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Wie kann man Figuren sympathisch darstellen, obwohl sie unsympathische Dinge tun? Kj7b-8-c9f0

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    Wie kann man Figuren sympathisch darstellen, obwohl sie unsympathische Dinge tun?

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    Beitrag von Susanne Gavenis Fr Apr 20, 2018 2:11 pm

    Hier können wir über dieses Thema plaudern.


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    Beitrag von Earl Grey Fr Mai 18, 2018 10:50 pm

    Ich mach hier mal den Anfang. Viel zu diskutieren habe ich dazu zwar nicht, doch ich finde, das ist sehr interessant. Auch hierzu habe ich mir noch nie explizit Gedanken gemacht. Ich denke, das ist ein sehr gutes Beispiel, hilfreich, und schreibtechnisch-handwerklich auf jeden Fall gut zu wissen. Besonders, da es aus der Sicht einer Figur erzählt wird, die zumindest in diesem Moment keine Sympathie für den entsprechenden Charakter empfindet, bzw. sogar das genaue Gegenteil.

    Also auch an dieser Stelle war dein Ratgeber für mich hilfreich Wie kann man Figuren sympathisch darstellen, obwohl sie unsympathische Dinge tun? 3402984712

    Was die von dir zitierte Szene angeht, mit dem Vater, der die Comics zerreißt. So wirklich sympathisch ist der Kerl mir nicht, und ich finde sein Verhalten pädagogisch mehr als fragwürdig, aber abgrundtief hassen tue ich ihn nicht. Ich denke, das funktioniert in diesem speziellen Fall nur, wenn/weil der Leser einen weiteren Horizont hat als der Junge. Der sieht das ja schließlich anders, und ich würde vermuten, wenn der Leser selbst ein 12jähriger Comicliebhaber wäre, würde die Szene nicht so gut funktionieren. Nur, wenn man in der Lage ist, sich zumindest ansatzweise in die erzieherische Rolle eines Vaters hineinzuversetzen (und nebenbei auch in seinen Schmerz über den Verlust des Opas, was jedoch in dieser isolierten Szene für mich nicht so deutlich hervorkam), kann Sympathie in dieser Szene entstehen.


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    Beitrag von Gotthelf Fr Mai 18, 2018 11:31 pm

    Ich fand die Comicszene bewegend und sehr schön, und hätte ich mir Musik dazu angemacht, hätte ich vermutlich geheult.
    Allerdings habe ich den Vater wenig wahrgenommen, für mich war alles mehr ein Gesamtkonstrukt. Ich denke, der Vater wäre mir aber sehr viel sympathischer, wenn ich das Buch von vorne gelesen hätte (was ich auch tun werde) und so das Verhältnis Opa-Vater und Vater-Sohn besser verstehen kann.

    Ich glaube auch, dass Sympathie recht subjektiv ist. Kann mir gut vorstellen, dass manche den Joker oder den Comedian sympathisch finden.

    Nun, ich weiß nicht, ob das unter Sympathie fällt, aber ich kann z.B sehr gut mit Ivar aus der Serie Vikings mithalten. Dass er seinen Bruder umbringt, macht ihn mir nicht unsympathisch, ich habe es quasi erwartet, so wie die Serie das Verhältnis der Beiden dargestellt hat. Jemand, der unter seinen körperlichen und sozialen Unfähigkeiten leidet und deshalb versucht, sich zu beweisen, hat bei mir immer viele Sympathiepunkte. Generell finde ich, dass Vikings viel besser sympathische Charaktere erstellt, als z.B Game of Thrones. Ragnar beispielsweise ist allein durch seine offene und aufgeklärte Weltsicht sympathisch, er ist der einzige, der sich gegen das Klischee des mordenden Barbaren wehrt, aber er sieht die Dinge auch anders.

    Deshalb denke ich, dass Sympathie nicht nur durch die Darstellung "allgemeiner" positiver Seiten gezeigt werden kann (zum Beispiel ist Timmys Vater "nur" ein liebender Vater), sonder vielleicht gerade effektiver durch Darstellung von Eigenschaften, die nicht so häufig im Umfeld des Charakters sind... Wie kann man Figuren sympathisch darstellen, obwohl sie unsympathische Dinge tun? 1246532750


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    Beitrag von Sue Sa Mai 19, 2018 1:18 am

    Juhu, hier kann ich mitreden, die Szene hab ich nämlich auch gelesen! Very Happy

    Bei mir kommt sie nicht so gut an. Ich finde den Vater trotz all seiner (selbstgerechten?) Beteuerungen unsympathisch. Er hätte die Comics ja auch wegsperren können, aber muss er gleich so einen sadistischen Akt daraus machen? Zerreißen und in die Mülltonne, jeden einzelnen? Das war echt unnötig. Autoritärer Mistkerl.

    Zur Beantwortung der Frage:
    Bei einem "Ausrutscher", der dem Charakter hinterher Leid tut, würde ich eher Sympathie mit ihm entwickeln. Ich weiß, das klingt jetzt paradox, weil der Vater ja bereits während der Szene Schuldgefühle hat und nicht erst hinterher. Der Punkt ist eher seine Unverrückbarkeit - es macht auf mich nicht den Eindruck, als würde er seine Sicherheit, das Richtige getan zu haben, später anzweifeln. (Es sei denn, der Sohn gerät bald darauf in Gefahr oder verschwindet, dann macht der Vater sich bestimmt Vorwürfe - das sagt mir jedenfalls mein Gefühl für Dramaturgie.^^)
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    Beitrag von Susanne Gavenis Sa Mai 19, 2018 10:48 am

    Schade, von "Vikings" habe ich leider noch keine einzige Folge gesehen. Ich wollte zwar immer mal reinschauen, habe es bisher aber immer wieder aus dem Blick verloren. Nach dem, was du geschrieben hast, Gotthelf, kann ich mir aber gut vorstellen, dass mir Ivar trotz seines Brudermords ebenfalls nicht unsympathisch wäre.

    Ich denke, das Wort, das mich hier sofort angefixt hat, war "leiden". Wenn es in der Serie Dinge gibt, unter denen Ivar für den Zuschauer erkennbar leidet (und die vielleicht sogar noch schreiend ungerecht sind), wäre es nachvollziehbar und verständlich, wenn irgendwann dieses Leid und der emotionale Druck für ihn so groß werden würden, dass er seinem Bruder den Schädel einschlägt.

