Das hat Viskey ja auch nicht behauptet, sondern nur, daß mit beiden in der Gesellschaft ähnlich umgegangen wird.Strato Incendus schrieb:Burnout und Depression sind NICHT das Gleiche.
Ich würde das "NICHT" auch nicht so stark betonen, denn Burnout und Depression sind zwar nicht das Gleiche, aber Burnout ist eine Unterart der Depression. Nicht jede Depression ist ein Burnout, aber jedes Burnout ist eine Depression.
Das zeigt gerade wunderbar das Problem auf, denn wer ein Burnout als "Frühstadium oder eine geringe Ausprägung einer depressiven Episode" ansieht, der hat offenbar keinen Einblick darin, was ein Burnout tatsächlich ist. Selbst in den früheren Stadien hat ein Burnout bereits die Symptome einer ausgewachsenen chronischen Depression, und in den späteren Stadien werden diese sogar morbid. Wenn jemand das Bett nicht mehr verlassen kann (nicht will - KANN), weil die Psyche einfach mal den On-Off-Schalter umlegt, und das selbst dann nicht, wenn der Körper schon am verhungern ist, dann ist das keine "geringe Ausprägung".Strato Incendus schrieb:Die Symptome sind sehr ähnlich, der Hauptunterschied ist jedoch, dass Depression ein im DSM-V und in der ICD-10 (Krankheits-Klassifikationssysteme, wobei der DSM nur für psychische Störungen ist) festgehalten ist und Burnout nicht. Deshalb wird Burnout momentan als "Modediagnose" angesehen.
Tatsächlich verschwinden viele der Effekte von Burnout, wenn man beim Betrachten der Korrelationen für das Vorhandensein einer Depression kontrolliert. Es könnte also durchaus sein, dass da dasselbe Phänomen dahinter liegt. In dem Fall sollten dann jedoch einfach nicht mehr zwei Begriffe verwendet werden, sondern man würde dann jemandem mit einem "Burnout" einfach ein Frühstadium oder eine geringere Ausprägung einer depressiven Episode diagnostizieren.
Da sprich du nur mal aus Sicht eines gesunden Menschen.Strato Incendus schrieb:Umgekehrt sollte uns aber auch bewusst sein, dass Depressionen, ähnlich wie MS und andere Autoimmunerkrankungen, offenbar vor allem Zivilisationskrankheiten sind und es lauter Menschen gibt, die unter objektiv schlechteren Lebensbedingungen leben und trotzdem weniger psychische Probleme haben. Und im Vergleich zu denen können wir als Gesellschaft uns wirklich auch mal gerne "anstellen" und aus einer Mücke einen Elefanten machen .
Auch die "Zivilisationskrankheit" ist etwas, das dank den Medien gerne mal abgetan wird, und das Ergebnis sieht man in diesem Absatz ganz gut. Zivilisationskrankheit hat nichts damit zu tun, daß man aus einer Mücke einen Elefanten macht oder zimperlich ist. Es geht darum, daß wir die natürlichen Rahmenbedingungen so weit verzerrt haben, daß Körper und Geist des Menschen nicht mehr damit klarkommen, weil sie nicht für diese Rahmenbedingungen ausgelegt sind.
Weißt du, warum ein armer Bauer, der 14h harte Arbeit am Feld durchstehen muß, kein Burnout bekommt? Weil er unter harten, aber natürlichen Bedingungen arbeitet - "Rackern, um zu überleben".
Ein Burnout hingegen kommt nicht von der harten Arbeit an sich, sondern von der Aussichtslosigkeit, daß du trotz 70 Wochenstunden Dauerbelastung nicht "gut genug" bist, um die vollkommen illusorischen Anforderungen zu stemmen. Der Mensch kommt nicht gut damit klar, vor unmögliche Aufgaben gestellt zu werden, und wenn du damit über Jahre hinweg tagtäglich konfrontiert wirst, und du dank der körperlichen Belastung einer 70-Stunden-Woche ohnehin schon körperlich und geistig am Ende bist - dann hat das nichts, aber auch gar nichts mit "zimperlich" zu tun.
Du bist dir aber darüber im Klaren, daß Depression nicht gleich Depression ist?Strato Incendus schrieb:Eine Freundin von der Uni etwa, mit langer depressiver Vorgeschichte, sagte mir einmal, das Beste wären für sie oft diejenigen Menschen gewesen, die ihr einfach immer mal wieder einen nett gemeinten A*schtritt gegeben hätten .
Antriebslosigkeit ist nicht nur eine Folge, sondern kann auch einer der möglichen auslösenden Faktoren sein - in dem Fall ist ein Arschtritt sicherlich förderlich, vor allem wenn das Resultat dann ein positives Erlebnis ist (was bei einem nett gemeinten Arschtritt hoffentlich der Fall ist).
Bei den meisten Formen der Depression hingegen wirst du damit nur erreichen, daß derjenige noch tiefer reinfällt. Und einem Burnout-Patienten einen Arschtritt zu verpassen ist in etwa dasselbe, als würdest du einem Alkoholiker eine Flasche Wodka in die Hand drücken.
Und da sind wir dann wieder beim Verharmlosen, denn "der braucht nur mal einen Arschtritt" ist etwas, das in den Medien bei Depressionen ja gerne mal "verordnet" wird, und was im realen Leben dann verheerende Folgen haben kann.
