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    Abtreibung in Fantasy-Welten: Methoden, Moral, Alternativen, Entscheidungen Empty Abtreibung in Fantasy-Welten: Methoden, Moral, Alternativen, Entscheidungen

    Beitrag von Strato Incendus Di Jul 07, 2020 2:14 am

    Wir hatten ja bereits einen Thread zum Thema Verhütung in mittelalterlichen / Fantasy-Umgebungen (und der Frage, wie sich das auf die Frage nach Gleichberechtigung der Geschlechter auswirken könnte). Abtreibung wurde in dem Zusammenhang auch kurz erwähnt, aber ich denke, dieses Thema verdient nochmal eine separate Diskussion, da ja noch viele andere Überlegungen (philosophische / religiöse / kulturelle / moralische) mit in dieses Thema hineinspielen, die sich bei Verhütungsmitteln nicht unbedingt stellen. (Es sei denn, es handelt sich um eine Gesellschaft, deren Bildungsstand so weit hinter unserem zurückliegt, dass Spermien und Eizellen bereits wie kleine Embryos behandelt werden.)

    In den Geschichten, die ich aus dem Fantasy-Bereich gelesen habe, kam Abtreibung eigentlich immer nur in Form von irgendwelchen ominösen Tränken von irgendwelchen ominösen Kräuterfrauen vor. Also stets eine medikamentöse Lösung, wenn man es denn so nennen möchte, keine operative / "mechanische". Für mich als Leser bestand aufgrund der "Ominösität" dieser Mittel stets die Frage, ob das überhaupt funktioniert hätte - mit Betonung auf hätte, denn zu einer praktischen Ausführung der Abtreibung kommt es dann doch weitaus seltener. Manchmal, weil die Geburt des ungewollten Kinds ein Plotpoint ist, so wie bei Morgaine Le Fae in der Artussage (und deren modernen Aufbereitungen). Manchmal aber auch einfach, weil der Autor das Thema umschiffen will - das Kind passt gerade nicht in seinen Plot, aber er möchte entweder niemandem auf die Füße treten oder aktiv ein Anti-Abtreibungsstatement machen, und deshalb wird er das Kind einfach auf andere Weise wieder "los" (indem der Mutter irgendein externes Ereignis zustößt, das dafür sorgt, dass sie das Baby "unverschuldet" verliert).



    In meinem Setting ist zwar der Großteil der Welt noch religiös und entsprechend von kategorischer Ablehnung von Abtreibungen geprägt - handlungsrelevant wird die Frage aber koinzidentell nur in der liberalen Studentenstadt mit der Zauberakademie (bzw. in dem Land, in dem diese Stadt liegt).

    Nun ist es auch dort so, dass Nekromantie, also Magie, die sich mit dem Tod befasst, verboten ist. Allerdings wird das Ungeborene bei der gängigen magischen Methode in meiner Welt nicht direkt getötet. Stattdessen wird der Embryo einfach telekinetisch aus der Gebärmutter herausbewegt. Außerhalb des Körpers der werdenden Mutter kann er natürlich nicht überleben, also ist die Konsequenz dieselbe - aber es wurde keine "Todesmagie" aktiv eingesetzt.

    (Telekinese ist bei D&D und damit auch bei mir ein Zauber, der zur Schule der Verwandlung gehört - d.h. der Anwender gewährt sich selbst vorübergehend die Fähigkeit, Dinge mit der Kraft seiner Gedanken zu bewegen. Pseudo-wissenschaftlich physikalisch definiert ist Telekinese in meiner Welt als direkte Umwandlung von mentaler in kinetische Energie.)

    Damit handelt es sich also bei mir explizit um eine "mechanische" bzw. einem operativen Eingriff ähnlichere Methode.
    Es wäre naheliegend zu vermuten, dass auch die Gebärmutterschleimhaut per Telekinese herausbewegt wird.

    Da ergibt sich noch ein gewisses Problem mit anderen Regeln des Settings: Die Frau, bei der das zum Einsatz käme, ist eine Elfe, und Elfen werden im D&D-Setting nicht von Schlafzaubern betroffen - welche ansonsten das gängige Anästhetikum in dem Setting sind. Dies liegt daran, dass Elfen eben tatsächlich nicht schlafen sondern nur in einen meditativen, trance-artigen Zustand sinken (ähnlich wie bei Eragon). Dieses Phänomen ist auch an mehreren anderen Punkten handlungsrelevant und kann daher nicht einfach als D&D-Überbleibsel gestrichen werden, sobald ich meine Geschichte komplett von der D&D-Vorlage loslöse.
    Auch, wenn bei Telekinese keine physisch greifbaren Werkzeuge zum Einsatz kommen, wäre das doch voraussichtlich reichlich unangenehm, das bei vollem Bewusstsein über sich ergehen zu lassen Rolling Eyes



    Über die Methode kommen wir dann auch zu der moralischen Komponente. Smile Das Prinzip "Nekromantie nein, Abtreibung ja" deutet ja schon darauf hin, dass mit der Telekinese-Methode hier ein Schlupfloch gesucht wurde, mit dem sich in meinem Setting (zumindest innerhalb der liberalen Studentenstadt) alle irgendwie abfinden konnten. Ich finde, die Methode passt hier sehr gut zur Philosophie - dadurch kommen wir jetzt aber natürlich auch zwangsläufig zu meiner persönlichen Meinung als Autor zu dem Thema.

    Ich teile das mal auf die Perspektive der Mutter und die des Kindes auf.
    Bei beiden gibt es nämlich ein (bislang) unlösbares Szenario.
    Doch zukünftige (oder eben im Fantasy durch Magie erreichte Wink ) Entwicklungen könnten, in Verbindung mit kulturellen Veränderungen der Ansichten, einen Ausweg aus beidem bieten.

    Perspektive der Mutter:

    Perspektive des Kindes:

    Gäbe es sowohl die Lösung für das unlösbare Problem der Mutter als auch für das unlösbare Problem des Kindes, dann wären Abtreibungen vermutlich nahezu immer überflüssig.

    Denn man könnte sowohl der Mutter die volle körperliche Autonomie gewähren, ohne dass es das Leben des Kindes kostet,
    und man könnte dem Kind die volle körperliche Autonomie gewähren, sodass es sich selbst entscheiden kann, ob und wie lange es leben will.

    Soweit sind wir jedoch noch nicht. Wink

    Wobei wir es beim unlösbaren Problem der Mutter zumindest darauf schieben können, dass es momentan noch an der Technologie scheitert.
    Beim unlösbaren Problem des Kindes hingegen haben wir die Technologie schon längst - nur nicht den Willen, es zu legalisieren.

    Was, wenn wir diese beiden "revolutionären Ideen" als direkte Alternativen zu Abtreibungen betrachten, schon irgendwie ironisch ist:

    Wir haben kein Problem damit, dass werdende Mütter Entscheidungen über Leben und Tod ihrer ungeborenen Kinder treffen.
    Aber wenn jemand lediglich die Entscheidung über Leben und Tod für sich selbst treffen will, wird ihm dies verwehrt. Abtreibung in Fantasy-Welten: Methoden, Moral, Alternativen, Entscheidungen 1246532750

    Es gibt in manchen westlichen Ländern "Yes-means-Yes"-Gesetze, denen zufolge man im Prinzip bei jeder einzelnen Teilhandlung eines sexuellen Aktes um Einverständnis fragen müsste, damit es nicht als Vergewaltigung zählt.
    Bloß das Kind, das dabei ggf. entsteht, wird natürlich kein einziges Mal gefragt.

    An der Stelle wäre wohl das Meme passend:

    "Consent - You keep using that word; I don't think it means what you think it means."
    Wink


    Und jetzt noch für die, die es interessiert, wie all das in meiner Geschichte relevant wird Very Happy .


    Spoiler:



    Generell finde ich wohl dieses Bild der "Herrin über Leben und Tod" an dem Thema besonders interessant.

    Ich sehe das ganze Thema Reproduktion stets wie ein umgedrehtes L, besser gesagt wie den kyrillischen Buchstaben Г: Rechts oben der Mann, links unten das Kind, die Frau in der Mitte.
    Vieles, was von Frau zu Mann gilt, gilt von Kind zu Mutter, und vieles, was von Mann zu Frau gilt, gilt von Mutter zu Kind. Das Entscheidende ist die Unidirektionalität: Entweder, etwas "fließt" von oben nach unten (Resourcen, Schutz der eigenen Gene, "bedingungslose Liebe") oder es gilt von unten nach oben (Zu wem sehe ich auf? Bei wem kann ich Trost suchen? Von wem erwarte ich, dass er/sie mich beschützt? Von wem kann ich besagte "bedingungslose Liebe" erhalten?), aber nur weniges gilt in beide Richtungen gleichzeitig.


    Die Tatsache, dass Frauen die disproportional größere Last bei der Fortpflanzung tragen, hat uns mMn ein Stück weit vergessen lassen, dass für den Großteil der Geschichte nicht nur Frauen ihre reproduktiven Fähigkeiten nicht kontrollieren konnten, sondern allgemein konnten Menschen dies einfach nicht.

