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    Prophezeiungen, Vorhersagen und andere Formen von Determinismus

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    Prophezeiungen, Vorhersagen und andere Formen von Determinismus Empty Prophezeiungen, Vorhersagen und andere Formen von Determinismus

    Beitrag von Strato Incendus So Jan 14, 2018 5:12 pm

    Ich versuche gerade, das Schwert der Wahrheit zu Ende zu lesen und kann langsam das Wort "Prophetie" nicht mehr hören. Das ist aber nicht nur Terry Goodkinds Schuld allein; Prophezeiungen sind ja generell in letzter Zeit ziemlich in. Nicht einmal die Big Player Game of Thrones und Harry Potter kamen ohne welche aus. Deshalb war ich etwas überrascht, dass es noch gar keinen Thread zu diesem Thema allgemein zu geben scheint Very Happy .

    Manchmal werden Sachen ja einfach nur schlecht, weil man sie zu oft gehört hat, und wenn dann eine Zeit lang genug Autoren die Finger von ihr lassen, kann man sie später wieder aus dem Schrank holen. Mit der ganzen Vorherbestimmung habe ich aber noch ein anderes, generelles Problem: Die Art und Weise, auf die das zu 90% der Zeit gemacht wird, lässt die Entscheidungen der betroffenen Charaktere plötzlich nichtig wirken. Es fällt schlagartig deutlich schwieriger, mitzufiebern, wenn einem Orakel XY gesagt hat, dass ja sowieso alles vorherbestimmt ist oder maximal auf zwei mögliche Ausgänge reduziert wird (der "Auserwählte" wählt dann entweder das Licht oder die Dunkelheit usw.).

    Eine andere Form der Vorherbestimmung hat mit dem System der Erbmonarchie zu tun, die für die meisten Leser standardmäßig mit Fantasy verknüpft zu sein scheint, weil sie eben im Mittelalter gängige Praxis war. Wenn man also will, dass der eigene Held am Ende der Handlung der Herrscher über das Land ist, dann geht das im Rahmen der Gesetze der Fantasywelt üblicherweise nur, indem man überraschend enthüllt, dass er ein verlorener Nachfahre des einstigen Königs ist. Vom Herrn der Ringe über das Schwert der Wahrheit bis hin zu Game of Thrones wird dieser Trick angewandt, und ich frage mich jedes Mal: Kann das Volk nicht auch einfach mal nach dem großen, epischen Krieg sagen: "Person XY hat sich als guter Anführer erwiesen, den/die wählen wir jetzt zu unserem neuen Herrscher"? Dann hätte man als Leser das Gefühl: "Der herrscht jetzt, weil er es sich verdient hat" - und nicht, weil es ja doch wieder von Anfang an vorherbestimmt war Rolling Eyes .
    Das alte System wird ja sowieso oft über den Haufen geworfen bei den ganzen Konflikten, die in Fantasygeschichten üblich sind. Warum also einfach nur einen neuen König einsetzen, der dann genauso wieder von seiner Macht Korrumpiert werden kann (und wenn nicht er, dann einer seiner Nachfahren)?

    Die für mich unbefriedigendste Form ist jedoch eine Abwandlung von dem Ganzen, die ich mal als den "Prince of Persia"-Trick bezeichne: Am Ende der Handlung findet eine Zeitreise oder ein Zurückdrehen der Zeit statt und irgendein kleines Detail wird geändert, sodass die gesamte oder ein beträchtlicher Teil der Handlung eigentlich nie stattgefunden hat. Das sorgt zwar kurzfristig stets für einen super-unvorhergesehenen "WTF?"-Moment, ist aber im Endeffekt nur eine Form von Deus ex machina, die davon ausgeht, dass deterministisch alles anders (=in dem Fall meist zum Positiven) verlaufen wird, wenn man nur dieses eine kleine Detail ändert.
    Wenn man dann aber mal drüber nachdenkt, wie oft man so etwas schon gesehen hat, fällt einem auf, dass dieser Kniff gar nicht so ungewöhnlich ist:
    Prince of Persia, Butterfly Effect, der Film zu Wächter des Tages (hier wird sogar auch noch die Handlung vom ersten Teil gleich mit zurückgedreht), das Finale beider Staffeln von "Legend of the Seeker" (=Fernsehadaption vom "Schwert der Wahrheit), Donny Darkow...


    In meiner Geschichte hatte ich deshalb eine kleine Abwandlung vor,
    fürchte jedoch, dass diese immer noch als Determinismus aufgefasst werden könnte, obwohl es eigentlich nur um Wahrscheinlichkeiten geht (=Probabilismus?).
    Spoiler:

    Ob ihr nun meine Ausführungen aus dem Spoiler gelesen habt oder nicht: Was haltet ihr von der Idee eines Laplace'schen Dämons als Teil der Handlung, also einem Wesen, dass in der Lage ist, zukünftige Ereignisse zu berechnen, anstatt sie nur im ominösen, mehrdeutigen Prophezeiungen vorherzusagen? Seht ihr da einen nennenswerten Unterschied zum klassischen Prophezeiungs-Klischee? Und glaubt ihr, dem Leser wird solch ein Unterschied bewusst?

    Oder führt es eher zu der eingangs beschriebenen Frustration, dass es am Ende wirkt, als ob die Handlung rückwirkend für maßgeblich von Anfang an vorherbestimmt erklärt würde?
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    Beitrag von Fred Erikson So Jan 14, 2018 6:29 pm

    Ich finde die Idee mit dem LaPlaceschen ziemlich geil. Es könnte sich jedoch folgendes Problem ergeben: Die Parodie des MacGuffin wirkt ja erst, sobald du die Motive des Drachen enthüllt und natürlich nur bei Lesern, die das auch erkennen. Gerade diese Leser könnten jedoch vorher schon durch den vermeintlichen MacGuffin verschreckt werden. Ich würde jetzt nicht sagen, dass die dann das Buch weglegen, aber (Wenn sie so sind wie ich) alles sehr viel kritischer lesen.

    Trotzdem will ich dich in der Idee bestärken. Ich würde mich ewig an den Namen des Autors und den gelungenen Twist auf der Metaebene des Romans erinnern.

    Edit: Mit dem Handy geschrieben. Prophezeiungen, Vorhersagen und andere Formen von Determinismus 2085594910


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    Beitrag von PBard So Jan 14, 2018 6:35 pm

    Ich kann dir keine "aktuellen" Erfahrungsberichte liefern, da ich persönlich derzeit den umgekehrten Weg gehe - in meiner derzeitigen Hintergrundwelt sind Prophezeiungen so häufig, daß es in der Stadt der Magier eine eigene Abteilung zum Katalogisieren dafür gibt. Die meisten Prophezeiungen sind also vollkommen profane, fast ausschließlich selbsterfüllende Märchengeschichten, oder aber Mittel für politisch versierte Priester/Schamanen, um die eigenen Leute mit etwas stimmungsvollem Hokus Pokus in die gewünschte Richtung zu lenken. Prophezeiungen, Vorhersagen und andere Formen von Determinismus 3146453513

    Aber meine erste Hintergrundwelt hatte prophetische Wahrscheinlichkeitsberechnung als zentrales Thema, und ganz ehrlich: Ich würde mit der Offenbarung nicht bis zum Ende einer Geschichte warten. Den Hauptgrund hast du ja selbst schon angesprochen - das wirkt, wenn man es nicht im Laufe der Erzählung immer wieder geschickt einflechtet, aufgesetzt und wie ein plottechnischer Notnagel.