    Bei derart brutalen Handlungen kommt es m.E. entscheidend auf diese Nachvollziehbarkeit auf Seiten des Zuschauers bzw. Lesers an, um die Sympathien für eine Figur nicht zu verlieren. Wenn z.B. Joffrey aus "Game of Thrones" irgendwelchen armen Schweinen mit einer glühenden Zange die Zungen herausreißen lässt, nur weil ihm sein Frühstücksmüsli nicht geschmeckt hat, dann sind das sicherlich Gründe, die niemand gutheißen könnte (außer er tickt so wie der gute alte Joffrey).

    Zudem kommt hinzu, dass Ivar bei "Vikings" vermutlich nicht aus Spaß an der Freude Tränen gelacht hat, während er seinen Bruder getötet hat. Wenn man als Zuschauer oder Leser merkt, dass eine Figur unter dem, was sie tut, leidet oder es ihr Schmerz zufügt (oder sie es hinterher bereut, worauf Sue ja hingewiesen hat), auch wenn sie im Moment nicht anders handeln kann, wäre das schon einmal eine gute Grundlage, um die Sympathien für diese Figur nicht zu verspielen (so war es ja auch bei der Comic-Szene im Ratgeber). Joffrey dagegen hätte vermutlich selbst in tausend Jahren nicht eine einzige seiner Taten bereut oder sich unwohl dabei gefühlt.

    @Sue: Ich kann ja mal einen Auszug aus der nächsten Szene posten, in der einer von Timmys Freunden (Doug) mit dem Fahrrad zu ihm radelt und von draußen durch das Fenster in das Wohnzimmer von Timmys Haus späht. Vielleicht ändert das deine Meinung über Timmys Vater doch noch. Hier das Zitat:

    Doug drückte die Nase gegen die Scheibe und spähte durch eine Lücke in den Jalousien. Timmys Vater saß auf der Couch. Auf dem Beistelltisch neben ihm stand eine halb leere Flasche Jack Daniel's. Dougs Augen weiteten sich vor Überraschung. Mr. Graco trank selten und in der Woche so gut wie nie. Aber nicht der Alkohol bestürzte Doug am meisten, sondern der unsagbar gequälte Ausdruck in Randy Gracos Gesicht. Timmys Vater weinte - große, dicke Tränen, die seine Wangen nass glänzen ließen. Seine Augen waren gerötet, sein Körper erzitterte jedes Mal, wenn er schluchzte. Doug hatte noch nie gesehen, dass der Mann solche Emotionen zeigte - nicht einmal bei Dane Gracos Beisetzung. Er wirkte gebrochen, gepeinigt. Auf absurde Weise sah es beinahe so aus, als lache er, statt zu weinen, weil keine Geräusche nach draußen drangen. Aber der gequälte Ausdruck in seinen Augen verriet unmissverständlich, dass der Mann unglaublich litt.
    Doug wich vom Fenster zurück. Irgendwie fühlte es sich falsch an, den Vater seines besten Freundes in einem so privaten und düster intimen Moment zu beobachten. (...)



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    Beitrag von Gotthelf Sa Mai 19, 2018 11:16 am

    Umm, ich geb dir dann mal ne Kurzbio von Ivar, der größte spoiler war sowieso der Brudermord. Wink

    Ivar ist der jüngste von Ragnars Söhnen und wurde als "Krüppel" geboren: Er kann seinen gesamten Unterleib nicht bewegen. Ich glaube, das ist heute eine bekannte Krankheit, aber mir fällt grad der Name nicht ein. Jedenfalls wollte Ragnar ihn eigentlich gleich nach der Geburt töten, aber seine Mutter hat das nicht zugelassen. Jedenfalls ist seine Kindheit von Isolation durchzogen, weil er aufgrund seiner Krankheit nicht mitspielen kann. Dafür verbringt er mehr Zeit mit seinem Lehrer Floki, der ihm alles über die Götter erzählt, wodurch auch Ivar sehr religiös wird. Es gibt dann einen Zeitsprung, wo Ragnars Söhne mehr oder weniger erwachsen sind. Man sieht dort, dass Ivar versucht, auf Augenhöhe mit seinen Brüdern zu sein, er kann z.B obwohl er nicht stehen kann, kämpfen. Allerdings ist es ihm nicht möglich, mit einer Frau zu schlafen(also auch Kinder zu zeugen). Er bringt die Frau, mit der er es versucht hat, fast um, weil er nicht will, dass sie es jemandem erzählt. Genau das passiert aber, und einer seiner Brüder zieht ihn damit ständig auf. Im Affekt bringt er ihn dann irgendwann mal um.
    Später wird Ivar zu einem gerissenen General, und in der Serie werden auch Parallelen zu Saladin gezogen, was ich witzig fand. Zum Beispiel gibt er in einer Schlacht dem Bischof Heahmund - seinem Gegenspieler - sein Pferd, nachdem dessen Pferd getötet wurde. Genau das gleiche sagt man Saladin in Bezug auf Richard Löwenherz nach Wie kann man Figuren sympathisch darstellen, obwohl sie unsympathische Dinge tun? 1242722650


    Übrigens finde ich die Szene, die du gepostet hast, ebenfalls gut, wobei fast schon ein wenig dick aufgetragen, denn ich hätte das jetzt von Timmys Vater tatsächlich erwartet, dass da so etwas in die Richtung passiert. Nach Sues Einwand habe ich noch ein wenig darüber nachgedacht, und ich sehe das anders. Ein Wegsperren ist nicht endgültig und hätte nicht denselben Effekt wie ein Zerreißen oder Verbrennen. Es geht ja darum, dass die Hefte für immer weg sein sollen, und auch wenn das als erzieherische Methode vielleicht ein Stück weit fragwürdig sein könnte, wäre mMn Timmys Reaktion gar nicht in dieser Form möglich, wenn er die Hefte einfach nur wegsperren würde.