    Spider-Mans Onkel Ben hat uns gelehrt "Mit großer Macht kommt große Verantwortung."
    Momentan scheint die reproduktive Macht, die Entscheidung über Leben und Tod, in der alleinigen Hand einer Frau zu liegen.
    Die Verantwortung hingegen, sie zu versorgen und zu beschützen, trägt weiterhin der Mann (gemeint ist ihr Partner, ob der nun der leibliche Vater ist oder nicht). Tut er es nicht, ist er der A****, der sie im Stich gelassen hat.

    Das aus meiner Sicht durchaus legitime "Hausrecht über den eigenen Körper", das ich am Anfang erwähnt habe, hat die Konzentration dieser Macht in den Händen der Mutter als Nebenwirkung:

    Nicht nur der Vater hat bei der finalen Entscheidung über Leben und Tod des Kindes kein Mitspracherecht, sondern auch das Kind selbst nicht.
    Es ist dem Vater zum Glück nicht mehr möglich, der Mutter seinen Willen aufzuzwingen - aber die Mutter zwingt weiterhin dem Kind ihren Willen auf, egal, wie sie sich entscheidet.

    Und was ist mit den beiden Alternativlösungen?:

    Im Endeffekt wird es in meiner Geschichte wohl zu folgender Entscheidung kommen:

    Spoiler:

    Ich sehe schon: So, wie das Thema über Fantasy-Verhütung etwas über Abtreibung enthielt, wozu ich nun einen eigenen Thread aufmache, enthält dieser Thread eine lange Tangente zum Thema Sterbehilfe.

    Das deutet darauf hin, dass dieses Thema vielleicht auch nochmal eines separaten Threads würdig ist. Denn das ist ein Konflikt, mit dem sich vor allem ein Priester in meiner Geschichte auseinandersetzen muss, als er merkt, dass es Krankheiten gibt, die er nicht heilen kann... Very Happy

    Abschließend sei noch gesagt:

    Meine Geschichte ist gewiss ein Gegenklang zum allgemeinen Loblied auf das Leben - der evolutionsdienlichen Propaganda unserer eigenen Gene, die nichts anderes wollen, als sich zu vervielfältigen.
    Aber sie ist definitiv auch kein Lobgesang auf den Tod - sonst würde ja mein untoter Antagonist gewinnen.
    Letzten Endes ist sie wohl vor allem eine Ode an die Freiheit. Very Happy

    Bloß mit dem kleinen Asterisk, dass unser Wille bei weitem nicht so frei ist, wie wir vielleicht denken. Um vollkommen frei entscheiden zu können, müssten wir gänzlich unabhängig von unseren Instinkten handeln können. Wirklich möglich sein wird uns das nie, aber vielleicht kommen wir dem irgendwann näher.

    Bis dahin werden unsere Instinkte weiterhin oft für uns entscheiden - und wir entscheiden dementsprechend notgedrungen für andere mit.

    Und das Thema Abtreibung ist eine der Fangfragen, wo dieses Paradoxon von "freiem" Willen und dem Willen zu leben zusammenläuft.



    In diesem Sinne: Auf eine "fruchtbare" Abtreibung in Fantasy-Welten: Methoden, Moral, Alternativen, Entscheidungen 3402984712 Diskussion! Ich bin zuversichtlich, dass wir dieses kontroverse Thema trotz vermutlich ausgeprägter Meinungsdifferenzen sachlich, differenziert und zivilisiert behandeln können... Very Happy


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    Abtreibung in Fantasy-Welten: Methoden, Moral, Alternativen, Entscheidungen Empty Re: Abtreibung in Fantasy-Welten: Methoden, Moral, Alternativen, Entscheidungen

    Beitrag von Crackle42 Do Jul 09, 2020 4:03 pm

    Uff, so viel Text Very Happy
    Sofern du keine konkrete Frage hattest, die ich überlesen habe, trage ich zur Diskussion mal meine Gedanken bei.

    Ich weiß du bist ein Evolutions- und Biopsychologe nach Leib und Seele, ich denke aber man sollte ein paar Dinge bedenken.

    Das erste wäre einmal, dass es immer noch eine Geschichte ist und man in der herumdoktoren kann, wie es einem passt. Wenn es irgendwelche Kräuter gibt, die solche "Wunder" (bitte nicht falsch verstehen) vollbringen, dann ist das so. Wenn es Magie kann, dann ist das so. Punkt. Die Schöpfungsgeschichte liegt in den Händen des Autors. Das solche Aspekte nicht die Realität abbilden, hatten wir ja im anderen Thread mal angerissen, denn eine Schwangerschaft zu verhindern oder sogar abzubrechen, würde kolossale Veränderungen für die Gesellschaft bedeuten. Die werden auch nicht getreu abgebildet und das stört in den meisten Fällen niemand. Ich bin mir sicher, Kleinfamilien wie bei uns sind erst ein Konzept der Moderne, denn Kinder bedeuteten oft das Überleben und die Rente der Eltern.

    Als zweites möchte ich anstoßen, dass die menschliche Anatomie wahnsinnig komplex ist und wie der ganze Ablauf der Schwangerschaft ist, mit Gebärmutter, Eizelle und Sperma, ist mit Sicherheit auch erst ab einem gewissen Grad an Erkenntnis und Bildung in der Bevölkerung angekommen. Sofern dein Prota also kein belesener Bibliothekar ist, wird er mit große Wahrscheinlichkeit wenig bis gar nichts davon wissen und Ottonormalbürger noch weniger. Wenn Felder zu bestellen sind, das Vieh gemolken werden muss oder der nächstbeste König den Krieg erklärt hat, bleibt wenig Zeit um sich um seine Bildung zu kümmern.

    Ich sehe das ganze Thema Reproduktion stets wie ein umgedrehtes L, besser gesagt wie den kyrillischen Buchstaben Г: Rechts oben der Mann, links unten das Kind, die Frau in der Mitte.
    Vieles, was von Frau zu Mann gilt, gilt von Kind zu Mutter, und vieles, was von Mann zu Frau gilt, gilt von Mutter zu Kind. Das Entscheidende ist die Unidirektionalität: Entweder, etwas "fließt" von oben nach unten (Resourcen, Schutz der eigenen Gene, "bedingungslose Liebe") oder es gilt von unten nach oben (Zu wem sehe ich auf? Bei wem kann ich Trost suchen? Von wem erwarte ich, dass er/sie mich beschützt? Von wem kann ich besagte "bedingungslose Liebe" erhalten?), aber nur weniges gilt in beide Richtungen gleichzeitig.
    Mein dritter Punkt. Ich finde, du hast das ganze etwas verkürzt und einseitig auf biologische Aspekte reduziert dargestellt. Zuerst einmal bekommt das Kind von beiden Elternteilen Schutz und Gene, Ressourcen könnte man höchstens durch die Schwangerschaft argumentieren aber es gab zur damaligen Zeit genügend Todesfälle bei der Geburt, sodass der Mann alle Dinge geben musste. Das ist keine Einseitigkeit von Seiten der Frau. Genauso das "hochblicken". Aus meiner Sicht klingt es dort zu sehr nach dem typischen Abbild eines Königs, dessen Sohn zu ihm aufblickt oder eines Kommandanten, bei dem der Sohn darum kämpft in dessen Gunst zu stehen (in Game of Thrones hat man das ja zu Genüge gesehen). Aber der Vater kann auch abschrecken, Alkoholiker, weil er abgehauen ist, weil er tot ist. In kleineren Dörfern gab es ja nicht selten Dorfälteste, die für ihre Klugheit und Weisheit bewundert worden sind. Solche Gestalten können genauso Trost bieten, Idol sein und das Dorf schützen. Zuletzt noch die Verbindung zwischen Mann und Frau, denn auch hier herrscht keine Einseitigkeit und Frau ist nicht nur eine Gebärmaschine. In GoT wurde auch das vielfach so dargestellt und bei Herrschern, die Erbfolgen brauchen, mag das ja alles so dargestellt werden, aber das zu generalisieren halte ich für fraglich.

    Zu guter letzt muss man sich sowieso die Frage stellen, ob man eine Geschichte (des Partriarchats - wie ich das Wort hasse) so erzählt, dass sie den heutigen Ansichten einigermaßen entspricht, z.B. inklusive Homosexualität und dem Selbstbestimmungsrecht der Frau, oder sie verändert.
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    Abtreibung in Fantasy-Welten: Methoden, Moral, Alternativen, Entscheidungen Empty Re: Abtreibung in Fantasy-Welten: Methoden, Moral, Alternativen, Entscheidungen

    Beitrag von Strato Incendus Mo Jul 13, 2020 5:00 pm

    Crackle42 schrieb:Ich bin mir sicher, Kleinfamilien wie bei uns sind erst ein Konzept der Moderne, denn Kinder bedeuteten oft das Überleben und die Rente der Eltern.