    Ein weiterer Punkt ist aber meiner Meinung nach das verschenkte Potenzial. Propheten, die sich gegenseitig widersprechen, sind im herkömmlichen Sinne ziemlich lahm, weil nie geklärt wird, woher die "falsche" Prophezeiung nun kommt - hatte das Universum bei der Vision des "Verlierers" einfach gerade einen schlechten Tag? Wenn hingegen zwei oder mehrere "Propheten" mögliche Zukunftsabläufe errechnen müssen (und es ihnen im besten Fall auch noch schwer fällt, die Handlungen ihrer Widersacher einzuschätzen), dann kann daraus sehr schnell ein nervenaufreibender Wettstreit werden.

    Aber selbst wenn es nur ein einziges solches Psychoanalyse- und Berechnungsgenie gibt, kann man einiges an Spannung hineinbringen, wenn dieses bei jeder unvorhergesehenen Wendung wieder alles über den Haufen werfen und neu berechnen muß. Da würde es sich anbieten, die ganze Drachenjagd-Geschichte schon ganz am Anfang abzuhandeln (dem Drachen hoffentlich einmal gehörig über die Schnauze zu fahren für das Opfern Unschuldiger Prophezeiungen, Vorhersagen und andere Formen von Determinismus 1448647600 ) und dann den Protagonisten mit ominösen "läuft alles nach Plan, mach nur weiter so"-Aussagen ins Getümmel zu schieben.

    Ob danach der Drache nochmal eingreift ("Och nö, so war das nicht geplant - hier, ich schubs euch wieder in die richtige Richtung") oder man die Unschärfe der Berechnungen nutzt, um die Schwächen dieses Systems aufzuzeigen ("HA! Von wegen, ich werde am Ende mehr Tode auf dem Gewissen haben als du - mit XY hast selbst du nicht gerechnet!"), hängt dann natürlich von der zu erzählenden Geschichte ab.
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    Beitrag von Gotthelf So Jan 14, 2018 7:37 pm

    also ich fände es nur irritierend und unrealistisch.
    wenn du zukünftiges vorhersagen willst - sei es das Wetter oder irgendeine Prophezeiung, würdest du vermutlich mit Markov models arbeiten. Und da sind die Anfangswahrscheinlichkeiten teilweise beliebig gewählt, also könntest du dir irgendwas voraussagen.

    Vielleicht interessant für die die keine Ahnung von solchem Zeug haben, aber so pseudowissenschaftliches Zeug reinzubringen macht die Sache tendenziell eher kaputt.


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    Beitrag von Strato Incendus So Jan 14, 2018 8:13 pm

    Erstmal vielen Dank für eure Antworten! Smile Das ermutigt mich schonmal, dass ich hier zumindest nicht etwas komplett an den Haaren Herbeigezogenes kreiert habe.

    PBard schrieb:Den Hauptgrund hast du ja selbst schon angesprochen - das wirkt, wenn man es nicht im Laufe der Erzählung immer wieder geschickt einflechtet, aufgesetzt und wie ein plottechnischer Notnagel.

    Und genau das ist der Grund, warum ich an allen drei Teilen parallel schreibe Smile : Um für alles, was im dritten und letzten Teil passiert, kleine Hinweise in Teil I und II verstreuen zu können. Jedes Mal etwa, wenn der Drache eingreift, gibt es einen "offiziellen" Grund, den er dem Charakter gerade mitteilt... und natürlich einen, der mit der großen Gesamtrechnung zu tun hat.

    Kurz nach der Zerstörung der Stadt etwa verfolgt der Drache den Protagonisten und seinen magisch begabten Freund - denn angeblich hat er die Stadt ja nur angegriffen, um besagten magisch begabten Freund zu töten. Nun macht er also augenscheinlich Jagd auf diesen, um sein Werk zu Ende zu bringen. In Wirklichkeit geht es jedoch nur darum, durch diese Angriffe aus der Luft die beiden dazu zu zwingen, in einer unterirdischen Stadt Schutz zu suchen... wo sie auf die übrigen Charaktere treffen, die sie durch die weitere Handlung begleiten werden. Ohne den weiteren Angriff des Drachen also wären sie womöglich einfach an der Stadt vorbeigezogen und hätten die anderen verpasst.

    In dem Moment ist ihnen das nicht bewusst - sie denken, der Drache will sie wirklich töten. In Wirklichkeit muss er genau das verhindern; er lässt sich sogar freiwillig von dem magisch begabten Freund verletzen, damit es so wirkt, als sei dieser tatsächlich eine Gefahr für ihn. Anderenfalls wäre es ja nicht gerechtfertigt, seinetwegen eine ganze Stadt in Asche zu legen, nur um ihn auf jeden Fall mit zu erwischen.

    PBard schrieb:
    Da würde es sich anbieten, die ganze Drachenjagd-Geschichte schon ganz am Anfang abzuhandeln (dem Drachen hoffentlich einmal gehörig über die Schnauze zu fahren für das Opfern Unschuldiger ) und dann den Protagonisten mit ominösen "läuft alles nach Plan, mach nur weiter so"-Aussagen ins Getümmel zu schieben.

    Danke, da hast du mich gerade auf eine Idee gebracht! Smile Im Endeffekt würde sich das, was du beschreibst, ja genau bei der Szene anbieten, die ich gerade beschrieben habe. Ursprünglich war es so, dass nur der Drache den Grund kannte, warum er die Stadt angegriffen hat (den Nachfahren seines Rivalen töten) - dem magisch begabten Nachfahren selbst war das nicht bewusst, außer, dass er die ganze Zeit behauptet hat, er stamme von einem Drachen ab, aber niemand ihm das geglaubt hat.

    Da dieser ursprüngliche Grund jetzt jedoch nur ein vorgeschobener Grund für die wahre, viel banalere Begründung ist ("Ich zerstöre deine Stadt weil MacGuffin"), wäre es wohl besser, wenn man diese falsche Begründung möglichst früh einführt, um den Leser möglichst lange an der Nase herumführen zu können. Da wäre es am besten, wenn der magisch begabte Charakter, der ja nun schon selbst glaubt, dass er der Nachfahre eines Drachen ist, diese Geschichte kennt - und nun, da die Heimatstadt zerstört ist, noch motivierter ist, den Drachen zu jagen.

    Damit sähe es dann erst einmal aus, als würde der Drache sich eine klassische Self-Fulfilling Prophecy einhandeln: Dadurch, dass er den Nachfahren seines Rivalen prophylaktisch zu töten versucht, indem er die Stadt zerstört, bringt er diesen erst zu tun, ihn jagen zu wollen. Der Twist ist dann ja nur am Ende, dass dieser magisch begabte beste Freund des Protagonisten eigentlich sch*ßegal ist - außer in Bezug auf seine Funktion für die Handlung (den Protagonisten in die unterirdische Stadt zu bringen, wo er seine künftigen Weggefährten kennenlernt). Prophezeiungen, Vorhersagen und andere Formen von Determinismus 3402984712

    PBard schrieb:Aber selbst wenn es nur ein einziges solches Psychoanalyse- und Berechnungsgenie gibt, kann man einiges an Spannung hineinbringen, wenn dieses bei jeder unvorhergesehenen Wendung wieder alles über den Haufen werfen und neu berechnen muß.