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    Beitrag von Susanne Gavenis So Mai 20, 2018 10:46 am

    Ah ja. Nach deiner Beschreibung denke ich noch mehr, dass mir Ivar trotz des Brudermords vermutlich nicht unsympathisch gewesen wäre. Seine Biographie liest sich ja geradezu wie ein Paradebeispiel für Ausgrenzung und Leiden an dieser Ausgrenzung. Selbst Tyrion Lannister erscheint dagegen ja beinahe schon sozial integriert. Und ein Mord im Affekt - weil die Figur gerade so sehr an irgendetwas Bestimmtem leidet, dass sie ihre aufgewühlten Emotionen in diesem Moment nicht kontrollieren kann - ist von der Wirkung auf den Zuschauer oder Leser her etwas völlig anderes, als würde sie diesen Mord kaltblütig und von langer Hand planen und durchziehen. Wenn das Leid vorher nur groß genug war und die Gründe für den Leser oder Zuschauer emotional verständlich sind, verzeiht man, denke ich, auch gerne mal so einen Mord im Affekt, ohne dass man eine Figur deswegen gleich unsympathisch finden würde (wie man ja auch bei Tyrions Vatermord sehen kann).

    Zu dem Zitat mit dem Vater von Timmy eine kleine Quizfrage: In dem Ratgeber geht es ja immer wieder um das Mittel der Kontrastierung. Welche Art der Kontrastierung setzt der Autor hier im Zitat ein, um Randy Gracos Schmerz noch deutlicher herauszustreichen und damit Sympathie beim Leser zu erzeugen?


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    Beitrag von Gotthelf So Mai 20, 2018 12:35 pm

    wie man ja auch bei Tyrions Vatermord sehen kann
    Ich würde eher sagen, das liegt eher daran, dass Tywin Lannister ein richtiges Arschloch ist...


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    Beitrag von Cassandra So Mai 20, 2018 7:15 pm

    Ich kann mich gerade nicht erinnern, ob ich schon einmal etwas zu dieser Szene gesagt hatte, weiß aber, dass
    sie mich damals beim Lesen zum Nachdenken gebracht hat.

    Sympathie empfinde ich für den Vater überhaupt keine, und ich habe mich gefragt, warum. Mich würde hier
    natürlich die Intention des Autors interessieren - was beabsichtigt er mit dieser Szene und vor allem, wie will
    er den Vater auf den Leser wirken lassen?

    Denn nur, weil man ein Verhalten nachvollziehen - es sozusagen erklären kann -, bedeutet das noch lange nicht,
    dass man für die Person (hier für den Vater) Sympathie empfindet.
    Der Vater kommt offensichtlich selbst mit seinem Leben nicht klar und sieht die einzige Möglichkeit, seinen Sohn
    zu erziehen darin, dessen geliebte Comic-Sammlung zu vernichten. Destruktives Verhalten als Erziehungsmaß-
    nahme ist immer ein Symbol für die Unfähigkeit des Strafenden.
    Und dass der Vater selbst in Tränen ausbricht, macht die Sache nicht besser - im Gegenteil. Aufgrund seiner
    eigenen Defizite, deren er sich durchaus bewusst ist, verhält er sich seinem Sohn derart unangemessen - und
    hat dann auch noch den Nerv herumzuheulen, um diesem zu zeigen, wie sehr er selbst leidet. Das muss man
    auch erst mal bringen können.

    Wenn es also in der Absicht des Autors lag, den Vater möglichst negativ darzustellen, so ist ihm das großartig
    gelungen. Die Figur des Vaters löst - zumindest bei mir - recht negative Emotionen aus. Was technisch gesehen
    ein großer Pluspunkt ist, denn wenn eine Figure emotionale Reaktionen beim Leser hervorruft, so hat es der
    Autor geschafft, diese plastisch und authentisch darzustellen.

    Generell finde ich die Eingangsfrage schwierig zu beantworten, denn man müsste erst einmal klären, was genau
    unter sympathisch bzw. unsympathisch zu verstehen ist.
    Die Figur des Hannibal Lecter ist ein recht beliebter Charakter - heißt das, die Leute finden ihn sympathisch?
    Oder Cersei Lannister - ich halte ihren Charakter für einen der interessantesten bei GoT, aber ist sie mir sym-
    pathisch? Im Gegensatz zu Lecter ja.

    Wer mir außerdem sympathisch ist: z. B. Theon (ebenfalls aus GoT): Er tut Böses, aber ist er deswegen auch
    böse? Nein, aber er ist im Grunde ein unsicherer kleiner Junge geblieben, der versucht, es den Falschen recht
    zu machen. Doch im Gegensatz zu dem Vater aus dem Romanauszug von oben, leidet er nicht nur unter seinen
    Fehlern und Schwächen, sondern er schafft es, im entscheidenden Augenblick die Kurve zu kriegen, und das
    zu tun, was seinem wahren (oder wahreren) Wesen entspricht (er rettet Sansa vor Myranda und prügelt sich
    später mit einem der Eisenmänner, um diese davon zu überzeugen, Asha zu retten).

    Fazit für mich: Man kann eine Figur, die unsympathische Dinge tut, durchaus sympathisch finden, wenn es der
    Autor schafft, diese polarisieren zu lassen. Das heißt, er verzichtet auf Schwarz-Weiß-Malerei, lässt die Figur
    nicht andauernd im heulenden Elend versinken, weil sie ständig an sich selbst verzweifelt usw.
    Stattdessen sollte der Charakter - wie es im wahren Leben ja auch ist - vielschichtig erscheinen. Es gibt
    Menschen, die handeln in einer Situation "böse" und in der nächsten "gut". Das klingt wischi-waschi, aber so
    läuft es nun einmal. Warum also nicht auch in einem Roman?

    Noch ein Beispiel am Schluss: Die Figur des Walter White aus "Breaking Bad". Ich weiß nicht, wer diese Serie
    gesehen hat, aber hier wird das großartig gehandhabt. Ich konnte mich bis zum Schluss nicht entscheiden,
    ob ich seine Figur (und die aller anderen) nun gut, scheiße oder irgendwas dazwischen finden soll. Manchmal
    war er mir sehr sympathisch, nur um ihm eine halbe Stunde später die Pest an den Hals zu wünschen.

    Fazit II für mich: Ich glaube fast, es wäre besser "sympathisch" durch "interessant", "polarisierend" und/oder
    "vielschichtig" zu ersetzen.


    Zuletzt von Cassandra am So Mai 20, 2018 10:29 pm bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet


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    Wie kann man Figuren sympathisch darstellen, obwohl sie unsympathische Dinge tun? Empty Re: Wie kann man Figuren sympathisch darstellen, obwohl sie unsympathische Dinge tun?

    Beitrag von Fred Erikson So Mai 20, 2018 9:04 pm

    Ich musste über das Thema erstmal nachdenken und Cassandras Antwort hat mir dabei sehr geholfen.