    Das stimmt, das hatten wir schon mal kurz in dem Thread über mittelalterliche / Fantasy-Verhütungsmethoden. Wenn die Kinderzahl als Ergebnis wichtig ist für das eigene Überleben im Alter, ist ja ein externer Anreiz über die eigene Biologie hinaus gegeben, Kinder zu haben - was beide Methoden, die Geburt dieser Kinder zu verhindern, gleichermaßen unattraktiv macht.

    Crackle42 schrieb:Als zweites möchte ich anstoßen, dass die menschliche Anatomie wahnsinnig komplex ist und wie der ganze Ablauf der Schwangerschaft ist, mit Gebärmutter, Eizelle und Sperma, ist mit Sicherheit auch erst ab einem gewissen Grad an Erkenntnis und Bildung in der Bevölkerung angekommen.

    (Hervorhebung von mir)

    Da bin ich ja froh, dass du selbst das Wort Erkenntnis bereits verwendet hast. Very Happy Denn Erkenntniszauber sind bei D&D (und damit auch bei mir) eine eigene magische Disziplin (wer sich darauf spezialisiert, ist ein Seher). Passenderweise die einzige, die man nicht als verbotene Schule, also nicht "abwählen" kann. Das passt auch schön zum wissenschaftlichen Geist, niemals aufzuhören, Fragen zu stellen. "Seher" sind bei mir wohlgemerkt nicht dazu in der Lage, in die Zukunft zu sehen, dafür aber sehr weit durch den Raum und durch physische Barrieren hindurch (Telepathie gehört auch dazu). Erkenntniszauber sind also eine Art Universalmessinstrument.

    Bezüglich Bildung, Aufklärung und damit auch technischem Fortschritt gibt es bei mir also eine ziemlich starke Pareto-Verteilung: Die Regionen, wo es viele Magier gibt (und damit viele Leute, die Erkenntnismagie wirken können), sind entsprechend weitaus (=viele Jahrhunderte) fortschrittlicher als die weniger magiedurchsetzten Regionen, die von der sie umgebenden mittelalterlichen Epoche also viel stärker - nicht nur in ihrer technologischen, sondern auch in ihrer geistigen und kulturellen Entwicklung - eingeschränkt werden.

    Crackle42 schrieb:Mein dritter Punkt. Ich finde, du hast das ganze etwas verkürzt und einseitig auf biologische Aspekte reduziert dargestellt. Zuerst einmal bekommt das Kind von beiden Elternteilen Schutz und Gene, Ressourcen könnte man höchstens durch die Schwangerschaft argumentieren aber es gab zur damaligen Zeit genügend Todesfälle bei der Geburt, sodass der Mann alle Dinge geben musste.

    Genau das meine ich ja: Ressourcen und Schutz fließen vom Mann zur Frau und von der Frau zum Kind (und damit natürlich auch vom Mann zum Kind). Wink
    Die Einschränkungen der Schwangerschaft sind ja auch der Grund für Instinkte wie Hypergamie: Der männliche Partner muss mehr zu bieten haben als der Ausgangszustand der Frau, damit er in der Lage ist, den temporären Wegfall oder zumindest Ab-Fall ihrer Leistungsfähigkeit während und kurz nach der Schwangerschaft zu kompensieren - und ihre Versorgung sowie des Kindes zusätzlich zu seiner eigenen Selbstversorgung zu stemmen.

    Crackle42 schrieb:Zuletzt noch die Verbindung zwischen Mann und Frau, denn auch hier herrscht keine Einseitigkeit und Frau ist nicht nur eine Gebärmaschine. In GoT wurde auch das vielfach so dargestellt und bei Herrschern, die Erbfolgen brauchen, mag das ja alles so dargestellt werden, aber das zu generalisieren halte ich für fraglich.

    Nein, aber unsere Instinkte haben sich auf Basis der ständigen Möglichkeit einer unverhinderbaren Schwangerschaft entwickelt. Natürlich findet ein "Austausch" von Gütern oder Dienstleistungen zwischen Männern und Frauen statt, aber es handelt sich dabei nicht jeweils um dieselbe Ressource.

    Manch ein Arzt heiratet eine Krankenschwester, aber du wirst nur wenige Ärztinnen finden, die einen Krankenpfleger heiraten.
    Den meisten Männern wiederum ist das Gehalt ihrer Partnerinnen ziemlich egal, solange das Äußere (und vor allem das Alter, sprich jünger als sie selbst) stimmt.

    Denn die Ressourcen des Mannes sind für die Frau viel entscheidender bei der Frage, ob ihr Nachwuchs durchkommt, als ihre eigenen Ressourcen es für den Mann sind.
    Und die Jugend und Fruchtbarkeit der Frau sind für den Mann entscheidender bei der Frage, ob er überhaupt Nachwuchs haben wird, als es ihre materiellen Ressourcen sind. Letztere kann er auch selbst beisteuern, ersteres nicht.

    Daher fließen finanzielle Ressourcen fast immer von Mann zu Frau und von Frau zu Kind. Umgekehrt, also von Kind zu Mutter, geht ja schlecht, solange das Kind noch nicht erwachsen ist; und von Mutter zu Vater ist wie gesagt aufgrund der Hypergamie auch selten, da sich die wenigsten Frauen einen Mann suchen werden, der weniger verdient als sie selbst.

    Wenn das Kind dann erwachsen ist und die Eltern aufgrund ihres Alters arbeitsunfähig, erst dann kann sich der Ressourcenfluss umkehren. Das dürfte dann aber an beide Eltern gleichermaßen fließen.

    Crackle42 schrieb:Zu guter letzt muss man sich sowieso die Frage stellen, ob man eine Geschichte (des Partriarchats - wie ich das Wort hasse) so erzählt, dass sie den heutigen Ansichten einigermaßen entspricht, z.B. inklusive Homosexualität und dem Selbstbestimmungsrecht der Frau, oder sie verändert.

    Naja, ich finde es umgekehrt immer inkonsistent, wenn eine mittelalterliche Welt über Magie verfügt, also über lauter Möglichkeiten, das Leben gegenüber dem mittelalterlichen Lebensstandard zu verbessern, aber kulturell trotzdem auf dem Stand des Mittelalters hängen bleibt.

    Ich denke, die rasante gesellschaftliche Entwicklung bei uns, nach der Entdeckung der Pille, hat gezeigt, wie schnell ein technologischer Fortschritt auf die Kultur durchschlagen kann.
    Lediglich unsere Instinkte sind eben deutlich langsamer. Deshalb haben wir bereits nach bloß 1-2 Generationen eine Gesellschaft, in der die meisten Menschen sich nicht bewusst sind, warum es Hypergamie, Slut Shaming etc. gibt. Denn "rational gesehen" sollte es doch keinen Unterschied machen, wie viele Partner jemand hatte oder wie viel Geld jemand verdient, wenn das Risiko einer Schwangerschaft für Frauen so zuverlässig abgestellt werden kann, dass sie von diesem Risiko im Alltag nur unwesentlich mehr eingeschränkt werden als Männer.

    Die "echte" rationale Erklärung beinhaltet dann natürlich, dass man sich auch mit unseren Instinkten und deren Herkunft befasst. Diese Instinkte selbst sind zwar nicht rational, und nach dem Motto "you cannot get an ought from an is" kann man also auch argumentieren "Nur, weil wir diese Instinkte haben, heißt das nicht, dass sie das korrekte Urteil vorgeben". Dass also man aufgrund der aktuellen Technologie Slut Shaming und Hypergamie als überholte, irrationale Instinkte betrachten sollte, die es zu bekämpfen gilt. Damit wird man aber trotzdem nicht die alltäglichen Entscheidungen der Menschen überschreiben, die weiterhin von diesen Instinkten geprägt seien werden. Die Menschen werden weiterhin slut-shamen und gemäß der Hypergamie ihre Partner wählen, falls man sie nicht mit totalitären Maßnahmen daran hindert, die den wenigsten verhältnismäßig erscheinen dürften. Wink

    Das heißt, wenn bei uns eine Entdeckung wie die Pille die Menschen den ehemals logischen Grund für ihr instinktives Verhalten bereits binnen kürzester Zeit vergessen lässt, warum sollte das dann mit einem magischen Verhütungsmittel und/oder telekinetischer Abtreibung anders sein? Wink

    Natürlich gilt das dementsprechend nur dort, wo diese Technologie auch der breiten Masse verfügbar ist.
    Smile


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    Abtreibung in Fantasy-Welten: Methoden, Moral, Alternativen, Entscheidungen Empty Re: Abtreibung in Fantasy-Welten: Methoden, Moral, Alternativen, Entscheidungen

    Beitrag von Crackle42 Fr Jul 17, 2020 1:12 pm

    Strato Incendus schrieb:
    Bezüglich Bildung, Aufklärung und damit auch technischem Fortschritt gibt es bei mir also eine ziemlich starke Pareto-Verteilung: Die Regionen, wo es viele Magier gibt (und damit viele Leute, die Erkenntnismagie wirken können), sind entsprechend weitaus (=viele Jahrhunderte) fortschrittlicher als die weniger magiedurchsetzten Regionen, die von der sie umgebenden mittelalterlichen Epoche also viel stärker - nicht nur in ihrer technologischen, sondern auch in ihrer geistigen und kulturellen Entwicklung - eingeschränkt werden.
    Mir fällt es schwer, so sowas in der Wirklichkeit vorzustellen, denn Menschen oder Wesen mit derart mehr viel Macht und Ressourcen werden die anderen unweigerlich anstacheln oder beflügeln, sofern man keine Vereinbarung getroffen hat solche Länder in Ruhe zu lassen, wie z.B. bei uns irgendwelche Ureinwohner. Aber gut, das kann ich akzeptieren wenn das eine Eigenheit der Welt ist, immerhin soll es ja Fantasy sein.