    Ja, da gibt es eine Stelle: Es kommt ja wie gesagt auch noch ein Eisdrache vor, der mit einem Zauber Sommer und Winter vertauscht und damit buchstäblich die Welt auf den Kopf stellt. Da muss sich der Drache auf einmal mit dem Protagonisten verbünden, um diesen zu besiegen. Prophezeiungen, Vorhersagen und andere Formen von Determinismus 3402984712 Dass man mit seinem Todfeind zusammenarbeiten muss, kommt ja in Geschichten schonmal öfter vor. Allerdings habe ich noch nie etwas von einem Charakter gehört, der den Drachen, auf dem er gerade reitet, am liebsten töten würde, und es sich doch nicht erlauben kann.

    PBard schrieb:
    Wenn hingegen zwei oder mehrere "Propheten" mögliche Zukunftsabläufe errechnen müssen (und es ihnen im besten Fall auch noch schwer fällt, die Handlungen ihrer Widersacher einzuschätzen), dann kann daraus sehr schnell ein nervenaufreibender Wettstreit werden.

    Im Moment ist ein weiterer Twist, dass der Vorfahr des magisch begabten Freundes des Protagonisten, i.e. der vermeintliche Erzrivale des roten Drachen, der die Stadt angreift, in Wahrheit die ganze Zeit sein Verbündeter war. Selbst ein Drache kann also demnach alleine nicht eine so riesige Rechnung mit allen Eventualitäten aufstellen. Hier spielt die Persönlichkeit der beiden Drachen eine Rolle: Der rote, der die Stadt angreift, erachtet Menschen eigentlich als unter seiner Würde, während der silberne gerne mal aus Neugier Menschengestalt annimmt (und auf diese Weise auch den Freund des Protagonisten gezeugt hat). Der rote Drache hat daher den besseren Gesamtüberblick, der Silberdrache jedoch besseres Verständnis für menschliche Gefühle und Motivationen.

    Jetzt ist nur die Frage: Macht der Silberdrache das ebenfalls alles nach Plan? Zeugt er den magisch begabten Freund des Helden bereits mit der Zielsetzung, die er nachher als Teil des großen Puzzles erfüllen soll? Oder ist an der Rivalität zwischen dem silbernen und dem roten Drachen wirklich etwas dran? Hat der rote den silbernen tatsächlich getötet und merkt erst später, wie der Nachfahre seines Rivalen ihm von Nutzen sein kann? Das hängt natürlich alles ganz davon ab, wie früh einer oder beide dieser Drachen die sich abzeichnende Gefahr durch den untoten Zauberer erkennen.

    Ich glaube, es hilft nichts: Ich werde noch ein paar Szenen aus der Sicht des roten Drachen früh im Buch brauchen, wo ich aber die ganze Zeit um den heißen Brei herumschreiben muss, um nicht zu früh zu viel zu verraten. Im ersten Teil kann ich noch nicht einmal den Namen des Drachen nennen! Very Happy

    Fred Erikson schrieb:Die Parodie des MacGuffin wirkt ja erst, sobald du die Motive des Drachen enthüllt und natürlich nur bei Lesern, die das auch erkennen. Gerade diese Leser könnten jedoch vorher schon durch den vermeintlichen MacGuffin verschreckt werden. Ich würde jetzt nicht sagen, dass die dann das Buch weglegen, aber (Wenn sie so sind wie ich) alles sehr viel kritischer lesen.

    Da hast du Recht, wenn der Hauptcharakter sich nach der Zerstörung seiner Heimat quasi null um den Drachen scheren würde, weil er so damit beschäftigt wäre, seiner Angebeteten nachzurennen, würde das in der Tat recht schnell wie ein MacGuffin wirken.
    Aber ich mache es ja anders: Er will eigentlich die ganze Zeit dem Drachen nachjagen, es kommt nur immer irgendetwas dazwischen: Als sie in der unterirdischen Stadt Zuflucht suchen, um vorerst vor dem Drachen in Sicherheit zu sein, wird sein magisch begabter Freund von den dort wütenden Untoten (letztendlich Lakaien des eigentlichen Bösewichts) entführt.
    Also muss er ihn erst einmal wieder frei bekommen, mithilfe der anderen Charaktere (typische Zusammensetzung aus Elfenmagierin, Zwergenkrieger, menschlichem Priester und einer Halblingsdiebin). Als der Quell dieses Übels in der unterirdischen Stadt dann beseitigt ist, ist sein Kumpel leider mittlerweile selbst einer dieser Untoten (ein Vampir) und kann aufgrund der Gefährdung durch das Sonnenlicht die Stadt nicht verlassen. Folglich wird auch nichts aus dem ursprünglichen Plan, zu der Stadt mit der Zauberakademie zu reisen, wo sein Freund seine magischen Fähigkeiten hätte trainieren können, um es mit dem Drachen besser aufnehmen zu können - denn der Protagonist selbst ist nicht magisch begabt bzw. hat nur einige notdürftige Tricks von der Elfe gelernt. Die hält aber wie gesagt nichts von seinem Racheplan und will ihn eher davon abbringen usw.

    Ich spiele also eigentlich die ganze Zeit mit der Erwartung des Lesers, dass er am Ende, im letzten Teil, den epischen Kampf des Protagonisten gegen den Drachen zu sehen bekommen wird. In der ursprünglichen Fassung wurde diese Erwartung knallhart enttäuscht, sodass auch da schon erst am Ende klar wurde, dass der Angriff auf die Stadt ein MacGuffin war. Jetzt hingegen bekommt der Leser den lang ersehnten Kampf gegen den Drachen im dritten Teil durchaus zu sehen - aber anders als erwartet: Der Protagonist erlebt wiederholt Träume, die ihm den alternativen Zeitverlauf zeigen, indem er Jagd auf den Drachen macht und dabei auch Erfolg hat. Weil seine elfische Angebetete lange Zeit von ihm nichts wissen will, wünscht er sich irgendwann, er hätte diesen Pfad eingeschlagen... bis er schließlich das Ende dieses Zeitstrahls sieht. Wink Da hat nämlich seine drachenjagdbedingte Abwesenheit von dem Ort, wo er hätte sein sollen (und im normalen Verlauf der Geschichte auch gewesen ist), zur Folge, dass sie stirbt.

    Das ist dann irgendwo auch ein kleiner Mittelfinger an alle Leser, die Rachepläne gut finden und gerne den Drachen qualvoll krepieren gesehen hätten... die werden dann für ihre "Blutgier" bestraft, wenn sie sehen, wie der Verlauf, den sie erwartet und sich gewünscht hatten, am Ende ausgeht. Prophezeiungen, Vorhersagen und andere Formen von Determinismus 3402984712 Zum Glück ist das dann aber ja nicht der reale Verlauf der Geschichte, sondern mehr ein schockierender Weg, dem Protagonisten zu zeigen, dass er in der Wirklichkeit die richtige Entscheidung getroffen hat - nämlich genau die, die der Drache vorausberechnet hat, als er seine Heimatstadt angriff Very Happy .



