von Ryuzora Do März 27, 2014 8:02 am
Er hörte die Worte sehr wohl und vielleicht war es tatsächlich dumm, zu versuchen, sie zu verstehen, aber es war ein Drang seinerseits: Er wollte sie verstehen. Er wollte verstehen, warum die Leute taten, was sie taten, weil es das war, was ihn davon abhielt, die Menschen, die seine Eltern ermordet hatten, auf kaum weniger grausame Weise zu töten. Weil es den Zorn in ihm in Schach hielt. Wenn man verstand, warum jemand tat, was er tat, wenn es Sinn ergab, wenn der Grund vielleicht auch nur der Schutz der Eigenen war oder man schlicht keine Wahl gehabt hatte... konnte er nicht hassen. Und ein Teil von ihm sträubte sich auch jetzt noch dagegen, sie zu töten, egal wie weit er schon gegangen war, egal was sie getan hatten.
"Vielleicht bin ich das..." Seine Worte klangen sehr, sehr leise und wahrscheinlich verwehte der laue Wind des Sommertages sie, noch ehe sie die feinen Ohren der Elfe erreichen konnten. Sie hatte einen Angriff vollführt, den sie unmöglich noch hatte abwenden können - einen absolut und vollkommen tödlichen angriff. Und ja, es machte ihn zornig, aber es änderte nichts an einer Frage, der Frage, die seit Jahren in seinem Kopf existierte, wenn auch nicht auf sie bezogen: Der Frage nach dem Warum.
Aber dieser Frage konnte und wollte er sich nicht jetzt stellen. Aus irgendeinem Grund wollte er sich nicht mit ihr streiten. Ob sie ihn tatsächlich hasste, allein des Blutes wegen, das durch seine Adern floss, allein der Magie wegen, die er zu schmieden im Stande war? Er wollte ihr nichts tun, aber wahrscheinlich rechnete sie noch mehr als er damit, immer und überall angegriffen zu werden. Es war der Grund, warum er keine engeren Bindungen einging, egal, wie sehr er sich danach sehnte. Er wollte niemanden in Gefahr bringen... niemand sollte so enden, wie seine Eltern und Blake war sich nicht sicher, was sie mit den Freunden, der Familie eines Eismagiers tun würden... Er war sich nicht sicher, ob er es überhaupt wissen wollte.
Er hob den Kopf und sah in den Himmel. Es war nicht gut. Er sollte sie auf Abstand halten, er wusste, dass es besser so war - für sie und für ihn. Warum nur wollte er sie kennen lernen? Es ergab überhaupt keinen Sinn! Er musste wirklich verdammt verzweifelt und einsam sein.
//Was würdest du tun, Vater...?//
Für einen Moment wurde der Wunsch fast übermächtig, wenigstens ein einziges Mal noch mit ihm sprechen zu können, dann schüttelte er hart den Kopf und richtete sich auf. Er musste wirklich aufhören in diesen melancholischen Gedanken zu versinken! Immerhin hatte er noch Aufgaben zu erledigen. Diese Mission und - vor allen Dingen - sein Bruder. Er war der letzte Verwandte, den Cyan hatte. Wer, wenn nicht er, sollte ihn suchen und aus den Händen der Dreckskerle befreien, die ihre Eltern ermordet hatten? Er konnte sich Ablenkung nicht leisten und letzten Endes - selbst wenn ein Teil von ihm das nicht einsehen wollte - war die kleine Blutelfe nichts als eine interessante Ablenkung, die ihn von seiner eigentlichen Aufgabe weg lotste.
Er richtete sich auf, während er zielstrebig in Richtung des Gasthofs lief, das Korbin ihm für das Mittagessen genannt hatte. Er musste dem Älteren schließlich noch sagen, dass sie flogen. Und außerdem hatte er Hunger - das Knurren seines Magens bestätigte ihm das überdeutlich. Er würde sie fliegen, wenn sie wollte, aber dann musste er Abstand zu ihr nehmen. Er würde es tun. Blake stieß die Tür der Schenke auf und trat nach innen, wobei ihn die lautlose Ruhe wie ein Mantel umhüllte. Es war kein Mantel, den er selten trug. Blake ließ seinen Blick über die Tische gleiten, konnte sie aber nirgends entdecken. Kurz entschlossen ging er an den Thresen und erkundigte sich nach der Gruppe Magier, die - wie er gleich darauf heraus fand - draußen an einem Biertisch gedrängt saßen. Eine Linde - ziemlich alt, schätzte er - spendete ihnen Schatten. Blake trat an den Tisch und schwang seine Beine über die Bank, sodass er nun direkt gegenüber von Korbin saß.
"Tut mir Leid für die Verspätung. Ich war... trainieren." Jedenfalls zunächst. "Ich werde fliegen. Und wahrscheinlich kommt die kleine Elfe mit mir - vorrausgesetzt, sie hat es sich mittlerweile nicht anders überlegt." Vielleicht war das besser. Ihre letzte Aktion hatte ihn nur überdeutlich darauf hingewiesen, wie gefährlich es war, auch nur für einen Moment die Schutzschilder fallen zu lassen... Sein Vater hatte vertraut... und dafür mit dem Leben bezahlt. Er und seine Mutter.