    Genau das meine ich ja: Ressourcen und Schutz fließen vom Mann zur Frau und von der Frau zum Kind (und damit natürlich auch vom Mann zum Kind). Wink
    Die Einschränkungen der Schwangerschaft sind ja auch der Grund für Instinkte wie Hypergamie: Der männliche Partner muss mehr zu bieten haben als der Ausgangszustand der Frau, damit er in der Lage ist, den temporären Wegfall oder zumindest Ab-Fall ihrer Leistungsfähigkeit während und kurz nach der Schwangerschaft zu kompensieren - und ihre Versorgung sowie des Kindes zusätzlich zu seiner eigenen Selbstversorgung zu stemmen.
    Als Psychologe arbeite ich grundsätzlich gerne mit gut definierten und abgegrenzten Begriffen, was schon einmal das Hauptproblem am Term "Instinkt" ist. Das wird gerne als Blackbox verwendet und ein Sammelsurium verschiedener Dinge, die - womöglich - mit hineinspielen oder enthalten sind, ohne es genau erforscht zu haben. Aber gut.
    Das zweite Problem, das ich mit dieser Aussage habe, ist das was du vorher selbst beschrieben hast. Die Regionen mit Magiern sind kenntnistechnisch um Jahrhunderte voraus, angeblich damit auch ihre Kultur, doch ihre Biologie hinkt noch hinten drein? Das macht mMn wenig Sinn. Wie im anderen Thread diskutiert, ist ja die Möglichkeit zur Verhinderung einer Schwangerschaft ein zentraler Aspekt, um eine kulturelle und damit auch sozial-gesellschaftliche Verschiebung anzustoßen. Bei uns hat das mit Einführung der Pille innerhalb weniger Jahrzehnte funktioniert, dass es zum Umdenken kommt. Entsprechend werden solche Argumente wie "Der männliche Partner muss mehr zu bieten haben" unwichtiger. Ich will nicht sagen dass sie es global werden aber wenn du heutige jüngere Generationen mal anschaust, wirst du nicht unerheblich wenige finden, wo der Mann gleich alt oder jünger ist oder weniger gebildet als die Frau. Wenn dieser Trend noch anhält, kann ich mir nicht vorstellen, dass sich nach Jahrhunderten das Argument der Ressourcen so beibehalten lässt. Wie gesagt, sicherlich wird es immer Stellen geben, wo das zur Geltung kommt aber im allgemeinen wird das nicht mehr in dem Ausmaß zutreffend sein.


    Manch ein Arzt heiratet eine Krankenschwester, aber du wirst nur wenige Ärztinnen finden, die einen Krankenpfleger heiraten.
    Halte ich für gewagt. Das mag (noch) so sein aber es gibt hier gegenläufige Trends. Ältere Frauen, besser verdienende Frauen weil mit dem Erwerb von Eigenverantwortung über Körper und Leben (i.S.v. Beruf und Geldverdienen) gewinnen andere Ressourcen an Bedeutung.
    Den meisten Männern wiederum ist das Gehalt ihrer Partnerinnen ziemlich egal, solange das Äußere (und vor allem das Alter, sprich jünger als sie selbst) stimmt.
    Das Statement unterschreibe ich. Angeblich nehmen Männer sogar psychische Krankheiten bei Frauen in Kauf, wenn sie dafür hübsch genug sind Very Happy Habe die Studie aber nur gehört, nicht selbst gelesen


    Daher fließen finanzielle Ressourcen fast immer von Mann zu Frau und von Frau zu Kind. Umgekehrt, also von Kind zu Mutter, geht ja schlecht, solange das Kind noch nicht erwachsen ist; und von Mutter zu Vater ist wie gesagt aufgrund der Hypergamie auch selten, da sich die wenigsten Frauen einen Mann suchen werden, der weniger verdient als sie selbst.
    Nicht ganz Smile
    Der Altersunterschied ist auch so ein Beispiel. Macron macht es vor und andere Studien zeigen ebenfalls andere Perspektiven (Glaubwürdigkeit sei offen aber zumindest ist es nicht mehr so wie man sich das ausmalt:
    Perfekter Partner für 45-Jährige ist 20 Jahre alt: Umfrage des Playboys
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    Abtreibung in Fantasy-Welten: Methoden, Moral, Alternativen, Entscheidungen Empty Re: Abtreibung in Fantasy-Welten: Methoden, Moral, Alternativen, Entscheidungen

    Beitrag von Strato Incendus Mi Jul 22, 2020 1:43 pm

    Crackle42 schrieb:Mir fällt es schwer, so sowas in der Wirklichkeit vorzustellen, denn Menschen oder Wesen mit derart mehr viel Macht und Ressourcen werden die anderen unweigerlich anstacheln oder beflügeln, sofern man keine Vereinbarung getroffen hat solche Länder in Ruhe zu lassen, wie z.B. bei uns irgendwelche Ureinwohner. Aber gut, das kann ich akzeptieren wenn das eine Eigenheit der Welt ist, immerhin soll es ja Fantasy sein.

    Das wäre dann so etwas wie die oberste Direktive bei Star Trek (=nicht zu einer Zivilisation Kontakt aufzunehmen und nicht in ihre Entwicklung einzugreifen, bis sie aus eigener Kraft den Warpantrieb erfunden hat). Wink Mit anderen Worten, die europäischste Serie, die jemals in Amerika gedreht worden ist. Very Happy

    Warum das wichtig ist?

    Wenn eine Gesellschaft in einem fiktiven Setting eine Regelung wie die oberste Direktive hat, ist natürlich entscheidend, wie die entstanden ist. Höchstwahrscheinlich wie das meiste in der menschlichen Geschichte durch Trial und Error, d.h. dadurch, dass jemand, der es anders gemacht hat, damit auf die Schnauze gefallen ist.

    Man könnte also in der Vorgeschichte ein Volk haben, das sich als Weltverbesserer und/oder Weltpolizei verstanden und versucht hat, den anderen, ihnen kulturell und wirtschaftlich unterlegenen Zivilisationen "auf die Beine zu helfen" (*hust* USA *hust*), nur um dann zu merken, dass "wir bringen denen die Demokratie bei, indem wir ihnen Bomben auf den Kopf werfen" nicht funktioniert. Abtreibung in Fantasy-Welten: Methoden, Moral, Alternativen, Entscheidungen 3402984712

    Dieter Nuhr behauptete mit diesem Satz mal, wir Deutschen seien das einzige Volk, wo das jemals geklappt habe. Aber wie meine Mitstudenten mir damals zurecht bewusst machten, Deutschland hatte davor ja bereits in der Weimarer Republik mit der Demokratie Erfahrung gesammelt. Das System war eben nur noch nicht ausgereift (keine 5%-Hürde etc.), sodass es leicht von den Nazis ausgehebelt werden konnte.

    Der europäische Ansatz ist dann oft das Gegenteil - da wird eher mal zulange nicht eingegriffen, während die Big Player die Welt unter sich aufteilen.



    Allerdings kann ein bewusstes Nicht-Eingreifen, oder höchstens "Hilfe zur Selbsthilfe", dazu führen, dass die Entwicklungen in den schwächeren Regionen langfristig stabiler sind, weil sie aus dem Gebiet selbst kommen, anstatt von außen auferlegt zu werden. Selbst, wenn das Von-Außen-Auferlegen nicht mit Waffengewalt passiert, sondern durch politischen und wirtschaftlichen Druck, kann das von den Betroffenen vor Ort bereits als Entmündigung verstanden werden. Auch das sieht man in Europa: Die EU spielt zwar nicht Weltpolizei, wird aber in vielen osteuropäischen Ländern trotzdem oft als zu übergriffig angesehen - einfach dadurch, dass sie zentral aus Brüssel Vorgaben macht, an einem Ort weit entfernt von diesen osteuropäischen Ländern, die davon betroffen sind.