    Im Endeffekt verlässt sich der Drache hier darauf, dass die meisten Männer, wenn sie die im Eingangspost beschriebene Wahl zwischen ihrer persönlichen Mission und einer Frau wählen müssten, sich für letztere entscheiden würden. Zugespitzt könnte man behaupten, sie ist damit der Grund gewesen, warum der Drache die Stadt zerstört hat - damit der Protagonist sie trifft und am Ende an ihrer Seite ist, wenn der eigentliche Oberbösewicht auf den Plan tritt, damit sie diesen gemeinsam stoppen können Prophezeiungen, Vorhersagen und andere Formen von Determinismus 3402984712 . Da kann sie natürlich nichts für. Der Drache nutzt hier einfach nur die Biologie und das gynozentrische Weltbild eines Mannes aus, und letztendlich sogar für einen guten Zweck. Biologie funktioniert eben.

    Was sich daran beweisen lässt, dass der Drache selbst ja auch ein biologisches Wesen ist. Und das ist der Grund, warum er den ganzen Zirkus veranstaltet: Er will überleben wie jedes andere Lebewesen auch. Ich will es nämlich so aufziehen, dass die rationalen Argumente eigentlich auf Seiten des Bösewichts sind, der alle zu Untoten machen möchte - eine unsterbliche Existenz frei von den Wahrnehmungsverzerrungen, den Willensbeeinflussungen und den Leiden, die durch physiologische, evolutionsbedingte Bedürfnisse ausgelöst werden. Zum Pech für den Bösewicht ist der Überlebenstrieb Teil dieser Bedürfnisse, weshalb der Rest der Welt, inklusive des Drachens, sich gegen seinen teuflischen, wenn auch im Grunde genialen Plan sträubt Smile .

    Und dann ist da noch der andere Bösewicht, der eigentlich auch den Hauptbösewicht aufhalten will, weil er ihn als einziger (abgesehen von dem Drachen) frühzeitig als Gefahr erkennt - in seiner Verzweiflung jedoch selbst zu verwerflichen Mitteln greift und sich damit die Hauptcharaktere zum Feind macht. Letztendlich muss er beseitigt werden, weil er selbst eine Gefahr darzustellen beginnt - dadurch wird jedoch natürlich dann automatisch der Weg für den untoten Haupt-Antagonisten freigemacht. Twisted Evil

    Es dürfte interessant werden, wie sich das denn dann für den Leser anfühlt, wenn am Ende all das zusammenkommt (und ich mich nicht selbst so in Widersprüche verstricke, dass es niemals fertig wird Prophezeiungen, Vorhersagen und andere Formen von Determinismus 422159245 ): Hat der "böse" Drache jetzt gewonnen, weil sein Plan aufgegangen ist? Hat der Protagonist verloren, weil er ihn nicht getötet hat? Aber naja, andererseits hat er dadurch auch seine Geliebte gerettet, oder? Oder hatte der Bösewicht vielleicht sogar Recht und die Welt hätte hier eine Chance auf ein leidfreie Existenz gehabt, war aber zu dumm, dieses Geschenk anzunehmen? Rolling Eyes

    Gotthelf schrieb:Vielleicht interessant für die die keine Ahnung von solchem Zeug haben, aber so pseudowissenschaftliches Zeug reinzubringen macht die Sache tendenziell eher kaputt.

    Die Gefahr besteht grundsätzlich bei allem, was ich "wissenschaftlich" zu erklären versuche. Wie funktioniert beispielsweise ein Feuerzauber? Entweicht da Butangas aus deinem Finger und es wird ein Funke erzeugt? Wenn ich sage, die Magensäure eines bestimmten Fabelwesens könne Glas zerfressen, ergibt es dann Sinn, dass das Flusssäure sein muss? Wieso können Drachen eigentlich fliegen, ihre Flügel sind im Verhältnis zu ihrer Körpergröße doch viel zu klein! Und ist ein Drache eigentlich ein Reptil, wenn er zwei Hinter-, zwei Vorderbeine und zwei Flügel hat?

    An irgendeiner Stelle stößt man immer an die Grenze des Realismus, weil es ja nun einen Grund hat, dass es in der realen Welt keine Drachen, keine Magie und keine so exakten Zukunftsvorhersagen gibt. Auch die Korrelation zwischen bestimmten Hirnarealen und ihren Funktionen ist de facto nicht so eindeutig getrennt, wie es erscheinen mag, wenn ich z.B. sage "Zwerge haben kleinere Insulae und daher ein reduziertes Ekelempfinden; Elfen verfügen über einen größeren Frontalkortex und daher über bessere Impuls- und Gefühlskontrolle".

    Wenn du ein Fachmann auf irgendeinem dieser Gebiete bist, wirst du immer den Punkt ausmachen können, wo der Autor von der Realität abweicht, damit er sich eben das Übersinnliche erlauben kann. Smile

    Ich habe trotzdem den Anspruch, zumindest zu versuchen, es für den Ottonormalleser so physikalisch realitätsnah wie möglich zu machen. Zu oft erlebe ich es nämlich, dass das Wort "Fantasy" einfach benutzt wird, um jeglichen fehlenden Realismus zu entschuldigen und sich gar nicht erst um physikalische Grundlagen zu bemühen.

    Der Fachmann darf dann nachher immer noch den Leser aufklären und sagen: "Ja, Moment mal, ganz genau so funktioniert das nicht..."

    Passiert selbst bei Geschichten mit recht klarer Faktenlage, z.B. Dr. House. Das hat auch mal ein junger Arzt in einem Buch auf seinen Realismus untersucht... manchmal fiel das Urteil sehr positiv aus, manchmal überhaupt nicht.
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    Prophezeiungen, Vorhersagen und andere Formen von Determinismus Empty Re: Prophezeiungen, Vorhersagen und andere Formen von Determinismus

    Beitrag von marismeno Do Feb 01, 2018 2:34 pm

    Strato Incendus schrieb:Eine andere Form der Vorherbestimmung hat mit dem System der Erbmonarchie zu tun, die für die meisten Leser standardmäßig mit Fantasy verknüpft zu sein scheint, weil sie eben im Mittelalter gängige Praxis war. Wenn man also will, dass der eigene Held am Ende der Handlung der Herrscher über das Land ist, dann geht das im Rahmen der Gesetze der Fantasywelt üblicherweise nur, indem man überraschend enthüllt, dass er ein verlorener Nachfahre des einstigen Königs ist.
    Die anderen Beiträge zu Deiner Anfrage habe ich jetzt noch nicht gelesen. Kann also sein, dass ich hier etwas wiederhole:
    Erstens war im Mittelalter ebenfalls gängige Praxis, einem vertrauenswürdigen Untertan ein Lehen zu verleihen, das heißt, ihn mit der Verwaltung/Bewirtschaftung und dem Schutz zu beauftragen. Das spiegelt sich übrigens auch im HdR (Ithilien erhält z.B. Faramir als Lehen nach der Krönung von Aragorn) und in GoT (da werden ständig irgendwelche lehen von einem Anhänger zum nächsten verschoben, und Königreiche/Throne gewaltsam erobert). Zweitens ist die Erbfolgeregelung in einer Fantasywelt völlig dem Willen des Autors unterworfen. Ob dieser die klassische Erbfolge durch den ältesten Sohn des Herrschers bevorzugt, oder eine matrilineare Erbfolge plant (schließlich weiß man IMMER, wer die Mutter eines Kindes ist, während die Vaterschaft vor der Erfindung des DNA-Tests schwer zu beweisen war!), unter den klügsten Köpfen in einem Quiz-Wettbewerb ausfechten, unter den stärksten Kriegern auskämpfen, per Los entscheiden oder durch die Partner(innen)wahl der frisch geschlüpften jungen Drachenkönigin entscheiden lässt, ist ganz allein seine Sache. Sicher verlassen sich viele Fantasy-Leser auf das, was sie für allgemeingültige Wahrheit halten ("Laut WoW-Handbuch ist das aber so!"), aber ganz viele Leser freuen sich auch über neue und orginelle Weltentwürfe. Gut, wenn es für jeden Lesergeschmack das Richtige zu entdecken gibt!  

