeit halber: Er bezieht sich hauptsächlich auf die ersten Kapitel des Ratgebers ("Das Wechselspiel von Figur und Situation" und "Spannung erzeugen durch Wertungen").


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