    Die kriegen allerdings auch noch gleichzeitig viel Geld aus Brüssel, sodass die EU wieder sagen kann "Wer die Musik bezahlt, bestimmt, was gespielt wird". Ohne diesen finanziellen Tropf ist man zwar freier in seinen Entscheidungen, aber eben auch auf sich allein gestellt. Die Entscheidung, irgendwo nicht einzugreifen, hat also (zumindest kurzfristig) auch etwas Sozialdarwinistisches - weil man weiß, man wird eine Zeit lang zusehen müssen, wie eine noch nicht näher bekannte Anzahl von Leuten über die Klinge springen muss, bis die fragliche Region aus eigener Kraft auf die nächste Stufe "aufsteigt". Diese Logik der "tough love" ist vor allem in konservativen Kreisen verbreitet, und wohl letztendlich auch das Prinzip, mit dem die Heiligsprecher des freien Marktes, der alles von selbst regeln soll, den Laissez-Faire-Kapitalismus rechtfertigen.

    Um absehen zu können, ob sich etwas "von selbst regelt" oder ob Eingreifen erforderlich ist, weil sich sonst nie etwas täte (anstatt bloß "nicht schnell genug für unseren Geschmack"), muss man abschätzen können, ob eine Region nicht auf die Beine kommt, weil sie a) bloß noch nicht laufen gelernt hat oder b) weil ihr aktiv die Beine gebrochen wurden. Very Happy


    Bei mir etwa geht der aktuelle Isolationismus der Elfen darauf zurück, dass sie früher einmal versucht haben, sich einzumischen und den anderen Völkern (Menschen, Zwergen, Orks etc.) ihren Fortschritt aufzudrängen, sie gewissermaßen zu ihrem Glück zu zwingen - damit aber natürlich auch die Kultur dieser Völker ein Stück weit zu überschreiben versucht haben, weil sich vieles nun plötzlich an elfischen Idealen messen musste. Die anderen Völker haben darauf nicht gerade freundlich reagiert und die Elfen bekämpft. Jetzt bleiben diese auf ihrer Insel und betrachten die anderen mit einer Mischung aus "Jeder ist eines eigenen Glückes Schmied (oder Henker)" und "Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun".

    Die liberale Studentenstadt wiederum ist verfolgt den umgekehrten Ansatz: Auch sie haben aus der Geschichte gelernt, dass Weltverbesserer spielen und anderen den eigenen Fortschritt aufzwingen nicht zu stabilen Verhältnissen führt. Aber sie wissen auch gleichzeitig, dass es sich in den meisten anderen Regionen der Welt nun einmal schlechter lebt als bei ihnen. Also wird die Stadt lange Zeit Zufluchtsort für Leute aus aller Welt... bis auch dieser Ansatz an seine Grenzen gerät, weil jede Arche halt irgendwann voll ist. Und statt einer übergreifenden Kultur, die alles in mehreren Ländern zu überschreiben versucht, hat man nun lauter interkulturelle Konflikte innerhalb desselben Landes.


    Crackle42 schrieb:Als Psychologe arbeite ich grundsätzlich gerne mit gut definierten und abgegrenzten Begriffen, was schon einmal das Hauptproblem am Term "Instinkt" ist. Das wird gerne als Blackbox verwendet und ein Sammelsurium verschiedener Dinge, die - womöglich - mit hineinspielen oder enthalten sind, ohne es genau erforscht zu haben. Aber gut.

    Ah, mir war bisher noch nicht klar, dass wir beide tatsächlich vom selben Fach sind. Wink

    Als Instinkt würde ich aus kognitiver Sicht zunächst einmal vieles betrachten, was automatisiert ist. Ein Stimulus-Response-Kompatibilitätseffekt zum Beispiel (auf einen linken Reiz auch links zu reagieren geht schneller als auf einen linken Reiz rechts zu reagieren und umgekehrt). Wenn der Säbelzahntiger nun einmal von links kommt, ist auch da eine Reaktion (und zwar eine schnelle) erfordert. So etwas ist also vermutlich angeboren, weil es sich herausgemendelt hat.

    Dem gegenüber stehen Handlungen, die zwar automatisiert sind, aber eindeutig erlernt - wie bspw. der Stroop-Effekt: Ein Wort, das eine Farbe beschreibt und auch in einer bestimmten Farbe geschrieben wird, wird automatisch gelesen, sodass die Schriftfarbe zu ignorierenl leichter ist als die Wortbedeutung zu ignorieren. Allerdings ist Lesefähigkeit ja nun einmal eindeutig nicht angeboren, sondern einfach nur sehr viel geübt. Gib mir eine Stroop-Aufgabe in einer mir unverständlichen Fremdsprache und wahrscheinlich wird es mir direkt deutlich leichter fallen, die Schriftfarbe zu benennen. Aber in meiner eigenen Sprache (und jeder anderen, in der ich ein gewisses Maß an Übung habe) wird das Lesen eben automatisiert sein.

    Auf hirnphysiologischer Ebene wäre hier also die Frage, inwiefern diese Dinge verschwimmen können. Also ob etwas, das man nur ausreichend geübt hat (wie Lesen), einem sprichwörtlich so "in Fleisch und Blut übergehen kann", dass es einem praktisch zum Instinkt geworden ist.


    Dann ist da jedoch noch die affektive, hormonell bedingte Ebene. Da kennen sich dann die Biologen und Mediziner besser aus. Aber für mich beschreibt das Wort Instinkt in diesem Kontext vor allem die Überlebensinstinkte der eigenen Gene. So formuliert fasst das direkt alle Selbsterhaltungstriebe und den Sexualtrieb zusammen. Diese Instinkte sind weitaus grundlegender für unser Überleben - und sie rational zu übersteuern sollte demnach deutlich schwieriger sein. Wink


    Crackle42 schrieb:Das zweite Problem, das ich mit dieser Aussage habe, ist das was du vorher selbst beschrieben hast. Die Regionen mit Magiern sind kenntnistechnisch um Jahrhunderte voraus, angeblich damit auch ihre Kultur, doch ihre Biologie hinkt noch hinten drein? Das macht mMn wenig Sinn. Wie im anderen Thread diskutiert, ist ja die Möglichkeit zur Verhinderung einer Schwangerschaft ein zentraler Aspekt, um eine kulturelle und damit auch sozial-gesellschaftliche Verschiebung anzustoßen.

    Ich verstehe nicht ganz, was du hier mit "ihre Biologie hinkt noch hinten drein" meinst. Wink Grundsätzlich würde ich sagen, unsere Biologie hinkt immer hinterher, weil unsere Instinkte sich eben über Zehntausende von Jahren entwickelt haben und immer noch dieselben sind wie in der Steinzeit.

    Nur die rationale Weltsicht, die wir uns zusammenbauen auf Basis dessen, was wir bewusst wahrnehmen, passt sich schnell an. Deswegen gelingt es dieser Ratio aber noch lange nicht, die primitive, instinktbasierte Biologie stets zu übersteuern. Und das nächste ist genau so ein Beispiel:

    Crackle42 schrieb:Bei uns hat das mit Einführung der Pille innerhalb weniger Jahrzehnte funktioniert, dass es zum Umdenken kommt. Entsprechend werden solche Argumente wie "Der männliche Partner muss mehr zu bieten haben" unwichtiger.

    Sagen wir mal: Es ist zu einem Umdenken gekommen - aber nicht zu einem Umfühlen. Wink

    Kein Mensch sucht sich aus, in wen er sich verliebt. Wenn Frauen nun einmal weiterhin vor allem Männer attraktiv finden, die größer, älter und wohlhabender sind als sie selbst, dann ändert die Pille das nicht mal eben.

    Wenn überhaupt, dann auf hormoneller Ebene. So ist etwa bekannt, dass, wenn man bei einem männlichen Gesicht nichts außer der Kinnbreite variiert, Frauen in der fruchtbaren Zeit ihres Zyklus den Mann mit dem breiteren Kinn attraktiv finden (=Anzeichen für höheren Testosteronspiegel), jene in den unfruchtbaren Zeiträumen hingegen den mit dem schmaleren Kinn (=weniger Testosteron). Damit mag zwar der "weniger männliche" Mann insgesamt bevorzugt werden, doch der Fortpflanzungsvorteil besteht für denjenigen, der in den wenigen Tagen attraktiver ist, auf die es ankommt. Das liefert eine biologische Basis für das Konzept "alpha fux, beta bux". Landläufig gerne ausgedrückt mit "Du brauchst einen Mann, der gut im Bett ist, und du brauchst einen Mann, der richtig fett Kohle verdient. Problem: Die zwei dürfen sich natürlich nie begegnen!" Abtreibung in Fantasy-Welten: Methoden, Moral, Alternativen, Entscheidungen 3402984712

    Ein anderes Beispiel:
    Die Ratio sagt: "Wir haben ja jetzt die Pille, also sollten Frauen genauso frei herumv*geln können wie Männer, ohne, dass es in den Augen der Gesellschaft eine Rolle spielt - denn es entstehen ja keine Kinder dabei."
    Die Instinkte sagen: "Die Oxytocin-Response nimmt bei Frauen mit steigender Anzahl der Partner ab, sodass die Fähigkeit, sich langfristig an einen einzelnen Partner zu binden (was üblicherweise spätestens dann gewünscht wird, sobald dann Kinder in Planung sind), abnimmt, je mehr Partner frau vorher gehabt hat."