    Strato Incendus schrieb:Ob ihr nun meine Ausführungen aus dem Spoiler gelesen habt oder nicht: Was haltet ihr von der Idee eines Laplace'schen Dämons als Teil der Handlung, also einem Wesen, dass in der Lage ist, zukünftige Ereignisse zu berechnen, anstatt sie nur im ominösen, mehrdeutigen Prophezeiungen vorherzusagen? Seht ihr da einen nennenswerten Unterschied zum klassischen Prophezeiungs-Klischee? Und glaubt ihr, dem Leser wird solch ein Unterschied bewusst?
    Ob "dem Leser" dieser Unterschied bewusst würde, weiß ich nicht. Aber eine berechnete und sehr konkrete Prophezeihung findest Du zum Beispiel in einem Frühwerk von Sir Terry Pratchett, "Die dunkle Seite der Sonne", aus der Zeit, als es die Scheibenwelt noch nicht gab und er noch SciFi schrieb. Ich halte das für ein gelungenes und stimmiges Konzept. Und Sir Terry ist bestimmt jemand, den man sich zum Vorbild nehmen darf.


    Zuletzt von marismeno am Mo Feb 05, 2018 10:36 am bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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    Prophezeiungen, Vorhersagen und andere Formen von Determinismus Empty Re: Prophezeiungen, Vorhersagen und andere Formen von Determinismus

    Beitrag von Sikander Do Feb 01, 2018 4:16 pm

    Chekhovs Gun. Das ist das Problem an Prophezeiungen als literarisches Mittel. Wenn du Prophezeiungen in deine Geschichten einfügst, erwartet der Leser, dass sie eine Rolle spielen werden. Denn sonst würde der Autor sie ja nicht erwähnen. Vielleicht off-topic, vielleicht auch nicht, dass verdeutlicht sich am ehesten an Legenden. Da können die Charaktere noch so maulen: "Das sind doch alles nur alte Legenden, höre mit diesen Ammenmärchenauf!" Der Autor hat die Legende erwähnt, also wird sie 100%ig wahr sein. Sonst würden die Leser berechtigterweise fragen, wieso er auf einmal diesen Plotpunkt ins Spiel bringt, der plötzlich zu nichts führt.

    Ich muss mich bei meiner eigenen Schreibe gerade auch mit Prophezeiungen auseinandersetzen. Eine "Alrune" stochert in den Geweiden von Vögeln herum und kann nur sagen, dass es etwas eintrifft. Was genau, wie, wann und was die Helden tun können, das bleibt unklar. In einer Stadt haust ein bekanntes Orakel und ihre verschwommen Vorhersagen müssen erst richtig interpretiert werden und meist kommt es anders, als sie dachten.


    Strato Incendus schrieb:Ob ihr nun meine Ausführungen aus dem Spoiler gelesen habt oder nicht: Was haltet ihr von der Idee eines Laplace'schen Dämons als Teil der Handlung, also einem Wesen, dass in der Lage ist, zukünftige Ereignisse zu berechnen, anstatt sie nur im ominösen, mehrdeutigen Prophezeiungen vorherzusagen? Seht ihr da einen nennenswerten Unterschied zum klassischen Prophezeiungs-Klischee? Und glaubt ihr, dem Leser wird solch ein Unterschied bewusst?
    Nein, ich glaube nicht, dass es letztlich einen großen Unterschied machen wird. Im Grunde offerierst du dem Leser damit nur Möglichkeiten, die sich genauso deterministisch anfühlen können, wie eine Prophezeiung. Oder du gibt so viele unterschiedliche Möglichkeiten an, dass es bedeutungslos wird.
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    Beitrag von Strato Incendus Mi Mai 22, 2019 3:13 pm

    Vor dem Hintergrund des Endes von Game of Thrones belebe ich diesen Thread mal wieder - denn eine mögliche Interpretation des Endes hat tatsächlich etwas mit dem gemeinsam, was ich mir hier überlegt habe.

    Solltet ihr euch natürlich entsprechend nur durchlesen, wenn ihr das Ende der Serie bereits gesehen habt Wink .

    Game of Thrones Season 08 (komplett!):


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    Prophezeiungen, Vorhersagen und andere Formen von Determinismus Empty Re: Prophezeiungen, Vorhersagen und andere Formen von Determinismus

    Beitrag von marismeno Mi Mai 22, 2019 8:43 pm

    Diese Theorie halte ich für wenig wahrscheinlich. Als Robert Baratheon nach Winterfell kam, um Ned Stark zu seiner Hand zu machen, war Bran gerade ... wie alt? 6 bis 8 Jahre oder so? Ich meine, dass er da noch kein solcher Mastermind gewesen ist, sondern ein kleiner, idealistischer, naiver Junge.
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    Prophezeiungen, Vorhersagen und andere Formen von Determinismus Empty Re: Prophezeiungen, Vorhersagen und andere Formen von Determinismus

    Beitrag von Strato Incendus Mi Mai 22, 2019 8:51 pm

    Deshalb meinte ich ja "nicht ganz von Anfang an" - aber ab da, wo seine Grünseher-Fähigkeiten erwachen Wink .


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    Beitrag von marismeno Fr Jun 14, 2019 5:57 pm

    Sikander schrieb:Chekhovs Gun. Das ist das Problem an Prophezeiungen als literarisches Mittel. Wenn du Prophezeiungen in deine Geschichten einfügst, erwartet der Leser, dass sie eine Rolle spielen werden. Denn sonst würde der Autor sie ja nicht erwähnen. Vielleicht off-topic, vielleicht auch nicht, dass verdeutlicht sich am ehesten an Legenden. Da können die Charaktere noch so maulen: "Das sind doch alles nur alte Legenden, höre mit diesen Ammenmärchenauf!" Der Autor hat die Legende erwähnt, also wird sie 100%ig wahr sein. Sonst würden die Leser berechtigterweise fragen, wieso er auf einmal diesen Plotpunkt ins Spiel bringt, der plötzlich zu nichts führt.

