elTrixi schrieb:Szenisch sehr eindrucksvoll komponiert und mit bildgewaltigen Animationen geschmückt, überzeugt mich der Film weder inhaltlich noch handwerklich. Geistlose Dialoge, an den Haaren herbeigezogene Wendungen und stupide "Witze" machten mich zwischenzeitlich echt sauer, dass Kinos so einen Schund überhaupt spielen dürfen. Warum gibt es da nicht auch ein TÜV Siegel?
Ohne Aquaman im speziellen gesehen zu haben, möchte ich hier gerne einspringen, denn das beschreibt so ziemlich 95% der Superhelden-Filme (sowohl von Marvel als auch von DC), die mir in den letzten Jahren untergekommen sind. Also verzeiht mir, dass ich hier ein wenig vom konkreten Threadthema abstrahiere und auf das generelle Thema "häufige Probleme im Superhelden-Genre" umschwenke.
Früher, als es weniger Superhelden-Filme gab - im Prinzip nur Spider-Man und X-Men - war das ja noch nicht mal ein eigenes Genre; da wusste ich gar nicht genau, wozu ich das dazuzählen sollte. Science Fiction? Fantasy? Viele Comic-Universen sind sehr technisiert, aber spätestens Charaktere wie Dr. Strange oder Thor verwischen die Grenzen zwischen Fantasy und Science-Fiction dann doch sehr stark. Auf DC-Seiten wären das eben die mythologischen Pendants Aquaman und Wonder Woman.
Vielleicht bin ich vorbehaftet, weil ich Spider-Man und X-Men als Kind gesehen habe und diese Filme deutlich besser fand als den durchschnittlichen Superhelden-Film von heute. Allerdings erinnere ich mich an genug Szenen von damals, um mit meinem heutigen Wissen zu beurteilen, dass diese Filme mehr wie Dramen aufgebaut waren. Der vor kurzem verstorbene Stan Lee hatte das noch extra herausgestellt: Früher habe man nur Comic-Autoren gehabt, auf entsprechendem Niveau seien die Geschichten gewesen. Jetzt habe man Hollywood-Autoren, die sich dieser Stories annehmen. Da verzichtet man dann zwar vielleicht mal bei einem Wolverine auf sein "gelbes Latex" (immerhin kam ja noch eine Anspielung darauf im Film vor ;D ), oder beim Grünen Kobold auf die lila Zipfelmütze und bei Doctor Octopus auf das gelb-grüne Kostüm, aber dafür kann man die gesamte Geschichte, allen voran die Charaktere selbst, ernster nehmen.
Die neuen Superhelden-Filme sind dagegen klar auf Masse gemacht, und folglich geht es vom Niveau zu Comic-Stories zurück: Ein Film soll im Prinzip nur dazu dienen, einen für den nächsten anzufixen. Alle laufen natürlich in ihren schrillen, bunten Kostümen herum, und es werden so viele Charaktere wie möglich in einen Film gepfercht, um den ultimativen Nerdgasm zu erzeugen: Der Comic-Leser soll vor dem Bildschirm sitzen und sich freuen, "Ah, guck mal, den kenne ich, den kenne ich, den kenne ich..." So lief es bei X-Men: Rise of Apocalypse, bei Justice League, bei Avengers: Infinity War... Viel Zeit, die einzelnen Charaktere mit Persönlichkeit und Entwicklung auszustatten, bleibt da natürlich nicht.
Stattdessen wird diese Inhaltsleere übertüncht mit - das war exakt meine Beobachtung, wie elTrixi sie auf den Punkt gebracht hat - einem ständigen Wechsel aus aufwändigen CGI-Effekten und forcierten, semi-lustigen Sprüchen. Also im Prinzip pausenlose Zuschauer-Stimulanz über abwechselnd schöne bunte Farben und Humor. Und dann komme ich mir auch noch jedes Mal wie der arrogante Möchtegern-Autor vor, nur, weil ich dieses Problem vor anderen Mit-Zuschauern (z.B. in meiner Familie) anspreche, die sich von diesem oberflächlichen Bombardement auch noch unterhalten fühlen. Dabei sage ich das eigentlich als enttäuschter Zuschauer, nicht als Autor-in-spe, der behauptet, er könnte es besser (wenngleich ich von mir behaupten würde, dass ich stets
versuche, es besser zu machen, anstatt zu glauben, ich käme mit so etwas schon durch - aber dafür habe ich ja im Gegensatz zu den Drehbuchschreibern auch noch nicht abgeliefert).
Klar,
unterhalten tun einen diese Filme in dem Moment, in dem man sie guckt - lange im Gedächtnis bleiben sie einem danach aber nicht mehr. Ist ja schließlich kaum emotionales Investment dabei. Und das würde ja auch nur stören - es soll ja direkt Platz im Kopf sein für die nächste Fortsetzung.
Mit anderen Worten: Hier rein, da raus. Filmischer Fastfood, der durch "professionelle Produktion" über Seelenlosigkeit hinwegzutäuschen versucht - das visuelle Pendant zum Autotune in der Musikindustrie.
Ich schätze, dieses Vollpacken der Filme mit zu vielen Charakteren hat damit zu tun, dass Comics, genau wie Computerspiele, heutzutage viel stärker im Mainstream angekommen sind. Früher hätte so eine lange Charakterliste kaum jemandem etwas genützt, weil es nur wenige Die-Hard-Fans gab, die die Comic-Vorlage so in und auswendig kannten, dass sie all diese Anspielungen verstanden hätten. Heute dagegen ist diese Zielgruppe deutlich größer.
Dennoch: Ich erinnere mich, wie ich meinem Vater als 12jähriger meine ersten Schreibversuche vorgelegt habe. Und seine Haupttipps waren - völlig berechtigt:
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nicht zu viele verschiedene (Fantasy-)Monster einführen, das überfordert / verwirrt den Leser, wenn man die nicht auseinanderhalten kann und sie nicht genug aufgebaut werden
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nicht ständig von einer Actionszene in die nächste stolpern, es braucht Ruhepausen dazwischen
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Charaktere nicht "schnoddrig" reden lassen, wenn es nicht zu ihnen passt (also z.B. nicht gerade die elfische Love Interest

)
Und jetzt sehe ich, wie die großen Comic-Studios alle drei Sachen machen - viele Charaktere, Action auf Action, und jeder Charakter darf die flapsigen Sprüche klopfen, das ist nicht etwa "Trademark" eines bestimmten Charakters wie Iron Man, zu dem es vielleicht noch passen würde.
Provokant gesagt: Die machen das, was ich als 12jähriger gemacht habe und wofür ich damals zurecht kritisiert wurde. Nur verdienen die damit Millionen!

Was nicht heißt, dass ich mir für mich selbst meinen alten Schreibstil zurückwünsche, ich finde das heute grauenhaft, was ich damals geschrieben habe. Deshalb gefallen mir ja auch die modernen Superhelden-Filme nicht mehr, die meiner Ansicht nach in die gleichen Fallen tappen.
Allerdings scheint es zumindest immer noch genug Leute zu geben, die sich mit diesem Niveau zufrieden geben - zumindest solange "Marvel" oder "DC" draufsteht.
Wobei da netterweise Disney mit Star Wars gezeigt hat, dass letztendlich kein noch so großer Markenname gegen Kritik immun macht

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