    Bei Männern hingegen funktioniert die Paarbindung auch über Vasopressin: Sex mit verschiedenen Partnerinnen schwächt diese Response nicht unbedingt ab, sondern umgekehrt, mehrfacher Sex mit derselben Partnerin verstärkt die Bindung.

    Dieser Gedanke einer automatischen Oxytocin-Response bei Frauen - ähnlich wie Oxytocin ja auch bei der Geburt eine Rolle spielt zur Bindung an das Kind - ist ja sogar, so könnte man argumentieren, ein Stück weit im Fantasy verwurstet worden: Durch die Art, wie die Magie der Konfessorinnen bei Terry Goodkinds "Schwert der Wahrheit" funktioniert:

    Das Schwert der Wahrheit (Band I: Das Erste Gesetz der Magie):



    Crackle42 schrieb:Das Statement unterschreibe ich. Angeblich nehmen Männer sogar psychische Krankheiten bei Frauen in Kauf, wenn sie dafür hübsch genug sind. Habe die Studie aber nur gehört, nicht selbst gelesen

    Das wundert mich überhaupt nicht. Wink Und zwar nicht nur, weil das Aussehen als "Blankoscheck" agiert, für das Mann alles inkauf nähme. Vielmehr können die psychischen Probleme der Frau die Anziehung sogar verstärken, da der Mann sich dann gebraucht fühlt. Er kann hereingeritten kommen und den Retter in der Not spielen.

    Oder naja - er denkt zumindest, dass er das kann. Very Happy Manch einer überschätzt sich da vermutlich auch selbst, denn Testosteron erhöht bekanntlich die Risikobereitschaft. So landet dann manch einer, der es gut gemeint hat, bei einer Dame mit so ausgeprägten Borderline-Symptomen o.ä., dass sie ihn "mit in den Abgrund zieht". In der Man-o'-Sphere wird dieser Typ Mann daher gerne abschätzig als "Captain Save-A-Hoe" bezeichnet. Insbesondere dann, wenn die Situation so aussieht, als habe sich die Dame ihr eigenes Grab geschaufelt und erwarte nun, dass jemand anderes den Schaden beseitigt. (Captain Save-a-Hoe ist nicht zu verwechseln mit dem "White Knight", der ein E-Girl in einer Onlinediskussion gegen jegliche Kritik verteidigt und sich dafür im Gegenzug Aufmerksamkeit und andere Gefälligkeiten von ihr erhofft.)



    Crackle42 schrieb:Der Altersunterschied ist auch so ein Beispiel. Macron macht es vor und andere Studien zeigen ebenfalls andere Perspektiven (Glaubwürdigkeit sei offen aber zumindest ist es nicht mehr so wie man sich das ausmalt:
    Perfekter Partner für 45-Jährige ist 20 Jahre alt:

    Vorsicht - hier geht es ganz konkret um Frauen über 30. Wink Das ist genau die oben von mir beschriebene "ich habe meinen Spaß gehabt, jetzt bin ich bereit, mich niederzulassen und eine Familie zu gründen"-Phase. Also auch die, wo eine durch viele vorherige wechselnde Partner nachlassende Fähigkeit zur Paarbindung negativ zu Buche schlägt.

    In jungen Jahren (Schulzeit / frühe Zwanziger) bevorzugen die meisten Frauen einen Partner, der älter ist als sie. Das steht auch in dem von dir verlinkten Artikel: Nur 2.4% der 18- bis 30-jährigen Frauen würden einen jüngeren Partner bevorzugen. Bei den Männern hingegen startet es bereits bei einem Drittel, und ab 31 sagt konstant die Hälfte der Männer, ihre Partnerin sollte jünger sein als sie.

    Das kann man drehen und wenden, wie man will - je nachdem, wie man es framen und wem man "die Schuld geben" möchte. Oft heißt es, gleichaltrige Jungen in der Schulzeit seien zu unreif. Möglich, schließlich kommen sie im Schnitt etwas später in die Pubertät als die Mädchen (womit auch da die Bevorzugung für etwas ältere Männer schon angelegt wäre). Vor allem aber haben Schuljungen natürlich noch kein eigenes Einkommen (von Nachhilfe, Zeitungsaustagen und ggf. Kellnern mal abgesehen).

    Eine Frau hat ab der Pubertät genau das, was die Gesellschaft von ihr will, nämlich ihre Jugend und ihre Fruchtbarkeit.
    Ein junger Mann hat (noch) nichts, was die Gesellschaft von ihm will, aber er kann ab da anfangen, es sich zu erarbeiten.


    Die Jungs in der Schule werden also die gleichaltrigen Mädchen bereits attraktiv finden, doch die werden sich ihre Partner eher aus höheren Jahrgängen suchen.

    Im Alter von 30 hingegen kippt das Ganze langsam: Jetzt haben die meisten Männer ihre Ausbildung / ihr Studium abgeschlossen und schon einige Berufserfahrung gesammelt.

    30-jährige Frauen (und ältere) werden gleichaltrige Männer also jetzt durchaus attraktiv finden.

    Das Problem für sie ist: Die 18- bis 29-jährigen Frauen tun das auch.
    Und wenn in der Schulzeit und im Studium die meisten Mädels schon ältere Partner hatten - irgendwoher müssen die ja kommen, ne? Wink

    Wenn ein 30-jähriger Mann also beruflich im Sattel sitzt - und sein Aussehen nimmt ja in den folgenden Jahrzehnten eher "schrittweise" ab, da er eben keine Menopause durchlebt - dann hat er die Wahl zwischen gleichaltrigen und deutlich jüngeren Partnerinnen. Dreimal darfst du raten, wofür der sich jetzt entscheidet? Wink

    Dass 30- bis 45-jährige Frauen diese "Prime-Time"-Männer attraktiver finden, ist klar - das heißt jedoch nicht, dass sie auch mit ihnen zusammenkommen. Ab einer gewissen Altersstufe (ich meine, über 40) kommen mWn 3-4 Single-Frauen auf jeden Single-Mann in derselben Altersklasse - weil er sich eben eine jüngere Partnerin suchen kann, sie aber keinen jüngeren Partner. Höchstens einen vorübergehenden Toyboy, der an die Beziehung herangeht nach dem Motto "auf alten Pferden lernt man reiten". Abtreibung in Fantasy-Welten: Methoden, Moral, Alternativen, Entscheidungen 3434132744 Der wird aber statistisch gesehen nicht langfristig bei ihr bleiben.


    Individuelle Ausnahmen widerlegen bekanntlich auch keine Statistik. Dass Macron für seine Frau attraktiv ist, ist mit obiger Dynamik in Bezug auf Männer in ihren 30ern leicht zu erklären. (Er ist jetzt 42, verheiratet seit 2007, d.h. da war er 29). Macrons Eltern sind beide Ärzte, mit 31 war er selbst Investmentbanker, also eindeutig schon im Status über ihr als Lehrerin, auch, wenn er 25 Jahre jünger ist als sie. Und als französischer Präsident ist er sowieso einer der mächtigsten Männer im Land. Der Status selbst ist für die Hypergamie entscheidend.

    Das Alter ist bloß oft eine Begleiterscheinung des Status, also etwas, dass frau inkauf nimmt - du wirst nur wenige junge Männer finden, die diesen Status haben. Aber die gibt es natürlich auch, das sind dann die Teenie-Stars wie Justin Bieber. Bei denen ist die Frage, wie gut sie mit diesem frühen Ruhm umgehen können - denn davon hängt ab, ob sie als langfristig stabile Partner sind und ob sie diesen Status auch in 10-15 Jahren noch haben werden. Jordan Peterson etwa hat nämlich auch eine Studie zitiert, wo Frauen wählen sollten zwischen Kandidaten, die bereits reich waren, und solchen, die es nicht waren, aber klare Fähigkeiten zeigten, in Zukunft reich zu werden - und die Probandinnen haben sich mit deutlicher Mehrheit für letztere entschieden.

    Wo wir gerade von Teenie-Mädchenschwärmen reden: Ich finde es da deutlich schwieriger, zu erklären, was Heidi Klum an Tom Kaulitz findet. Abtreibung in Fantasy-Welten: Methoden, Moral, Alternativen, Entscheidungen 3402984712 Klar, Tokio Hotel waren mal der letzte Schrei, aber das ist ja nun schon eine Weile her... Doch warten wir mal ab, die Ehe ist ja erst ein Jahr alt. Im Zweifel entpuppt sich das nachher als genau so ein "Stiffler's Mum"-Szenario wie oben beschrieben, wo er irgendwann weitergeht zur nächsten und sie sitzt dann alleine da.