    Ach, man könnte aber auch mal eine Geschichte schreiben, in der der Prota die Prophezeihung verweigert, bzw. sie widerlegt. Ich fände das cool. Sir Terry hat das im bereits erwähnten SciFi-Roman im Prinzip auch so geschrieben. Und auch in Frank Herberts "Wüstenplaneten" ändert Paul die Erfüllung seiner Zukunftssicht ab. Warum immer die Erwartungen der Leser zu 100 % erfüllen? Ist doch langweilig. Wie in einem Rosamunde-Pilcher-Film weiß man schon nach den ersten zwei Minuten, wie die Geschichte ausgeht. Sowas gibt es wie Sand am Meer. Wer will das noch lesen? Kaum jemand. Siehe auch die Diskussion "Das neue Kardinalverbrechen - Lesererwartungen enttäuschen". Ein Verbrechen ist das nur aus Sicht von Mainstream-Verlagen, die kein Risiko mit unkonventionellen Plots eingehen wollen.
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    Beitrag von Strato Incendus Sa Jun 12, 2021 1:46 pm

    Zeit, dieses Thema wieder auszubuddeln! Smile Kennt ihr den Effekt "Manchmal schreibt man über Sachen, die einem selbst passiert sind - und manchmal schreibt man über etwas, und hinterher passiert es einem?" Prophezeiungen, Vorhersagen und andere Formen von Determinismus 3402984712

    Kurz zum Recap: In meiner Geschichte ist der Hauptbösewicht ja wie bereits mehrfach beschrieben ein untoter Zauberer und ein sogenannter "benevolent world ender" (ein Begriff, den ich zum ersten Mal in Zusammenhang mit Thanos aus Avengers: Infinity War / End Game gehört habe, wenngleich Thanos im speziellen diese Aufgabe natürlich buchstäblich "halbherzig" verfolgt Wink ). Die Charaktere können sich ihm als "Bösewicht" also weniger aufgrund seiner Absichten entgegenstellen - denn die beruhen ja auf dem Ziel, Leid zu verringern, nicht es zu verursachen - sondern aufgrund der Methoden, die er anwendet. Selbst, wenn er schmerzlos Lebewesen tötet, setzt er sich damit schließlich immer noch über ihre Entscheidungsfreiheit hinweg. Und eine der beiden Hauptcharaktere ist eine Elfe, wobei für meine Elfen die Freiheit des Individuums den höchsten Wert hat. Aus Sicht der Protagonisten wiegt also am Ende der Wert der Freiheit / Selbstbestimmung höher als der "kollektivistische" Wert des Beendens des Leidens für alle - auch, wenn die Protagonisten dem Untoten in seiner Analyse der Welt als Ort des Leidens grundsätzlich zustimmen.

    Dann allerdings erfahren sie, dass der Drache, der zu Anfang der Geschichte als "red herring" als vermeintlicher Endgegner aufgebaut wurde, weil er nämlich die Heimat der menschlichen Protagonisten zerstört hat, dies eben nur als MacGuffin getan hat, um den Protagonisten aus seiner Heimat fort zu zwingen, sodass er am Ende an Ort und Stelle ist, um sich gegen den eigentlichen Bösewicht, den untoten Zauberer, zu stellen. Und dass er dafür in der Lage gewesen sein muss, die wichtigsten Entscheidungen der Hauptpersonen vorauszusagen, also eine Art schwächerer Laplace'scher Dämon ist.

    Hinter die bereits erdrückende Erkenntnis des Untoten - "Leben ist Leid" - kommt also auch noch die Implikation, dass der vermeintlich freie Wille nicht so frei sein kann. Weil sich die meisten Leute eben gemäß ihrer Bedürfnisse verhalten. Allerdings ist es ja genau dieses Verfolgen von Bedürfnissen, welches das Leben und damit das Leiden aufrecht erhält. Somit muss die Elfe sich also am Ende fragen, ob sie mit ihrer Entscheidung für "Freiheit > Leid" vielleicht doch einen Fehler gemacht hat - und es bleibt offen bzw. dem Leser überlassen, ob das Ende damit jetzt eigentlich ein Happy End oder doch eher eine Tragödie ist. Das wird davon abhängen, wie sehr der Untote ihn bis dahin von seiner Weltsich überzeugt hat.


    So, und jetzt kommen wir zur realen Welt, denn genau in dieser Reihenfolge habe ich selbst diese Erkenntnisse auch im realen Leben aufgefangen: Zuerst die Überlegungen zum Leid des Lebens (ob aus dem Buddhismus, dem Christentum, von Schopenhauer etc.), dann die zum Determinismus. Allerdings habe ich mich zu Anfang dieses Threads innerhalb von Geschichten ja eher als kein Freund von Prophezeiungen ausgesprochen. Eben weil es eine Geschichte rückwirkend zu invalidieren scheint, wenn der Hauptcharakter im Prinzip mal wieder ein weiterer "Auserwählter" ist und damit der ganze Verlauf der Geschichte ja eh schon vorherbestimmt war. Das macht in mancher Hinsicht dann auch nicht nur die Leistungen der Charaktere, sondern auch ihre Fehler (die für die Charakterentwicklung oftmals noch viel entscheidender sind), trivial - denn es hätte gemäß der Prophezeiung ja eh nicht anders laufen können.

    Deshalb hatte ich Zweifel darüber, ob es klug wäre, ein derart den Determinismus-implizierendes Ende einzubauen - oder ob ich damit genau das Element hinzufügen würde, das ich als das größte Klischee in Fantasygeschichten betrachte, nämlich Prophezeiungen, und damit fast unvermeidlich einhergehend auch das Klischee des Auserwählten.



    Dann aber habe ich mal ein paar Physikern und Neuropsychologen zugehört und... tja... genau wie meine Charaktere musste auch ich mich am Ende den Argumenten für den Determinismus geschlagen geben.
    Physikerin Dr. Sabine Hossenfelder fasst es hier ganz gut zusammen:



    Jetzt könnte man ja meinen, dass das für meine Geschichte großartig wäre - ich hätte quasi in meiner Story schon im Vorfeld etwas eingebaut, wovon ich dann erst später gemerkt habe, dass es wahr ist. Allerdings ist der reale Determinismus dann doch nochmal etwas anders, als man das aus Geschichten mit Prophezeiungen oder auch Überlegungen zu Vorausberechnungen (Laplace'scher Dämon, "Minority Report" etc.) vermuten würde.
    Und zwar liegt das Problem hierbei in etwas, das für viele Leute sehr unintuitiv zu sein scheint: Denn einer der häufigsten Strohmänner des Determinismus ist, dass dieser einem erlauben würde, alles vorherzusagen.

    Dass es einen Laplace'schen Dämon per se nie geben könnte, war mir vorher schon klar - aufgrund von Dingen wie der Heisenberg'schen Unschärferelation. Man könnte ihn auch mit einem Gedankenexperiment widerlegen - analog zu "Kann ein allmächtiger Gott einen Stein erschaffen, den er selbst nicht mehr hochheben kann?" - und das wäre "Kann der Laplace'sche Dämon vorhersagen, was er selbst als nächstes denken wird?" Prophezeiungen, Vorhersagen und andere Formen von Determinismus 3402984712

    Deshalb wollte ich meinen Drachen ja auch nur zu einem "schwächeren" Laplace'schen Dämon machen, der eben nicht auf sub-atomarer Ebene seine Vorhersagen macht, sondern auf psychologischer, durch seine lange Lebenszeit und seine Beobachtung menschlichen Verhaltens und dem daraus resultierenden Verständnis für ihre Motive.

    Allerdings habe ich jetzt die Sorge, dass meine Geschichte missverstanden werden könnte
    , nämlich so, als würde ich an eine Form des Determinismus im Sinne von Einsteins "Uhrwerk" glauben - wie er sagte "Gott würfelt nicht". Wir mögen zwar keine Belege haben, dass es einen Gott gibt, der das täte, aber gewürfelt wird trotzdem - denn im Moment geht man davon aus, dass auf der Quantenebene der Zufall herrscht. Freien Willen hat man dadurch trotzdem nicht - denn einen zufälligen Prozess kann man genauso wenig kontrollieren wie einen prä-deterministischen. Und was auch immer für Resultate diese Quantenprozesse dann auf höheren Ebenen herbeiführen, die funktionieren entsprechend wieder streng deterministisch.

