Ich versuche gerade, das Schwert der Wahrheit zu Ende zu lesen und kann langsam das Wort "Prophetie" nicht mehr hören. Das ist aber nicht nur Terry Goodkinds Schuld allein; Prophezeiungen sind ja generell in letzter Zeit ziemlich in. Nicht einmal die Big Player Game of Thrones und Harry Potter kamen ohne welche aus. Deshalb war ich etwas überrascht, dass es noch gar keinen Thread zu diesem Thema allgemein zu geben scheint .
Manchmal werden Sachen ja einfach nur schlecht, weil man sie zu oft gehört hat, und wenn dann eine Zeit lang genug Autoren die Finger von ihr lassen, kann man sie später wieder aus dem Schrank holen. Mit der ganzen Vorherbestimmung habe ich aber noch ein anderes, generelles Problem: Die Art und Weise, auf die das zu 90% der Zeit gemacht wird, lässt die Entscheidungen der betroffenen Charaktere plötzlich nichtig wirken. Es fällt schlagartig deutlich schwieriger, mitzufiebern, wenn einem Orakel XY gesagt hat, dass ja sowieso alles vorherbestimmt ist oder maximal auf zwei mögliche Ausgänge reduziert wird (der "Auserwählte" wählt dann entweder das Licht oder die Dunkelheit usw.).
Eine andere Form der Vorherbestimmung hat mit dem System der Erbmonarchie zu tun, die für die meisten Leser standardmäßig mit Fantasy verknüpft zu sein scheint, weil sie eben im Mittelalter gängige Praxis war. Wenn man also will, dass der eigene Held am Ende der Handlung der Herrscher über das Land ist, dann geht das im Rahmen der Gesetze der Fantasywelt üblicherweise nur, indem man überraschend enthüllt, dass er ein verlorener Nachfahre des einstigen Königs ist. Vom Herrn der Ringe über das Schwert der Wahrheit bis hin zu Game of Thrones wird dieser Trick angewandt, und ich frage mich jedes Mal: Kann das Volk nicht auch einfach mal nach dem großen, epischen Krieg sagen: "Person XY hat sich als guter Anführer erwiesen, den/die wählen wir jetzt zu unserem neuen Herrscher"? Dann hätte man als Leser das Gefühl: "Der herrscht jetzt, weil er es sich verdient hat" - und nicht, weil es ja doch wieder von Anfang an vorherbestimmt war .
Das alte System wird ja sowieso oft über den Haufen geworfen bei den ganzen Konflikten, die in Fantasygeschichten üblich sind. Warum also einfach nur einen neuen König einsetzen, der dann genauso wieder von seiner Macht Korrumpiert werden kann (und wenn nicht er, dann einer seiner Nachfahren)?
Die für mich unbefriedigendste Form ist jedoch eine Abwandlung von dem Ganzen, die ich mal als den "Prince of Persia"-Trick bezeichne: Am Ende der Handlung findet eine Zeitreise oder ein Zurückdrehen der Zeit statt und irgendein kleines Detail wird geändert, sodass die gesamte oder ein beträchtlicher Teil der Handlung eigentlich nie stattgefunden hat. Das sorgt zwar kurzfristig stets für einen super-unvorhergesehenen "WTF?"-Moment, ist aber im Endeffekt nur eine Form von Deus ex machina, die davon ausgeht, dass deterministisch alles anders (=in dem Fall meist zum Positiven) verlaufen wird, wenn man nur dieses eine kleine Detail ändert.
Wenn man dann aber mal drüber nachdenkt, wie oft man so etwas schon gesehen hat, fällt einem auf, dass dieser Kniff gar nicht so ungewöhnlich ist:
Prince of Persia, Butterfly Effect, der Film zu Wächter des Tages (hier wird sogar auch noch die Handlung vom ersten Teil gleich mit zurückgedreht), das Finale beider Staffeln von "Legend of the Seeker" (=Fernsehadaption vom "Schwert der Wahrheit), Donny Darkow...
In meiner Geschichte hatte ich deshalb eine kleine Abwandlung vor, fürchte jedoch, dass diese immer noch als Determinismus aufgefasst werden könnte, obwohl es eigentlich nur um Wahrscheinlichkeiten geht (=Probabilismus?).