    Ich finde auch, dass es nicht darauf ankommt, dass eine Figur sympathisch ist, sondern interessant. Das schließt nicht aus, dass ich die Figur sympathisch finde. Eine Bedingung für Interesse ist Sympathie aber nicht. Und ausreichend ist Sympathie für mich auch nicht.

    Neben Hannibal Lecter (super Beispiel!) fällt mir da noch der Joker, verkörpert durch Heath Ledger, ein.

    Aber letztlich ist die Frage ja nicht, ob eine Figur sympathisch sein muss - das muss sie nicht -, sondern, wie man sie sympathisch darstellen kann, obwohl sie unsympathische Dinge tut.

    Ein Beispiel für eine Figur, die ständig unsympathische Dinge tut, aber mir trotzdem sympathisch ist, ist Dr. House. Dabei muss ich gestehen, dass er mir nicht deshalb sympathisch ist, weil sein Verhalten durch seine chronischen Schmerzen und Medikamentenabhängigkeit nachvollziehbar ist, sondern weil ich seine Genialität mag und das für mich vollkommen ausreicht. Habe ich auch schon bei anderen Figuren - wie Lecter - so erlebt. Ergo muss ich sagen, dass mir Figuren nicht sympathisch werden, weil sie nett sind. Übrigens kann man mich durch Leid eines Protagonisten auch nicht an diesen binden. Vor allem wenn es sehr emotional wird und der Prota dauernd am flennen oder im Selbstmitleid versinken ist, erzeugt das bei mir den gegenteiligen Effekt. Deswegen fällt mir auch die Beurteilung der Szene schwer. Manchmal habe ich das Gefühl, leicht autistisch zu sein, denn solche Szenen rühren mich emotional kaum. Der Vater ist für mich halt einfach irgendein Typ. Ich finde die Szene gut geschrieben, die Figuren handeln nachvollziehbar und ich erkenne den Schmerz, den der Vater bei seiner Strafaktion fühlt. Aber es ist mir relativ egal und ich wäre fast bestrebt weiterzublättern, weil ich von dem Ghoul (ich habe die Schreibweise vergessen, es gibt einfach zu viele^^) lesen will.

    Mhm, irgendwie bin ich bei diesem Thema wohl keine große Bereicherung. Very Happy


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    Wie kann man Figuren sympathisch darstellen, obwohl sie unsympathische Dinge tun? Empty Re: Wie kann man Figuren sympathisch darstellen, obwohl sie unsympathische Dinge tun?

    Beitrag von Susanne Gavenis Mo Mai 21, 2018 10:45 am

    @Cassandra und Fred: Sehr interessante Gedanken! Ich gebe zu, Cassandra, dass es mich ziemlich überrascht, dass du den Vater aus dem Zitat trotz der, denke ich, offensichtlichen Bemühungen des Autors, ihm die Sympathien der Leser zu erhalten, als so negativ empfindest. Die Methode, über die Beschreibung des Leids des Vaters während dessen Strafaktion die Leser emotional zu berühren, ist offenbar bei dir nach hinten losgegangen.

    Ich denke, dass es für einen Autor eine Gratwanderung ist, eine Figur zuerst grausame oder unsympathische Dinge tun zu lassen und im Anschluss zu versuchen, durch Selbstgeißelung dieser Figur beim Leser oder Zuschauer dennoch um Sympathien für sie zu werben. Irgendwann kommt bei diesem Versuch sicherlich der Punkt, wo man als Leser denkt: "Dein elendes Selbstmitleid kannst du dir sparen, du Arsch! Zuerst prügelst du deine Frau krankenhausreif, und danach flennst du rum und bettelst um eine zweite Chance! Das ist abstoßend!"

    So wie auch im realen Leben Menschen mit ihrem Verhalten irgendwann eine Grenze überschreiten, über der hinaus ihre Tränen und ihr Schmerz an ihrem eigenen unangemessenen Verhalten ihre Mitmenschen nicht mehr zu erreichen vermag, sondern einfach nur noch als feiger Versuch wirkt, sich dadurch aus der Verantwortung zu stehlen, so gilt das, denke ich, in gleicher Weise auch für Figuren in Geschichten. Der Vater in dem Zitat hätte für mich persönlich diese Grenze noch nicht überschritten (auch wenn ich das Zerreißen der Comichefte als Erziehungsmethode SEHR fragwürdig finde), sondern er hat mich durch den Schmerz, den er dabei selbst erlitten hat, emotional (noch) erreicht.

    Ich frage mich allerdings, was der Autor den Vater noch hätte tun lassen müssen, um den Bogen auch für mich als Leserin zu überspannen und eine ähnliche Reaktion wie bei dir, Cassandra, auszulösen. Ich denke, wenn die Strafaktion mit den Comics nur die erste in einer ganzen Reihe weiterer, ähnlich grausamer Aktionen im Fortgang der Handlung gewesen wäre, wäre ich emotional beim Vater ebenfalls ausgestiegen. Dann wäre es nämlich auch für mich offensichtlich gewesen, dass seine Tränen lediglich Krokodilstränen gewesen wären und ihn das Leid seines Sohnes, das er ihm durch das Zerreißen der Comics zugefügt hat, letztlich kalt lässt (und diese Tränen daher mehr ein Akt des Selbstbetrugs waren, um der hässlichen Wahrheit nicht ins Gesicht blicken zu müssen, was für ein jämmerlicher Vater er in Wahrheit ist).

    Da der Vater allerdings in dem Roman letztlich lediglich eine Nebenfigur ist und es hauptsächlich um die drei Kinder und den Ghoul geht, werden weitere solcher "Erziehungsmaßnahmen" in der Geschichte nicht mehr thematisiert. Aus diesem Grund war der Schmerz des Vaters am eigenen Verhalten für mich so stark im Fokus, dass ich ihm bzw. dem Autor gutgläubig abgenommen habe, dass seine Strafaktion mit den Comics nur ein einmaliges Ereignis war, das weder zeigt, dass ihm die Gefühle seines Sohnes egal sind, noch einen Blick auf einen grundsätzlich verdorbenen und negativen Charakter wirft.