    Und was die beiden Männer jeweils an ihren älteren Partnerinnen finden?
    Heidi Klum war wahrscheinlich einfach Tom Kaulitzs eigener Jugendschwarm, wie für vermutlich viele andere auch. Er musste sich zwar hinter Seal, Vito Schnabel & Co. anstellen, aber jetzt ist er halt mal "am Zug".
    Und Macron hat sich laut Wikipedia bereits mit 17 in seine Lehrerin verliebt. Also, ich bin ja kein großer Freund von Freud, aber, mmh... Ödipuskomplex? Abtreibung in Fantasy-Welten: Methoden, Moral, Alternativen, Entscheidungen 3434132744


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    Abtreibung in Fantasy-Welten: Methoden, Moral, Alternativen, Entscheidungen Empty Re: Abtreibung in Fantasy-Welten: Methoden, Moral, Alternativen, Entscheidungen

    Beitrag von Necroghoul7 Do Jul 30, 2020 11:03 pm

    Kleine Anmerkung: Mir ist aufgefallen, dass du Nekromantie automatisch mit Schadenszauber (in dem Fall Tötung des Ungeborenen im Mutterleib) gleichsetzt, nur weil sie sich mit dem Tod beschäftigt bzw. Tote oder Todesenergien nutzt oder damit kommuniziert, diese manipuliert o.ä.
    Ich wollte dich nur darauf hinweisen, dass ein Verbot der Nekromantie nicht automatisch das Verbot von Schadenszaubern, Todesflüchen usw. beinhaltet und umgekehrt das Verbot von schädlichen Zaubern nicht automatisch ein Verbot aller Nekromantie bedeuten würde. Es sei denn natürlich, du willst in deiner Welt die Begriffe neu definieren.

    Die Idee der Telekinese finde ich übrigens sehr originell, habe ich so noch nie gehört oder gelesen. Ansonsten, welche Art der Rückmeldung zu deiner - für mich sehr interessanten - Ausführung erwartest du eigentlich? Würde schon darauf antworten, bin aber unsicher, was gefragt ist. Nur so viel, dass im realen Leben Abtreibung oft durch Gesellschaftsdruck und/oder aufgrund ungünstiger Umstände (wirtschaftlich, sozial, familiär, politisch, gesundheitlich usw.) stattfindet, womit der "Wunsch der Mutter" schon stark relativiert ist.
    Teilweise hinkt nicht unsere Biologie hinterher, sondern die meisten Gesellschaften, Ideologien usw. bedenken/berücksichtigen sie zu wenig, und dann "rächt" sie sich.
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    Abtreibung in Fantasy-Welten: Methoden, Moral, Alternativen, Entscheidungen Empty Re: Abtreibung in Fantasy-Welten: Methoden, Moral, Alternativen, Entscheidungen

    Beitrag von Strato Incendus Mi Aug 19, 2020 3:03 pm

    Vielen Dank für deine Überlegungen, @Necroghoul7! Wink Sorry dass ich so lange gewartet habe mit meiner Antwort; habe mich während meines Urlaubs stattdessen auf ein anderes kreatives Hobby (Musik) konzentriert und mir zur Steigerung der Produktivität beim Komponieren und Aufnehmen auch sogar ein Stück weit verboten, mich mit meiner Geschichtenschreiberei zu beschäftigen, damit mich meine Fantasywelt nicht wieder ab einem gewissen Punkt eigenmächtig "hineinzieht" Very Happy .

    Dafür gibt es jetzt aber auch eine mehr als ausführliche Antwort, die ich zur hoffentlichen Verdaulichkeit mit vielen Spoiler-Sektionen in kleinere "Häppchen" unterteile. Wink

    Necroghoul7 schrieb:Kleine Anmerkung: Mir ist aufgefallen, dass du Nekromantie automatisch mit Schadenszauber (in dem Fall Tötung des Ungeborenen im Mutterleib) gleichsetzt, nur weil sie sich mit dem Tod beschäftigt bzw. Tote oder Todesenergien nutzt oder damit kommuniziert, diese manipuliert o.ä.
    Ich wollte dich nur darauf hinweisen, dass ein Verbot der Nekromantie nicht automatisch das Verbot von Schadenszaubern, Todesflüchen usw. beinhaltet und umgekehrt das Verbot von schädlichen Zaubern nicht automatisch ein Verbot aller Nekromantie bedeuten würde. Es sei denn natürlich, du willst in deiner Welt die Begriffe neu definieren.

    Danke für die Nachfrage, hier besteht in der Tat Erklärungsbedarf:

    Nekromantie ist bei mir nicht auf tödliche Magie beschränkt (beinhaltet auch Furcht, Erkrankungen auslösen, Untote erschaffen etc.), und umgekehrt sind nekromantische Zauber auch nicht die einzige Möglichkeit, jemanden mit Magie zu töten. Wink

    Kurze Erklärung zu D&D-Zauberdisziplinen:

    Die Idee der Telekinese finde ich übrigens sehr originell, habe ich so noch nie gehört oder gelesen.

    Vielen Dank! Dann bleibe ich da mal dran! Smile

    Ansonsten, welche Art der Rückmeldung zu deiner - für mich sehr interessanten - Ausführung erwartest du eigentlich? Würde schon darauf antworten, bin aber unsicher, was gefragt ist.

    Was auch immer euch dazu einfällt! Smile Würde ich eine bestimmte Rückmeldung erwarten, wäre ich ja nur auf der Suche nach Claqueuren... aber wenn man seine Ideen einfach mal kundtut, ohne zu wissen, wie das Echo aussieht, kann man sie herausfordern lassen. Nur dadurch werden sie besser.

    Nur so viel, dass im realen Leben Abtreibung oft durch Gesellschaftsdruck und/oder aufgrund ungünstiger Umstände (wirtschaftlich, sozial, familiär, politisch, gesundheitlich usw.) stattfindet, womit der "Wunsch der Mutter" schon stark relativiert ist.

    Das stimmt natürlich, weswegen ich hier wieder einmal die Weisheit des Onkel Ben / den Grundsatz von Spider-Man anlege: "Aus großer Macht folgt große Verantwortung."

    Die Entwicklung moderner Verhütungs- und Abtreibungsmittel sehe ich ein wenig wie eine ruckartige Entwicklung des freien Willens: In biblischer Bildsprache kann der Mensch erst dann "Böses" tun, sobald er den Apfel vom Baum der Erkenntnis gegessen hat und überhaupt eigenständig unterscheiden kann, was Gut und Böse eigentlich sind.

    Einem Tier mache ich prinzipiell weniger einen Vorwurf, wenn es z.B. ein anderes Lebewesen tötet als einem Menschen. Allerdings einem intelligenten Tier wie einem Wal oder Primaten mehr als einem weniger intelligenten. (Es gibt z.B. einen dokumentierten Fall aus den 70ern, wo ein Orang-Utan eine Köchin in einem Forschungscamp vergewaltigt hat.) Einen Neanderthaler würde ich mehr zu Verantwortung ziehen als ein Tier, aber nicht so viel wie einen Homo sapiens. Und einem Kind sieht man eher nach, dass es instinktbasiert und egozentrisch handelt als einem Erwachsenen.

    Auf die Fortpflanzung bezogen...:

    Jetzt jedoch haben wir mehr Kontrolle über unsere Reproduktion als je zuvor. Die Pille war gewissermaßen ein weiterer Apfel, diesmal vom "Baum der Empfängnis" Abtreibung in Fantasy-Welten: Methoden, Moral, Alternativen, Entscheidungen 3402984712 .

    Spoiler:


    TL;DR: Der Wunsch der Mutter (und zwar explizit der Mutter, der Vater ist mit im Boot, egal, welche Entscheidung sie trifft) ist heute mehr denn je der Grund, warum Kinder in die Welt gesetzt werden. Oder eben auch, warum sie nicht in die Welt gesetzt werden. Wink

    Das ist aus historischer Sicht ein absolutes Novum. Der kanadische Psychologe Jordan Peterson etwa behauptet sogar, Frauen wären seit Einführung der Pille gewissermaßen eine neue biologische Spezies - weil wir eben kollektiv in einen fundamentalen Aspekt der Biologie eingegriffen haben (die Unvermeidbarkeit der Zeugung durch verdeckte Ovulation), die hunderttausend Jahre lang unsere Kulturen geprägt hat. Und dass wir als Gesellschaft noch nicht wirklich wissen, wie wir damit umgehen sollen.

    Deshalb finde ich dieses Bild der "Herrin von Leben und Tod" so interessant. Alte Mythen und Sagengeschichten können das kaum abbilden, weil es einfach historisch und biologisch gesehen damals keine Vorlage für so etwas gab. In ein rein mittelalterliches Setting würde das dementsprechend natürlich auch gar nicht hineinpassen - in ein Fantasy-Setting mit weit verbreiteten, simpel anzuwendenden magischen Verhütungsmitteln hingegen schon.