Ob ihr nun meine Ausführungen aus dem Spoiler gelesen habt oder nicht: Was haltet ihr von der Idee eines Laplace'schen Dämons als Teil der Handlung, also einem Wesen, dass in der Lage ist, zukünftige Ereignisse zu berechnen, anstatt sie nur im ominösen, mehrdeutigen Prophezeiungen vorherzusagen? Seht ihr da einen nennenswerten Unterschied zum klassischen Prophezeiungs-Klischee? Und glaubt ihr, dem Leser wird solch ein Unterschied bewusst?
Oder führt es eher zu der eingangs beschriebenen Frustration, dass es am Ende wirkt, als ob die Handlung rückwirkend für maßgeblich von Anfang an vorherbestimmt erklärt würde?
Manchmal werden Sachen ja einfach nur schlecht, weil man sie zu oft gehört hat, und wenn dann eine Zeit lang genug Autoren die Finger von ihr lassen, kann man sie später wieder aus dem Schrank holen. Mit der ganzen Vorherbestimmung habe ich aber noch ein anderes, generelles Problem: Die Art und Weise, auf die das zu 90% der Zeit gemacht wird, lässt die Entscheidungen der betroffenen Charaktere plötzlich nichtig wirken. Es fällt schlagartig deutlich schwieriger, mitzufiebern, wenn einem Orakel XY gesagt hat, dass ja sowieso alles vorherbestimmt ist oder maximal auf zwei mögliche Ausgänge reduziert wird (der "Auserwählte" wählt dann entweder das Licht oder die Dunkelheit usw.).
Eine andere Form der Vorherbestimmung hat mit dem System der Erbmonarchie zu tun, die für die meisten Leser standardmäßig mit Fantasy verknüpft zu sein scheint, weil sie eben im Mittelalter gängige Praxis war. Wenn man also will, dass der eigene Held am Ende der Handlung der Herrscher über das Land ist, dann geht das im Rahmen der Gesetze der Fantasywelt üblicherweise nur, indem man überraschend enthüllt, dass er ein verlorener Nachfahre des einstigen Königs ist. Vom Herrn der Ringe über das Schwert der Wahrheit bis hin zu Game of Thrones wird dieser Trick angewandt, und ich frage mich jedes Mal: Kann das Volk nicht auch einfach mal nach dem großen, epischen Krieg sagen: "Person XY hat sich als guter Anführer erwiesen, den/die wählen wir jetzt zu unserem neuen Herrscher"? Dann hätte man als Leser das Gefühl: "Der herrscht jetzt, weil er es sich verdient hat" - und nicht, weil es ja doch wieder von Anfang an vorherbestimmt war .
Das alte System wird ja sowieso oft über den Haufen geworfen bei den ganzen Konflikten, die in Fantasygeschichten üblich sind. Warum also einfach nur einen neuen König einsetzen, der dann genauso wieder von seiner Macht Korrumpiert werden kann (und wenn nicht er, dann einer seiner Nachfahren)?
Die für mich unbefriedigendste Form ist jedoch eine Abwandlung von dem Ganzen, die ich mal als den "Prince of Persia"-Trick bezeichne: Am Ende der Handlung findet eine Zeitreise oder ein Zurückdrehen der Zeit statt und irgendein kleines Detail wird geändert, sodass die gesamte oder ein beträchtlicher Teil der Handlung eigentlich nie stattgefunden hat. Das sorgt zwar kurzfristig stets für einen super-unvorhergesehenen "WTF?"-Moment, ist aber im Endeffekt nur eine Form von Deus ex machina, die davon ausgeht, dass deterministisch alles anders (=in dem Fall meist zum Positiven) verlaufen wird, wenn man nur dieses eine kleine Detail ändert.
Wenn man dann aber mal drüber nachdenkt, wie oft man so etwas schon gesehen hat, fällt einem auf, dass dieser Kniff gar nicht so ungewöhnlich ist:
Prince of Persia, Butterfly Effect, der Film zu Wächter des Tages (hier wird sogar auch noch die Handlung vom ersten Teil gleich mit zurückgedreht), das Finale beider Staffeln von "Legend of the Seeker" (=Fernsehadaption vom "Schwert der Wahrheit), Donny Darkow...