    Statt Sartres Behauptung, wir wären "dazu verdammt, frei zu sein", würde ich also eher sagen: "Wir sind verdammt dazu, die unvermeidlichen Ergebnisse von Zufällen zu erleben."
    Mein Bild dafür ist das einer Achterbahn - der Wagen sitzt fest auf den Schienen und kann nicht anders, und es geht auf und ab - aber die Strecke wird jede Nanosekunde neu berechnet.



    Das heißt also: Auch in meiner Geschichte kann ich keinen Laplace'schen Dämon einbauen, der Vorhersagen auf sub-atmorer Ebene macht und damit Erfolg hat.
    Psychologische Vorhersagen funktionieren natürlich immer noch, aber sind im Vergleich zum Anspruch des Determinismus deutlich weniger reliabel.

    Und im Fall des Drachens muss die Vorhersage reliabel genug sein, dass sie rechtfertigt, eine ganze Stadt zu Beginn der Geschichte auszulöschen (die Heimatstadt des Protagonisten), in der Gewissheit, dass dieser Protagonist nachher dazu beitragen wird, zu verhindern, dass sämtliches Leben durch den Untoten ausgelöscht wird.


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    Prophezeiungen, Vorhersagen und andere Formen von Determinismus Empty Re: Prophezeiungen, Vorhersagen und andere Formen von Determinismus

    Beitrag von Flo Mo Nov 15, 2021 3:01 pm

    Um hier mal rein zu grätschen, weil es so ein spassiges Thema ist... Persönlich bin ich ja auch Determinist (einfach, weil ich bislang keine Erklärung gefunden habe, wie freier Wille überhaupt generell funktionieren soll und wo er von rein zufälligen Quanteneffekten unterscheidbar wäre), aber das bedeutet nicht, dass das in jeder Fantasy-Welt auch so sein muss - ich bin ja auch Atheist, könnte aber problemlos eine Welt mit Göttern beschreiben. Von daher würde ich als erstes schon davon abkommen, die eigene Philosophie unbedingt als Grundlage für irgendeinen Weltbeschreibung nutzen zu müssen - kann man, man kann aber auch eben was ganz anderes tun.

    Die Idee, die Zukunft vorher zu berechnen ist jetzt nicht völlig neu, Assimov hat das ja in seiner Foundation Reihe sehr ausführlich gemacht, zumindest mit dem Fokus auf die Gesamtbevölkerung, nicht auf Individuen. Ist aber natürlich letzten Endes auch ziemlicher Unsinn (realistisch betrachtet), aber dafür ist es halt Fiktion, also kann man es problemlos als Grundlage für ne Geschichte nutzen.

    Die Vorherbestimmung von Menschen durch Kenntnis ihrer Motivation, etc. wird auch in diversen Geschichten beschrieben, zuletzt gelesen habe ich da "The last human" (von Zack Jordan), wo es verschiedene Stufen der Intelligenz gibt und höhere Intelligenzen einfach Daten auf einem Niveau verarbeiten können, dass sie im Ergebnis zumindest so gut weniger intelligente Lebewesen manipulieren können, dass es effektiv an Vorhersage der Zukunft raus läuft. Ich sehe da kein Problem, das mit nem Drachen zu machen, auch in Settings wie z.B. Shadowrun werden ja (manche) Drachen als enorm intelligent beschrieben, dass sie quasi immer Pläne innerhalb von Plänen innerhalb von Plänen haben und man als zufälliger Mensch nie weiß, was eigentlich am Ende für den Drachen raus springt.
    Wichtiger Faktor ist da natürlich die Frage, wo der Drache eigentlich die Information her bekommt. Ein Dorf in ner Fantasy-Welt ist ja nun was anderes als eine Cyberpunk-Welt, wo Informationen über jeden im Netz verfügbar ist. Der Drache braucht ja ne gewisse Ausgangsbasis um Motivation, Charakter, etc. der Person überhaupt einschätzen zu können. Woher hat er dieses Wissen? Magie? Spione? Ausflug in Menschengestalt?

    Die Frage, ob der Zweck die Mittel heiligt ist hier natürlich auch zu stellen. Oder warum der Drache nicht einfach gefragt hat.

    Wenn du mit Determinismus brechen willst, wäre das einfachste natürlich der Gedanke, dass die Prophezeiung selbst die Zukunft ändern kann, insb. wenn sie den betreffenden Personen bekannt ist, weil diese dadurch - dank freiem Willen - sich aktiv anders entscheiden können. Dadurch könnte man quasi gegen Ende die Prophezeiung "enthüllen" und der Protagonist entscheidet sich dann aktiv für ne völlig andere Lösung.
    Alternativ, was häufig gemacht wird, sind kreative Auslegungen der Prophezeiung, wo bis zum Ende alle denken, es muss XYZ raus kommen, aber dank eines genialen Wortspiels o.ä. kann der Protagonist ne völlig andere Möglichkeit wählen, an die keiner gedacht hat o.ä. - ob man das mag, ist natürlich ne völlig andere Frage.
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    Prophezeiungen, Vorhersagen und andere Formen von Determinismus Empty Re: Prophezeiungen, Vorhersagen und andere Formen von Determinismus

    Beitrag von Necroghoul7 Mo Nov 15, 2021 5:16 pm

    Strato Incendus schrieb:Allerdings habe ich jetzt die Sorge, dass meine Geschichte missverstanden werden könnte[/b], nämlich so, als würde ich an eine Form des Determinismus im Sinne von Einsteins "Uhrwerk" glauben -

    Hallo,
    ich habe deine Ausführungen nur überflogen, weil in meinem eventuell zukünftigen Roman eine Weissagung vorkäme, aber ich möchte dir eins rückmelden, was mir aufgefallen ist:

    Du befürchtest, dass Leser deine Geschichte missverstehen, weil sie dir einen nicht vorhandenen Glauben unterstellen? Das verstehe ich nicht - der Autor ist doch nur der Schöpfer seiner Geschichte, nicht identisch mit ihr. Natürlich baut man etwas von sich mit ein, aber woran DU glaubst, hat nichts damit zu tun, woran dein Protagonist glaubt oder wie deine Romanwelt funktioniert. Wichtig ist nur, dass innerhalb der Geschichte alles zusammenpasst und sich gegenseitig stützt.
    Und was gesellschaftliche, philosophische, religiöse, politische Aussagen angeht ... es gibt auch Leute, die in drei zufällige Pinselkleckse was reininterpretieren.
    Mein Tipp: Schreib deine Geschichten mit einem Gefühl der Freude, nicht der Sorge, dann passt schon alles!


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    Prophezeiungen, Vorhersagen und andere Formen von Determinismus Empty Re: Prophezeiungen, Vorhersagen und andere Formen von Determinismus

    Beitrag von Neclus Mandarius Fr Nov 19, 2021 5:24 pm

    Bzgl. "realistischen" Prophezeiungen würde ich folgende Möglichkeiten sehen:

    Triviale Lösung: Die Prophezeiung ist gar keine. Sie kann einfach Humbug sein und später widerlegt werden, derart tautologisch und/oder verwirrend, dass sie sich sowieso erfüllt (zur Not mit etwas Interpretationsspielraum), oder durch eine Form von Social Engineering konstruiert (vorhandene oder gesammelte Informationen für einen educated guess nutzen, oder die Heldin dazu bringen, die Prophezeiung selbst wahr werden zu lassen).