    Dasselbe würde ich übrigens beim guten Theon sagen, bei dem ich komplett mit dir einer Meinung bin, Cassandra. Das mit dem "im entscheidenden Augenblick die Kurve kriegen" war zwar in meinen Augen nicht immer so präsent (immerhin hatte Theon maßgeblichen Anteil daran, dass Winterfell erobert und geschleift wurde), aber er kämpft auf alle Fälle darum, das Richtige zu tun und nicht in seinen Fehlern stecken zu bleiben (was ihm ja auch John Snow in seinem letzten Dialog mit Theon in der letzten Folge der aktuellen Staffel indirekt bestätigt).

    Theon zeigt hier eine positive Entwicklung, die Timmys Vater aus dem Zitat aus Platzgründen sicherlich nicht möglich ist. Beim Vater muss sein Schmerz während und nach seiner Strafaktion letztlich allein für sich selbst sprechen und beim Leser für Sympathie werben. Dass das nicht bei jedem Leser gelingt, hast du, Cassandra, mit deiner Reaktion eindrucksvoll bewiesen. Ich glaube auch, dass bei grausamen bzw. unsympathischen Handlungen von Figuren jeder Leser bzw. Zuschauer eine ganz eigene, individuelle Schmerzgrenze hat, wo die Sicht auf das Handeln dieser Figuren rigoros von den persönlichen Werten und Prinzipien geprägt ist und wo es egal ist, wie viele Tränen ein Autor seine Figur ob ihrer Grausamkeit vergießen lässt. Dann kommt, denke ich, sehr schnell der Gedanke: "Das geht GAR NICHT! Egal, was die Figur für Gründe hat und wie sehr sie selbst darunter leidet oder hinterher Reue empfindet, man schlägt keine Kinder (oder tritt Katzen oder reißt Blumen aus)! Diese Figur ist für mich emotional gestorben!" Ich denke, das ist für jeden Autor eine ziemliche Gratwanderung, bei der er Leser verlieren kann, egal, wie sehr er sich bemüht, für das Handeln seiner Figuren Sympathien zu wecken.

    Deine Gedanken, Cassandra, dass man eine Figur vielschichtig handeln lassen sollte, in einer Situation böse, in einer anderen gut, würde ich grundsätzlich unterschreiben - vorausgesetzt, dass die Figur dadurch eben nicht "wischi-waschi", d.h. vor allem psychologisch unglaubwürdig, rüberkommt, sondern sich ihre guten und bösen Taten in den unterschiedlichen Situationen plausibel aus ihrem Charakter ergeben. Als Negativ-Beispiel, wo das in meinen Augen nicht so war, muss ich hier immer an solche Fernseh-Soaps wie "Dallas" oder "Denver-Clan" aus meiner Jugend denken, wo sich die Figuren in meiner Wahrnehmung charakterlich oft wie Pingpong-Bälle verhalten haben. In einer Szene wird die Ehefrau verprügelt, in der nächsten Szene ein Hundewelpe vor einem Laster gerettet, in der dritten Szene vor der eigenen Mutter gekuscht wie ein Zehnjähriger, in der vierten Szene ein Geschäftskonkurrent eiskalt in den Ruin getrieben, usw., und das alles von ein und derselben Figur. Die Sympathie und Antipathie für die Figuren ist auf diese Weise einem permanenten Auf und Ab ausgesetzt, bei dem es allerdings in meinen Augen keine psychologisch glaubwürdige Kontinuität gibt.

    Hier wäre für mich das gute bzw. böse Handeln der Figuren in unterschiedlichen Situationen nur eine Vorgaukelung einer Vielschichtigkeit des Charakters, während es in Wirklichkeit nur von der Willkür des Autors geprägt ist. Eine Figur psychologisch glaubwürdig mal gut und mal böse (bzw. einfach nicht so moralisch integer, wie man es als Leser oder Zuschauer gerne hätte) handeln zu lassen, ist, denke ich, die hohe Kunst der Figurenkonzeption. Theons Konzeption finde ich in dieser Hinsicht durchaus gelungen.


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    Beitrag von Earl Grey Mo Mai 21, 2018 10:37 pm

    Ich habe GoT nach der 5. Staffel oder so abgebrochen (nach dem "Shame" Finale), daher kann ich bei Theon nicht mehr mitreden.
    Aber es wundert mich sehr, dass du Cersei sympathisch findest. Sie ist sicher eine interessante Figur, aber sie gehört definitiv zu den Charakteren, die ich am wenigsten leiden konnte ...

    Was den Vater für mich vor dem emotionalen Tod rettet ist die Tatsache, dass ich glaube, dass er glaubt und versucht, das richtige zu tun. Er empfindet die Notwendigkeit, seinen Sohn zu erziehen, und er tut es, so gut er kann. Ich heiße seine Aktion in keinster Weise gut, und nur anhand dieser Szene würde ich auch an seinen pädagogischen Fähigkeiten zweifeln. Doch ich empfinde sein Gefühl davon, das notwendige zu tun, und daher schlägt es bei mir nicht in kompletten Hass um.

    Ich habe schön öfter darüber nachgedacht, warum wir Figuren als sympathisch empfinden, die es eigentlich nicht sein sollten. Dexter zum Beispiel. Er bewahrt sich noch so viel Moralität, dass der Zuschauer ihn nicht verurteilt.

    Bei Walter White ging es mir wie Cassandra. Zuerst hatte er meine Sympathie, die er jedoch nach und verpielt hat. (Ziemlich genau an dem Punkt, als er genug Geld hatte, um seine Familie zu versorgen, aber nicht aufgehört hat, und seine Machenschaften seine Familie gefährdet haben. Logisch eigentlich.)


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    Beitrag von Gotthelf Mo Mai 21, 2018 11:13 pm

    Ich fand Cersei eigentlich eine der schlimmsten Figuren überhaupt, auf einer Ebene mit Ramsay und Joffrey. Wink

    Vermutlich sind uns Charaktere dann sympathisch, wenn wir ihr Handeln nachvollziehen können, bzw. wenn wir unter den gleichen Bedingungen genauso gehandelt hätten. In dem Punkt wo wir sagen: Das hätte ich aber anders gemacht, verliert der Charakter dann die Sympathie. So jedenfalls würd ich mit das mit Walter White erklären.