Danke übrigens an ... ich glaub Viskey? ... für den Vergleich mit Burnout, das macht es nämlich nochmal eine Ecke leichter, sich in ein Opfer von sexueller Gewalt hineinzuversetzen, das den wunderbar lapidaren Darstellungen in den Medien ausgesetzt wird.
Ich weiß mittlerweile auch, wie es sich anfühlt, wenn jemand im fröhlichen Plauderton erzählt, er habe eine Woche lang ein Burnout gehabt, aber er sei "stark genug" gewesen, sich da selbst wieder rauszuziehen. Ist ein wunderbares Gefühl, wenn du selbst zwei Jahre deines Lebens verloren hast (und das nebenbei nicht, weil man "schwach" war, sondern weil man jahrelang verbissen daran gearbeitet hat, das Unmögliche zu schaffen) und den Rest deines Lebens in psychologischer Behandlung sein wirst.
Ein Burnout begleitet dich nämlich ebenso den Rest deines Lebens wie Alkoholismus. Nur mit dem großen Unterschied, daß du niemals "trocken" werden kannst, da du dich bewußt jede Woche mindestens 40h lang dem Auslöser aussetzen mußt. Und in einer Gesellschaft, wo überzogene Anforderungen an die Mitarbeiter inzwischen der Normalzustand sind, reden wir nicht von einem metaphorischen Bierchen, sondern wieder von der täglichen Wodka-Flasche.
Von daher regt mich auch bei sexueller Gewalt auf, wie gerne da in Filmen und Büchern mal dargestellt wird, daß das Opfer "darüber hinweg" kommt und dann auf ewig Friede, Freude, Eierkuchen herrscht. Ich weiß in meinem Bekanntenkreis nur von einem Surviver, und der mag zwar inzwischen dank Therapie wieder ein normales Leben führen, aber wird dennoch den Rest seines Lebens von bestimmten Bildern oder Schilderungen getriggert werden. Ich kann nicht sagen, ob das bei sexueller Gewalt immer so ist, aber mindestes in diesem einen Fall ist das Trauma nichts, das nach Verarbeitung einfach "weggeht", wie es uns so schön von den Medien eingetrichtert wird.
Aber in den beschriebenen Fällen machst du als Autor klar, daß die Meinung des Täters scheiße ist. Vermutlich nicht mit der Holzhammermethode, aber doch zumindest deutlich genug, daß der Leser am Ende nicht die Meinung des Täters teilt (auch wenn das nicht immer funktioniert - siehe zB die Gekko-Fanboys, die den Film Wall Street als Lobpreisung auf Gier und Macht-um-jeden-Preis verstehen).Strato Incendus schrieb:Das müsste ja sogar dann noch erlaubt sein, wenn es um offene Propaganda ginge. Sagen wir mal, jemand will linksextreme Meinungsmache betreiben und irgendeinen Konzernchef als den kapitalistischen Obera**** hinstellen. Dann muss der Konzernchef-Charakter ja zumindest einmal dazu kommen, seine Positionen, hinter denen der Autor dann überhaupt nicht steht, kundzutun - damit der Leser es als gerechtfertigt empfinden, wenn er nachher von der Handlung abgestraft wird (und das, so wird dann suggeriert, aufgrund seiner Weltanschauung).
Oder, um zurück zum Thema zu finden: Der Exploitation- oder Rape-and-Revenge-Film kann seine Wirkung nicht erzielen, wenn nicht zuerst das Verbrechen dargestellt wird. Und zwar exakt so grausam, wie es tatsächlich ist.
Wenn da bspw. die Vergewaltigung offstage geschieht und die blutige Rache detailliert gezeigt wird, würde man ggf. sogar den gegenteiligen Effekt erzielen, nämlich dass der Zuschauer / Leser mit den Tätern nachher mehr Mitleid haben könnte als mit dem ursprünglichen Opfer.
Problematisch wird es halt, wenn (sexuelle) Gewalt aus der Sicht des Täters dargestellt wird, man ungefiltert dessen Sichtweise zu sehen/lesen bekommt, der Autor dann aber weder als Stimme aus dem Off, noch über die anderen Charaktere zu verstehen gibt, daß das falsch ist. Oder einfach nur seeeeeeehr spät und seeeeeeeeehr lasch.
Der angesprochene Terry Goodkind zB ist da schon sehr hart an der Grenze, weil die Beschreibungen sehr ausführlich und eben aus der Sicht des Täters dargestellt werden, sich die Gegendarstellung aber auf "der ist halt böse" beschränkt. Das ist doch ziemlich unverhältnismäßig, und geht meiner Meinung nach über bloßen schlechten Geschmack hinaus. Da sind wir doch auch schon mit einen halben Fuß im Strafgesetzbuch, nicht wegen der Szenen selbst, sondern weil (ob nun bewußt oder unbewußt) die Straftat nie wirklich als etwas Negatives dargestellt wird.
Daß sowas natürlich nicht verantwortlich dafür ist, wenn dann jemand nach Lektüre des Buches meint, er will jetzt unbedingt jemanden schänden, ist klar. Auch das ist eine absurde Fehldarstellung der Medien, die genauso unsinnig und schädlich ist wie die Gewaltverherrlichung an sich.
ABER solche Dinge tragen eben zu einer Desensibilisierung bei, weshalb ich "in der Literatur ist alles erlaubt" auch absolut nicht zustimmen kann.