    Eine solche Lösung hat natürlich Folgen: Davon abgesehen, dass solche Prophezeiungen immer wieder ihre Kernaussage verfehlen (was der Prophezeiende aber gut entschärfen kann, wenn zwischen seinen Vorhersagen einige Zeit liegt und diese nur schwammig genug formuliert sind), dürften sie kaum einen langen Zeitraum abdecken.

    Ein Plot der Form "Vor 1000 Jahren wurde vorhergesagt ..." lässt sich damit also eher schlecht begründen.

    Vorteil ist: Diese Form der Prophezeiung kann im Grunde jeder nutzen, somit sollte sie auch die am häufigsten anzutreffende sein. Da der Mensch sehr vielen Biases unterliegt (von zehn Prophezeiungen in einer Generation, von denen eine eintrifft, werden wahrscheinlich neun vergessen und um die erfolgreiche nach Eintreten ein großer Wirbel gemacht), können Orakel in einer solchen Welt dennoch hohes Gewicht haben (auch in der Realität sind Weissagungen aller Art ja noch immer geläufig).


    Dann gäbe es die erfolgsorientierte Lösung: Hierbei überwacht die Kraft, die die Prophezeiung in die Welt gesetzt hat, selbst aktiv ihre Erfüllung. Das könnte zwar im Prinzip auch jeder tun, aber die Erfolgsaussichten schätze ich -- zumindest bei großangelegten Vorhersagen -- für eine Einzelperson als eher gering ein.

    Da kämen dann die schon angemerkten "höheren Intelligenzformen" ins Spiel -- was neben superintelligenten Wesenheiten allerdings auch bsp. Schwarmintelligenz von Menschen/vergleichbar intelligenten Wesen sein können (eine Geheimorganisation oder Zirkel von Wissenschaftlern beispielsweise).

    Darunter würde ja auch Stratos Drache fallen. Die Prophezeiung ist in diesem Fall nichts öffentliches, sondern ein nur dem Drachen bekannter Idealzustand, als Reaktion auf aktuell ungünstige Entwicklungen.

    Hier sehe ich aber wieder zwei wichtige Punkte:


    Nicht alles auf eine Karte setzen: Häufig wollen die Drahtzieher von ihnen unabhängige Dritt-Parteien mobilisieren -- das ist eindeutig sinnvoll, denn eine sorgfältige Manipulation wird natürlich erleichtert, wenn niemand -- insbesondere ein potenzieller Antagonist -- nichts von dieser ahnt; das ist ja gerade der Vorteil von Prophezeiungen, durch die das Orakel zunächst als unbeteiligter Beobachter erscheint.

    Während in den meisten Plots dann eine Hauptperson als Subjekt der Vorhersage verfolgt wird, ist das Benennen einer spezifischen Person ja eigentlich nicht im Interesse der Drahtzieher -- hier sehe ich auch mit das größte Umsetzungs-Problem bei Stratos Idee von dem Laplace'schen Dämon (die Idee an sich ist aber echt witzig!):

    Wenn das Bezugssystem der Prophezeiung eine ganze Welt ist, dürften die endgültigen Wahrscheinlichkeiten, mit denen man arbeitet, sehr klein sein. Dann muss man sich nicht zwischen dem einen 0.6-Pfad und ein paar vernachlässigbaren entscheiden, sondern zwischen unzähligen mit vielleicht Promille-Wahrscheinlichkeiten.

    Bei einem Problem mit binärem Ausgang (Untoter gewinnt/verliert) ist also mE die naheliegendste Antwort: Ich wähle nicht den Pfad mit um ein paar Prozent höherer Erfolgswahrscheinlichkeit, sondern ich verfolge die N Pfade mit den höchsten Wahrscheinlichkeiten.

    Wenn der Zeitdruck nicht besonders groß ist, kann das auch einfach sequenziell sein -- wenn der erste Versuch scheitert, starte ich den zweiten (das Prinzip nutze ich meta als Begründung meines letzten Buches -- ich habe mich allerdings noch nicht entschieden, ob der Leser auch davon erfahren soll). Bei einer laufenden Bedrohung würde man im Zweifel wohl eher gleichzeitig handeln.

    Das bietet mMn auch coole Plotmöglichkeiten, bsp. dass sich an irgendeinem Punkt mehrere unterschiedliche Teams begegnen, die unabhängig voneinander dasselbe Ziel verfolgten (das gibt es in ähnlicher Form ja bsp. in Helden des Olymp).


    Zweiter Punkt: Nie die Fäden aus der Hand lassen. Den Stein ins Rollen zu bringen, ist eine Sache, gemäß Chaostheorie (vorausgesetzt die Rechenkapazität der grauen Eminenz ist nicht hoch bzw. seine Information nicht vollständig genug) ist es aber selbst in deterministischen Welten unwahrscheinlich, dass man genau absehen kann, wo er landet. Wer die Sache ernst nimmt, überwacht den Ablauf des Plans also und nimmt bei Abweichungen von der erwarteten Entwicklung an nächstmöglicher Stelle Kurskorrekturen vor -- für diesen Fall sollte es natürlich bereits indefinit viele Backup-Pläne geben, die schnell aktiviert werden können.


    Geheimhaltung ist Key. Je besser die Hintergrundakteure vorgesorgt haben, desto weniger bekommt die Hauptfigur davon mit -- dementsprechend ist es natürlich möglich, dass es einer Story, die sich tatsächlich nach obigen Prinzipien richtet, überhaupt nicht anzusehen ist. Der Protagonist bekommt die diversen Manipulationen niemals mit und wird sorgfältig um die fünf anderen Personen herumgelenkt, die dem Antagonisten ebenfalls den Kampf angesagt haben. Es ist schließlich die Entscheidung des Autors, die Geschichte desjenigen zu erzählen, der letzten Endes auch Erfolg hat.

    Ich finde trotzdem sinnvoll, sich schon im Vorhinein auf so etwas festzulegen, denn auf die Entwicklung des Plots (und die Situation nach dessen Ende) kann das natürlich Einfluss haben (und bietet mMn auch coole Chancen):
    - Man müsste sich überlegen, woher die Hintergrundakteure ihre Informationen haben (wie schon von Flo angesprochen)
    - Vor wie langer Zeit wurden die Pläne geschmiedet und sind sie noch aktuell?
    - Welche direkten und indirekten Einflussmöglichkeiten gibt es? (In meinem Buch muss die eigentliche graue Eminenz aus magietheoretischen Gründen durch eine Art körperlose KI vertreten werden, deren Fähigkeiten lange vor dem Plot festgelegt wurden; zwischendurch verliert sie auch die direkte Verbindung dazu und erlangt diese erst bei einem der weiteren Plotpunkte wieder, weil für diesen Fall vorgesorgt wurde)
    - Bleiben die Akteure dem/den Protagonisten/Antagonisten tatsächlich verborgen?

    Gerade durch das Scheitern oder Patzer der agierenden Kraft ließen sich bestimmt meta witzige Situationen erzeugen.

    Ich hoffe mal, ein paar interessante Ideen oder Denkanstöße gegeben und nicht allzu viel aus vorherigen Posts wiederholt zu haben ^^

    Viele Grüße
    Neclus


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