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    Beitrag von Anthalador Di Mai 22, 2018 8:43 am

    Ich glaube es ist durchaus möglich, Figuren sympathisch zu gestalten, obwohl sie zutiefst unsympathische Taten vollbringen. Das Gesamtkonzept muss dabei stimmen. Wenn ein Charakter nur unsympathische Taten vollbringt auch wenn diese einen Hintergrund haben, dann wird es meines Erachtens schwer. Nur weil jemand z.B. selber leidet wird er dadurch nicht sympathischer, sondern allenfalls versteht man das Handeln der Figur besser. Wenn aber neben unsympathischen Taten, ob nun Mord, Verleumdung etc.... die Figur entweder zeitweilig versucht das Richtige zu tun und dabei einen inneren Kampf ausfechtet oder möglicherweise durch eine Entwicklung versucht sich zu bessern und offensichtlich wird, dass dies kein einfacher weg ist, dann kann man Sympathie empfinden. Ich persönlich habe oft ein Hang dazu jene Figuren besonders interessant und sympathisch zu finden, die so einen geistige Kehrtwende vollziehen und denen aber dann dennoch noch etwas gefährliches anhaftet.

    Beispiele:
    Boromir versucht den Ring an sich zu nehmen. Er wirkt aus der Perspektive Frodos bedrohlich. Dennoch kann man stark mit im Fühlen. Im Buch wird sehr viel deutlicher als im Film, dass er mit dem Ring das Ziel verfolgt seinem Volk zu helfen und nicht, dass er nur vom Ring verführt wird. Dennoch hat man auch im Buch (im Film ist das ja stark beabsichtigt) Sympathien für Boromir. Nicht zuletzt dadurch, dass er seinen Fehler wieder versucht gutzumachen und dabei stirbt.

    Loki (Thor und Avengers) ist machthungrig, hinterhältig und oft auch feige. Dennoch ist er gegenüber dem eher einfach gestrickten Thor facettenreich, humorvoll und man kann seine Bedürfnisse sehr gut nachvollziehen. Für mich der eindeutig sympathischere Charakter.


    So muss jetzt.
    Viele Grüße,
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    Beitrag von Gotthelf Di Mai 22, 2018 11:27 am

    Hmm, das sehe ich - zumindest im ersten Thor und ersten Avengers - ganz anders. In Thor ist Thor eher gestrickt wie ein klassischer Held, er begeht einen Fehler und muss nun beweisen, dass er würdig ist. Das ist schonmal ne Spur origineller, als der Schurke, der Böse ist, weil Mami und Papi nicht genug Liebe gezeigt haben.
    Und in Avengers ... klar ist Thor da nicht sehr 3dimensional, aber Loki ist dort nur auf sinnlose Zerstörung aus und wird so etwas von gar nicht unter die Lupe genommen. Allgemein die Charaktere bei Avengers sind alle so platt...


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    Beitrag von Susanne Gavenis Di Mai 22, 2018 3:01 pm

    Na ja, fairerweise muss man sagen, dass die Persönlichkeit von Superhelden in der Regel ja nicht unbedingt ein Füllhorn an psychologischer Differenziertheit ist. Das Höchste, was man hier an psychologischer und emotionaler Tiefe bzw. innerem Konflikt erwarten kann, zeigt sich m.E. in solchen Figuren wie Peter Parker oder auch Batman.

    Ich hatte übrigens ebenfalls mal irgendwo gelesen, dass Loki bei den Fans der Thor- und Avengers-Filme mit Abstand die höchsten Sympathiewerte eingefahren hat. Da kann man sicherlich spekulieren, warum er solche eher klassisch konzipierten Helden wie den guten alten Thor offenbar deutlich hinter sich lässt. An seiner moralischen Integrität kann es jedenfalls nicht liegen, und sein Elternkomplex ist, finde ich, als Grund auch nicht wirklich überzeugend (wobei wir hier scheinbar wirklich von Sympathie und nicht nur von "interessantem Charakter" sprechen, wie Cassandra als Differenzierung vorgeschlagen hat).


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    Beitrag von Drachenprinzessin Di Mai 22, 2018 10:42 pm

    Geht es bei Superhelden nicht eher darum, dass sie bei ihren elegant schicken Kostümchen die Unterwäschen möglichst sichtbar über allem anderen tragen? lol!

    Zurück zum Thema. Beim Zitat in deinem Ratgeber hat mich Timmys Vater zwar emotional angesprochen, aber eher so, dass ich ihm am liebsten sämtliche Comichefte seines Sohnes um die Ohren hätte klatschen wollen. Für mich wirft es auch ein schlechtes Licht auf seine Erziehungsmethoden generell. Wenn er so etwas einmal tut, wer garantiert dann, dass er es nicht noch einmal tut? Auch die nachfolgende Szene, die Du gepostet hast, Susanne, macht es in meinen Augen nicht besser. Die Kontrastierung, dass Timmys Vater in seinem Selbstmidleid so stark weint, dass er zu lachen scheint, setzt nochmal eine gehörige Ladung Antipathie oben drauf.

    Bei GoT habe ich nur eine Folge gesehen und war nicht sehr begeistert und Vikings werde ich mir vermutlich niemals ansehen weil Scandinavien ein negativer Trigger für mich ist. Von daher kann ich bei beidem nicht mitreden Wie kann man Figuren sympathisch darstellen, obwohl sie unsympathische Dinge tun? 1144382489


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    Beitrag von Susanne Gavenis Mi Mai 23, 2018 9:09 am

    Tja, das Probem ist, wie es einem Autor gelingen kann, tiefe, möglicherweise emotional bis zum Äußersten gehende Konflikte zwischen Figuren zu beschreiben, wenn diese Figuren eine gute Beziehung zueinander haben und diese auch durch den Konflikt behalten sollen. Es wundert mich ein wenig, wie negativ die meisten von euch den Vater trotz der Bemühungen des Autors, das Gegenteil zu bewirken, dennoch empfinden. Wenn man als Autor nicht von vornherein in eine Schwarz-Weiß-Darstellung flüchten will (der böse Vater und das gequälte Kind), sehe ich bei diesem Problem im Moment kaum eine andere Möglichkeit der Darstellung.

    Als allgemeine Frage in den Raum gestellt - welche alternativen Möglichkeiten, den Vater in diesem Konflikt mit Timmy zu beschreiben, ohne ihn von vornherein als kompletten Bösewicht darzustellen, würden euch noch einfallen?


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    Wie kann man Figuren sympathisch darstellen, obwohl sie unsympathische Dinge tun? Empty Re: Wie kann man Figuren sympathisch darstellen, obwohl sie unsympathische Dinge tun?