In meiner Geschichte hatte ich deshalb eine kleine Abwandlung vor, fürchte jedoch, dass diese immer noch als Determinismus aufgefasst werden könnte, obwohl es eigentlich nur um Wahrscheinlichkeiten geht (=Probabilismus?).
- Spoiler:
- In der ursprünglichen Fassung, die ich ja noch als Teenager geschrieben hatte, hatte ich einen Drachen die Heimatstadt des Protagonisten in Schutt und Asche legen lassen, im Prinzip einfach nur, um diesen "in Bewegung zu setzen" - es ist ja oft so, dass der Held nicht zurück nach Hause können darf, damit er überhaupt eine Motivation hat, seiner Mission nachzugehen. Die Story, die ich erzählen wollte, hatte mit diesem Drachen jedoch nur bedingt zu tun; ich habe das mehr so behandelt wie eine Naturkatastrophe. Der Angriff war damit quasi nur ein "MacGuffin" : Ein Weg, um die Handlung in Gang zu bringen.
Die eigentlichen Gegner der Geschichte waren andere, und sie hatten auch nicht so viel miteinander zu tun - ein untoter Zauberer, ein Eisdrache, ein wahnsinnig gewordener Druide... eigenständige Gefahren für sich, es gab keinen dem Klischee entsprechenden allgemeinen "Oberbösewicht".
Wenn man dann jedoch älter wird und einem menschlich nachvollziehbare Motivationen für seine Charaktere wichtig werden, wird einem relativ schnell klar, dass der Protagonist sich wahrscheinlich an dem Drachen wird rächen wollen, also Jagd auf ihn macht. Das wird nach der Zerstörung seiner Heimat sein oberstes Ziel sein, in die anderen Konflikte wird er dann mehr so zufällig mit hineingezogen, durch die Umstände und durch die Allianzen, die er schließt.
Da ich aber nach wie vor keine Geschichte über eine Drachenjagd erzählen wollte, sondern primär über diese anderen Feinde, habe ich zunächst einmal begonnen, das Motiv / die Rechtfertigung von Rache generell in der Geschichte infrage stellen zu lassen - zum Beispiel durch die elfische Angebetete des Protagonisten. Die üblichen Argumente sind ja "Es bringt die Verstorbenen nicht zurück" und "Es setzt nur eine weitere Gewaltspirale in Gang". Es schien also plausibel, dass er sein selbstgewähltes Vorhaben, diesen Drachen zu töten, irgendwann ihr zuliebe aufgibt - und die Moral wäre demnach eben gewesen, dass man üblicherweise im realen Leben oft nicht beides haben kann: eine große persönliche Queste und ein Familienleben.
Blieb aber noch zu klären, warum der Drache denn nun die Stadt angegriffen hat - denn meistens sind die Biester ja mindestens so intelligent wie Menschen. Wenn sie zumindest schon reden können, dann ist es wenig glaubhaft, ihn wie ein Raubtier darzustellen, denn dann hätte das Konzept der Rache auch keinen Sinn, wenn dieses Wesen nicht eigenständig denkt und handelt - es hätte dann ja keine Schuld.
Die ursprüngliche Erklärung hierfür war, dass des Protagonisten bester Freund, der von Geburt an gewisse magische Fähigkeiten hat, ein menschlicher Nachfahre des Erzrivalen dieses Drachen war, und der Drache ihn unschädlich machen wollte, ehe er zu mächtig wurde und es mit ihm würde aufnehmen können. Das ist auch jetzt noch die Erklärung, die der Drache dem Protagonisten für sein Handeln gibt, als sie sich dann mal persönlich treffen.
Der Drache ist also jetzt ein roter Faden, der sich durch die drei Teile zieht, hat aber bislang mit den Handlungen der anderen Antagonisten immer noch nur bedingt zu tun. Nun hatte ich folgende Idee, um aus dieser Zwickmühle herauszukommen, und die schlägt die Brücke zum Thema:
Am Ende, nach dem Kampf gegen den eigentlichen Bösewicht (den untoten Zauberer, der ein untotes Dasein für die gesamte Welt als besseren Zustand betrachtet), kommt heraus, dass der Drache letztendlich gute Absichten hatte - er ist schließlich eine Lebensform wie jede andere auch und kämpft genauso ums Überleben, wird sich also mit einer Existenz als Untoter nur bedingt anfreunden können. Er steht also mit auf der Seite der Lebenden gegen die Toten und hat, wann immer er in die Handlung eingegriffen hat, gezielt darauf hingewirkt, dass der finale Kampf gegen den untoten Magier Erfolg haben würde.