    Jetzt also kann sich eine solche freiwillige Mutter mit lauter Fragen konfrontiert sehen, über die sich Frauen vergangener Generationen nie Gedanken machen mussten.

    Fragen wie:



    Teilweise hinkt nicht unsere Biologie hinterher, sondern die meisten Gesellschaften, Ideologien usw. bedenken/berücksichtigen sie zu wenig, und dann "rächt" sie sich.

    Gut beobachtet und treffend beschrieben! Abtreibung in Fantasy-Welten: Methoden, Moral, Alternativen, Entscheidungen 3402984712 Ich denke, es passiert beides:

    Teilweise bestimmt die Biologie die Grundlage für unsere Kultur. Man sagt dann auch "Die Kultur ist eine Funktion der Biologie". Ich denke, für viele essenzielle Dinge, die sich kulturell etabliert haben, gab es irgendwann einmal eine biologische Grundlage (z.B. für Monogamie und damit verbunden Dinge wie "slut shaming").

    Teilweise entstehen auch neue Ideologien, die entgegen der Biologie laufen. Damit ist meistens gemeint, dass sie irgendeinen Instinkt zu unterdrücken versuchen. Sei das der Sexualtrieb (jede monotheistische Religion), der Alkoholkonsum (Islam, Prohibition) oder der Konsum anderer "Genussgüter" (möchte man Fleisch dazuzählen, wäre Veganismus ein Beispiel).

    Letztendlich scheinen mir jedoch alle Ideologien, die zu hart gegen einen menschlichen Instinkt verstoßen, langfristig zum Scheitern verurteilt.
    Während die Ideologien, die mit der Biologie weitestgehend im Einklang sind, bestehen bleiben.

    Spoiler:

    Also ist natürlich auch eine Ideologie wie der Antinatalismus aus evolutionärer Sicht zum Scheitern verurteilt. Wink Weil sie eben buchstäblich nicht überlebt: Unser Instinkt sagt "gehet hin und vermehrtet euch" (bzw. "Ich bin ein Gen, gehe hin und vermehre mich), also werden wir das im Großen und Ganzen immer weiter tun. Und die, die es nicht tun, ziehen sich selbst aus dem Genpool und aus dem Verlauf der Geschichte, denn die wird bekanntlich "von den Siegern geschrieben".

    Aber genau das ist ja die Aussage meiner Geschichte: Der untote Bösewicht will das irdische Leid beenden, indem er alles Leben auslöscht (Efilismus, von "Life" rückwärts), scheitert aber letztendlich, weil sich natürlich alle Lebewesen gegen ihn stellen und er einfach nicht gegen die Übermacht ankommt.

    Vielleicht hatte er ja die richtige Idee und hat bloß zu den falschen Methoden gegriffen (andere Lebewesen sehen es nicht so gern, wenn man ihnen gewaltsam dieses Leben wegzunehmen versucht).
    Vielleicht ist der "positive" Ausgang, dass die zwei Hauptcharaktere überleben, ja aus dieser Sicht am Ende eigentlich eine Tragödie.

    "Gewinnen" tut diese Ideologie zwar irgendwann unweigerlich, nämlich wenn irgendein kosmisches Ereignis das Fortbestehen des Lebens auf einer gegebenen Welt unmöglich macht (Meteoriteneinschlag, Gammablitz, wenn nichts anderes passiert die Sonne, die zum roten Riesen wird). Aber das ist ja die ultimative Apokalypse, die jedem dann noch lebenden Wesen mehr Leid zufügen wird als alles davor, und welcher der untote Antagonist deshalb eigentlich zuvorzukommen versucht. Das wäre damit also kein "Erfolg", den er für seine Weltsicht verbuchen könnte (nicht, dass er zu dem Zeitpunkt noch existieren würde, sodass das eine Rolle spielen würde Very Happy ).


    TL;DR 2: Die für den "gesunden Menschenverstand" paradoxe Entscheidung meiner Protagonistin, das Kind zu seinem eigenen Wohl abzutreiben, ist nichts weiter als ein temporäres Aufbegehren der Ratio* gegen den Instinkt. Der Ratio in ihrer ultimativen Reinform (dem untoten Bösewicht) ist davor bereits Einhalt geboten worden, denn sie ist grausam.

    (Letzteres ist eine Idee, die auch in der Fernsehserie zu Terry Goodkinds Schwert der Wahrheit vorkommt, wo Kahlan in eine emotionale und eine rationale Hälfte gespalten wird und die rationale Hälfte eine Tyrannin wird. Kinder wollen beide Hälften haben, aber die eine aus reinem Mutterinstinkt, die andere aus reinem politischen Kalkül.)

    Um bei Goodkind zu bleiben: Eines der Gesetze der Magie bei ihm ist "Passion rules reason - for better of for worse." Das trifft wohl auch hier zu.

    Auch, wenn Goodkind der philosophischen Aussage meiner Geschichte wohl kaum zustimmen würde... Abtreibung in Fantasy-Welten: Methoden, Moral, Alternativen, Entscheidungen 3402984712
    Schwert der Wahrheit, Band 5:

    *Ja, durch diese Implikation wird ganz am Ende, nach einer Reise durch viele aufeinanderprallende und widersprüchliche Weltanschauungen, die antinatalistische Weltsicht mit der "ultimativ-rationalen" gleichgesetzt. Dies ist zweifellos der kontroverseste Aspekt meiner Geschichte.

    Ich lege mich nicht fest und behaupte, dass es niemals eine bessere geben wird; ähnlich wie bei Demokratie und sozialer Marktwirtschaft im Kapitalismus habe ich bloß bislang keine bessere gefunden bei meiner Suche nach der "ultimativ-rationalen Weltsicht". Und keine Sorge, ich weiß, was Confirmation Bias ist. Wink

    Ich hoffe, die Reise zu diesem Schluss wird am Ende nachvollziehbar sein. Ich habe eben nicht einen Protagonisten erschaffen, der diese Überzeugung von Anfang an hat, und lasse ihn dann wie in einem billigen Propagandastück alle Herausforderungen überwinden (dann hätte ich ja am ehesten aus der Sicht des Bösewichts schreiben müssen Twisted Evil ). Stattdessen lasse ich Charaktere an verschiedenen anderen Punkten starten und führe sie dann durch ihre eigenen schmerzhaften Erfahrungen am Ende zur "Erkenntnis". Denn genau das war es auch für mich: Eine Reise, die irgendwann zu einer Erkenntnis führt. Nicht eine vorher bereits vorhandene Überzeugung, die man einfach stur verteidigt.

    Sogesehen passt es, dass der erste Teil maßgeblich in der D&D-gemäß matriarchalischen Dunkelelfen-Gesellschaft von Myth Drannor spielt: Abtreibung in Fantasy-Welten: Methoden, Moral, Alternativen, Entscheidungen 3402984712 Es fängt alles damit an, dass man auf YouTube über verrückte Feministinnen lacht. Und dann gerät man in einen Sog von wissenschaftlichen Erkenntnissen über Evolution, Psychologie, die Natur des Menschen und die Natur des Kosmos an sich.

    Für viele endet dieses "Red Pill Rabbit Hole" (in Anspielung auf "Matrix") leider auch bei diversen rechtsextremen YouTube-Kanälen. Da bin ich doch eher froh, dass ich bei Schopenhauer und Benatar rausgekommen bin. Very Happy Denn wen könnten Leute, die vom Erhalt der eigenen "Rasse" besessen sind, mehr hassen als uns, die wir sagen "Hast du schon mal darüber nachgedacht, ob geboren zu werden überhaupt so toll ist?" Abtreibung in Fantasy-Welten: Methoden, Moral, Alternativen, Entscheidungen 3402984712


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    Abtreibung in Fantasy-Welten: Methoden, Moral, Alternativen, Entscheidungen Empty Re: Abtreibung in Fantasy-Welten: Methoden, Moral, Alternativen, Entscheidungen

    Beitrag von Katharina So Mai 01, 2022 4:29 pm

    Hallo! Bei diesem Thema erinnere ich mich vage an eine TV Serie wo ein junger Mann an einen Baum gepinkelt hat Dieser Baum gehörte eine Dryade. Die Dryade erklärte dem jungen Herren das in ihrem Volk die Herren die Babys zur Welt bringen und das dies erst geschieht wenn der Dryadenmann gegen den Baum einer Dryade pinkelt Und das dies auch bei Menschen passiert. Eine interessante Idee nicht?
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    Beitrag von Strato Incendus Mo Mai 09, 2022 9:20 pm

    Ich glaube, das passt konkret besser in unseren Thread über zu selten verwendete Spezies Wink . Da habe ich Dryaden direkt im Startpost erwähnt. Und wir haben allerhand solche Überlegungen angestellt (unter anderem dazu, wie sich Zentauren eigentlich fortpflanzen würden Abtreibung in Fantasy-Welten: Methoden, Moral, Alternativen, Entscheidungen 3402984712 ).


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