    Beitrag von shiva strife Do Mai 24, 2018 1:00 pm

    Als allgemeine Frage in den Raum gestellt - welche alternativen Möglichkeiten, den Vater in diesem Konflikt mit Timmy zu beschreiben, ohne ihn von vornherein als kompletten Bösewicht darzustellen, würden euch noch einfallen?

    Hallöchen,

    da eigentlich schon alles gesagt wurde, was mir zu diesem Thema eingefallen ist, gehe ich gleich auf Susannes frage ein.

    Hier würde mir z.B. eine vorangestellte Szene einfallen, in der der Vater mit seiner Frau (quasi Mutter des Sohns) über das "Problem" ihres Sohnes sprechen. Hier könnte man schön die Ratlosigkeit und Verzweiflung der beiden Erziehungsberechtigten herausstellen, die vielleicht gar nicht wissen, wie sie in dieser Situation mit dem Kind umgehen sollen. Eventuell übt auch die Mutter Druck auf den Vater aus, damit er endlich ein Machtwort spricht. Auf jeden Fall könnte man den Konflikt in dem sich der Vater gegenüber seinem Sohn befindet an dieser Stelle bereits einleitend hervorheben und den Leser auf seine Tat vorbereiten und somit ein besseres Verständnis kreieren.

    Ich fand den Vergleich zu Ivar in Vikings übrigens sehr gut. Ich bin selbst ein großer Fan des Charakters, nicht weil ich ihn unbedingt sympathisch finde, aber einfach weil er in seinem gespaltenen Charakter unglaublich interessant und vor allem unberechenbar ist. Das verleiht der ganzen Serie einen gewissen Kick.
    Die Kunst sehe ich darin einen so facettenreichen Charakter zu kreieren, der vielleicht nicht der Sympathieliebling ala der Retter der Nation darstellt, aber von dem man als Leser/Zuschauer auf fast absurde weiße nicht genug bekommen kann. 
    Im Film ist das natürlich etwas anders darzustellen als in einem Buch. 

    Susanne hast du zu diesem Thema vielleicht noch ein paar andere grundlegende Tipps, wie ich diesen facettenreichen Charakter aufbauen kann und somit eine unsympathische Person über meinen Roman weg so attraktiv für den Leser halte, dass diese ihn nicht abschreiben?

    Ich habe gerade aktuell einen Charakter im Portfolio, eine junge Frau, die von klein auf aufgrund ihres Äußeren ausgegrenzt wurde. Plus dadurch getriggerte dramatische Ereignisse (in meinem Fall eine Gruppenvergewaltigung), die sie so verändert, dass sie sich von Männern nicht mehr anfassen lassen will/kann, außer von ihrem Zwillingsbruder. Generell prägt ihre Kindheit ihren Charakter sehr stark und sie wird dadurch rücksichtslos und priorisiert ihre Belange bzw. die ihres Bruders über alles andere.
    Für mich ist es nun auch eine Kunst, sie dennoch nicht so unsympathisch wirken zu lassen, dass sie völlig vom Leser abgestoßen wird. Ich versuche das über Rückblenden aus ihrer Vergangenheit bzw. über die Hervorhebung ihrer sympathische Seite, nämlich die uneingeschränkte Liebe und Fürsorge für ihren Zwilling.


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    Wie kann man Figuren sympathisch darstellen, obwohl sie unsympathische Dinge tun? Empty Re: Wie kann man Figuren sympathisch darstellen, obwohl sie unsympathische Dinge tun?

    Beitrag von Gotthelf Do Mai 24, 2018 2:17 pm

    Ich denke, unsympathisch wird ein Charakter wirklich nur dann, wenn er größtenteils/nur negative Seiten hat (z.B faul, dumm, unhöflich, arrogant) und sich dessen nicht bewusst ist, bzw. nicht aktiv etwas dagegen unternimmt, sich zu ändern.

    Ich weiß jetzt nicht ob ich oben genanntes von Susanne oder Reinhold gehört hab...

    Beispielsweise wird z.B ein Arbeitsloser, der faul, fett, uninspiriert und dumm ist, viel sympathischer wenn er zum Beispiel: darüber nachdenkt, sich weiterzubilden, aber sich nicht traut in die Uni(oder sonstwo hin) zu gehen, weil er sich seines Aussehens schämt. Wenn er versucht, zu trainieren, um in Form zu kommen, aber ständiges Frustessen verhindert, dass er abnimmt.


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    Wie kann man Figuren sympathisch darstellen, obwohl sie unsympathische Dinge tun? Empty Re: Wie kann man Figuren sympathisch darstellen, obwohl sie unsympathische Dinge tun?

    Beitrag von Susanne Gavenis Do Mai 24, 2018 4:11 pm

    @Gotthelf: von Reinhold? Ist mir da jemand entgangen? Wie kann man Figuren sympathisch darstellen, obwohl sie unsympathische Dinge tun? 1246532750

    @Shiva: Also, ich denke, dass du bei deiner Figur schon die richtigen Prioritäten gesetzt hast. Wo ich eventuell Probleme sehe, wäre bei der Sache mit dem "rücksichtslos und stellt ihre Belange bzw. die ihres Bruders über alles andere". Ob es dir gelingt, deine Figur durchgehend für die Leser sympathisch zu halten, hängt, würde ich sagen, sehr davon ab, wie du dieses "rücksichtslos" im Verlauf deiner Geschichte mit Fleisch füllst, d.h. in welchen Situationen du sie rücksichtslos sein lässt und was sie dabei konkret tut.

    Würde sie z.B. ohne das geringste Mitgefühl ein kleines Kind in einen tödlichen Abgrund stürzen lassen, weil ihr Bruder gerade Hunger hat und sie ihm eine Stulle schmieren will, wäre es m.E. dem Leser irgendwann egal, wie traumatisch ihre Biographie war, weil ihre Taten in der Gegenwart so sehr für sich selbst sprechen würden und so negativ wären, dass ihr Trauma als Grundlage für Sympathiegefühle auf Seiten des Lesers nicht mehr funktionieren würde. Wenn du vorhast, sie im Verlauf deiner Geschichte richtig krasse egoistische Handlungen begehen zu lassen, wäre es in meinen Augen gut, nicht nur den Weg über Rückblenden bzw. die Liebe zu ihrem Bruder zu nehmen, um deine Figur sympathisch zu machen, sondern sie im Verlauf ihrer egoistischen (oder scheinbar egoistischen) Handlungen auch innere Konflikte spüren zu lassen, die zeigen, dass sie sich ihre Entscheidungen nicht leicht macht oder sogar darunter leidet (möglicherweise ja auch "nur" unter dem Gefühl, seit der Gruppenvergewaltigung keine Gefühle mehr spüren zu können und ihr Mitgefühl für andere und ihre Menschlichkeit scheinbar verloren zu haben).