Da ich aber nicht einfach dem Drachen hellseherische Fähigkeiten geben oder einen Prophezeiungs-Joker aus dem Hut zaubern will, lasse ich ihn eine riesige Rechnung an verketteten Wahrscheinlichkeiten aufstellen, welche Ereignisse wozu führen würden - inklusive von menschlichen Motivationen und äußeren Einflussfaktoren, die diese verändern. Diese Vorausberechnung finden die Charaktere am Ende und verstehen dadurch seine Motivation.
Der Drache ist damit quasi eine Art schwächerer Laplace'scher Dämon, der die Zukunft zwar nicht deterministisch vorhersagen, aber den wahrscheinlichsten Pfad zum von ihm gewünschten Ergebnis auswählen kann.
So kommt er zu dem Schluss, dass insgesamt die wenigsten Menschenleben verloren gehen, selbst wenn er die Heimatstadt des Protagonisten zerstört - dies ist schließlich nötig, um diesen in Bewegung zu setzen und ihm eine Motivation für sein Handeln während der Geschichte zu geben, sodass er am Ende zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Der Drache begreift damit quasi selbst, dass die Zerstörung der Heimatstadt des Helden ein MacGuffin ist, und setzt ihn genau zu diesem Zweck ein.
Indem ich also einen Drachen die Zukunft "berechnen" und auf Basis dieser Wahrscheinlichkeitsrechnung handeln lasse, tue ich mehrere Dinge:
1) Ich illustriere die Drachen oft attestierte übermenschliche Intelligenz anschaulich, indem ich klar mache, in welchen gewaltigen Dimensionen dieses Wesen denken kann.
2) Ich habe eine im Vergleich zu der alten Prophezeiungskeule verhältnismäßig "wissenschaftliche" Basis.
3) Es ist ein Verweis auf das Gedankenexperiment des Laplace'schen Dämons - für alle, die sich gerne gebildet vorkommen wollen .
4) Die Idee zum "MacGuffin" im Sinne eines Handlungstricks um seiner selbst willen parodiert sich quasi selbst.
5) Es ist kein kompletter Determinismus, denn die Berechnung basiert nur auf Wahrscheinlichkeiten - es gibt mehrere Stellen, an denen sie schief gehen kann, und auch einige Ereignispfade, bei denen der Protagonist vermeintlich "Erfolg" hat und den Drachen tötet - was dann jedoch katastrophale Konsequenzen für ihn selbst hat.
6) Der Drache steht letztendlich doch auf der Seite der "Guten", was ein verdammt harter und überraschender Plot Twist ist - und gleichzeitig dem Protagonisten einen Grund gibt, seine Suche nach Rache an ihm aufzugeben, weil er weiß, dass die Welt, inklusive ihm selbst, im Prinzip seinem vermeintlichen Erzfeind ihr Überleben verdankt.
7) Gleichzeitig hängt der gute Ausgang der Geschichte doch maßgeblich vom Protagonisten selbst und seinen Gefährten ab. Der Drache bildet lediglich die Rahmenhandlung; er ist derjenige, der alles in Gang gesetzt, jedoch selbst kaum eingegriffen hat.
Zu abgedreht? Zu deterministisch? Oder zu sehr "Deus ex machina", obwohl der Drache kaum eingreift?
Ob ihr nun meine Ausführungen aus dem Spoiler gelesen habt oder nicht: Was haltet ihr von der Idee eines Laplace'schen Dämons als Teil der Handlung, also einem Wesen, dass in der Lage ist, zukünftige Ereignisse zu berechnen, anstatt sie nur im ominösen, mehrdeutigen Prophezeiungen vorherzusagen? Seht ihr da einen nennenswerten Unterschied zum klassischen Prophezeiungs-Klischee? Und glaubt ihr, dem Leser wird solch ein Unterschied bewusst?
Oder führt es eher zu der eingangs beschriebenen Frustration, dass es am Ende wirkt, als ob die Handlung rückwirkend für maßgeblich von Anfang an vorherbestimmt erklärt würde?