    Bei weniger heftigen Situationen reicht, denke ich, das Wissen des Lesers um ihre Biographie und die Liebe zu ihrem Bruder (sofern diese nicht nur ein Lippenbekenntnis ist, sondern der Leser spürt und sieht, dass sie für ihren Bruder auch wirklich Einsätze bringt und etwas für ihn in die Waagschale wirft), um ihr die Sympathien zu erhalten. Das Wissen um ihre seelischen Verletzungen wäre dann sozusagen die Trägerwelle, die alle ihre Handlungen und Situationen durchzieht, auch wenn diese Verletzungen in konkreten Szenen nicht noch einmal extra thematisiert werden würden. Sofern du sie wie gesagt nicht wirklich richtig heftige rücksichtslose Dinge tun lässt, sollten die Leser eigentlich selbst beim Lesen die Aufgabe übernehmen können, diese nur indirekt dargestellte Verbindung zwischen ihrer Rücksichtslosigkeit in der Handlungsgegenwart und ihrer traumatischen Vergangenheit aktiv zu ziehen und dadurch Verständnis und auch Sympathie für sie zu haben.

    Hilfreich für eine solche eher ambivalente Figur wäre darüber hinaus auch noch ein klares positives Wertesystem, das sich im Fall deiner Geschichte nicht ausschließlich auf die Interessen deiner Protagonistin und die ihres Bruders beziehen sollte. Wenn sie z.B. aufgrund ihrer eigenen Kindheitserfahrungen sozusagen sofort rot sieht, wenn sie mitbekommt, wie irgendjemand ein Kind anbrüllt, schlägt oder anderweitig schlecht behandelt, wäre das eine zusätzliche Möglichkeit für dich, sie beim Leser sympathisch zu machen.

    Eine Szene beispielsweise, in der sie ein Kind auf dem Marktplatz (oder irgendwo anders) vor seinem grobschlächtigen Vater beschützt, in direkten Kontrast zu einer vorhergehenden Szene zu setzen, in der sie möglicherweise selbst rücksichtslos Gewalt gegen jemanden anwendet, um ihre Ziele zu erreichen, könnte schon helfen, die in dieser Szene dargestellte Brutalität und Rücksichtslosigkeit aufzuweichen und dem Leser zu signalisieren: "Schau her, meine Protagonistin ist zwar durch ihre Vergangenheit ein harter Knochen geworden, der oft skrupellos und egoistisch ist, aber sie hat dennoch noch einen moralischen Wertekompass, den alle Traumata, die sie erlitten hat, nicht haben zerstören können. Und in Situationen, in denen diese ihre Werte verletzt werden, wächst sie über ihre eigenen seelischen Wunden hinaus und tut trotzdem das Richtige (oder versucht es zumindest)." Sofern ein solches Wertesystem zur Persönlichkeit der Figur passt und sich stimmig anfühlt, kann es m.E. gut zur Darstellung einer Figur in einer Geschichte hinzugefügt werden, ohne den eventuell existierenden zentralen Konflikt dieser Figur zu verwässern und sie vielleicht schwach oder inkonsequent wirken zu lassen.


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    Beitrag von Gotthelf Do Mai 24, 2018 5:15 pm

    von Reinhold? Ist mir da jemand entgangen
    Reinhold Ziegler, deutscher Schriftsteller.
    Hab mal eine Schreibakademie bei ihm besucht.


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    Beitrag von Susanne Gavenis Do Mai 24, 2018 7:03 pm

    Stimmt, den hattest du mal erwähnt! Wie kann man Figuren sympathisch darstellen, obwohl sie unsympathische Dinge tun? 1841970642


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    Beitrag von shiva strife Fr Mai 25, 2018 12:57 pm

    HI Susanne,

    das waren super Tipps zu meiner Figur vielen Dank!
    Das lässt sich außerdem gut als "Grundsätze" ableiten.

    In der Tat habe ich mich noch nicht dran gewagt diese Figur ausführlich agieren zu lassen, da ich genau diesen Zwiespalt zwischen Rücksichtslosigkeit und eigenen Wertvorstellung noch nicht wirklich durchdacht habe. 

    Es ist in der Tat so, dass sie im Verlauf der Geschichte durch ihre Rivalität mit meinem Hauptprota (in dem Fall auch eine Frau) etwas weniger rücksichtslos wird bzw. durch den Einfluss dieser Person anders agiert, als sie es sich selbst erklären kann. Was sie wiederum in ihrem grundsätzlichen Verhalten langsam aber sich verändert.


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    Beitrag von Drachenprinzessin Fr Mai 25, 2018 9:37 pm

    Als allgemeine Frage in den Raum gestellt - welche alternativen Möglichkeiten, den Vater in diesem Konflikt mit Timmy zu beschreiben, ohne ihn von vornherein als kompletten Bösewicht darzustellen, würden euch noch einfallen?
    In diesem konkreten Beispiel sehe ich als Möglichkeit eigentlich nur, dem Vater vor dieser Szene noch ein wenig mehr "Sendezeit" zu geben. Nicht ganz direkt vorher wie shiva das vorgeschlagen hat, sondern immer mal wieder ein bischen eingestreut, das deutlich zeigt, dass Timmys Vater seinen Sohn wirklich liebt und seine Erziehungsmethoden generell nicht so fragwürdig sind.

    @shiva: Ich muss zu meinem eigenen Beschämen zugeben, dass ich viel zu wenig Ahnung von Figurenkonzeption habe um dir wirklich helfen zu können, aber mir ist da trotzdem eine Sache eingefallen. Ich weiß ja nicht wie sehr deine Hauptprota die Figur, die Du oben beschrieben hast verändert, allerdings glaube ich, dass Du deiner Figur genügend "Sendezeit" geben musst, damit deine Leser merken, wie sich deine Figur verändert. Ich hoffe das ist irgendwie verständlich Wie kann man Figuren sympathisch darstellen, obwohl sie unsympathische Dinge tun? 1144382489


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