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    Beitrag von Incendium So Jan 10, 2016 8:51 pm

    Er hatte davon gehört, aber selbst seine kühnsten Vorstellungen konnten sich nicht mit den Ausmaßen dieser Stadt messen. Selbst wenn man alle Finger der Bewohner seines Heimatdorfes zusammenzählen würde, würde man sicher noch nicht auf die Anzahl der Häuser der Stadt kommen. Heimat... Ardian hätte nicht gedacht, dass er den Hof seines Herren und die umliegenden Ländereien jemals als wahre Heimat bezeichnen würde. Er wusste zwar, dass er nirgends willkommen, höchstens geduldet war, aber inmitten dieser Menschenmassen fühlte er sich noch verlorener. Durchweg hatte er das Gefühl, die hohen Steinfassaden der Häuser würden immer näher und näher rücken und ihn letztlich zerquetschen, und falls dies nicht passierte, so würde er bestimmt an der viel zu dicken Luft ersticken. Die Bilder, von Städten, die er in den Büchern gesehen hatte, fand er schöner.
    »He du, pass doh auf!« Ardian hatte nicht gemerkt, dass sein Vormann abrupt zum Stehen kam und war unsampft gegen ihn gerempelt.
    »Entschuldigung, Herr«, antwortete er heiser und kaum hörbar und zog seine Kapuze noch tiefer ins Gesicht. Unter keinen Umständen durften die Leute seine zwei verschiedenen Augenfarben erkennen, sonst gab es Ärger. Sein Herr hatte ihm immer erzählt, dass die Inquisition solche wie ihn verbrannten, wenn sie sie schnappten. Er wollte nicht verbrannt werden.
    »Ach, steck' dir deine Entschuldigung doch sonst wo hin!«
    Ardians Finger krallten sich noch fester um den Brief in seinen Händen. Er war sein Anker in einem Meer aus Feindseligkeit, er trug das Siegel seines Herrn und war seine Genehmigung hier zu sein.
    »Den bringst du dem Metzger an der Hauptstraße. Du erkennst sein Haus an der blutroten Fassade, und jetzt mach, dass du wegkommst!«, hatte sein Herr ihm aufgetragen. Ardian musste oft Botengänge für ihn erledigen. Er vermutete, dass es damit zusammenhing, dass er die Nachrichten nicht heimlich lesen konnte; Schriftzeichen waren für ihn nämlich nur fremde Symbole ohne Sinn und Zusammenhang. Sein Herr vertraute nicht vielen Leuten.
    Aber so weit war Ardian noch nie gereist.
    Hier war einfach alles anders. Die Menschen hier waren anders. Sie trugen andere Sachen, sprachen anders. Einige stießen gar seltsame Laute aus, die Ardian üerhaupt nicht verstand, aber es wikte so, als hätten die Leute eine lebhafte Unterhaltung. Einige fragten ihn unverblümt nach Almosen, einfach so. Wie konnte man etwas verlangen, ohne dafür zu arbeiten? Und an beinahe jeder Ecke sah er zusammengesunkene Gestalten hustend im Dreck seitzen, die Gesichter von schwarzen Pocken übersäht. Im Dorf sagte man ihm, dass er und seinesgleichen dafür verantwortlich sei. Ardian wusste nicht genau, ob es nun Humbug war, oder ob er sich schämen sollte.
    »Ihr da! Was wäret ihr denn für ein Bürger, wenn ihr euch dieses Angebot auf dieses wundersame Zeitmessgerät entgehen lassen würdet? Kommt näher, kommt näher, es kostet euch - ganz exklusiv - auch nur 20 Dublonen - und ich sage Euch, das Angebot mache ich nicht jedem!«
    Verwundert drehte Ardian sich um. Dieser Mann dort, hatte ohne Zweifel ihn angesprochen - einfach so! Wiie sollte er denn nun reagieren? Er hielt ihm irgendein tickendes Ding baumelnd vor die Nase.
    »Was ist das?«
    »Das, mein lieber Herr, ist die Zukunft! Es vermag Euch zu sagen, ob es Tag, oder Nacht ist - und noch vieles mehr! Sehet doch nur diese feingliedrige Mechanik! Für Euch nur 15 Dublonen!«
    15 Dublonen hatte Ardian in seinem ganzen Leben nicht gesehen. Solch eine Unsumme könnte wahrscheinlich nicht einmmal sein Herr bezahlen und Ardian selbst hatte gar kein Geld bei sich. Man hatte ihm verboten welches zu besitzen. Und von dem, was der Mann ihm so begeistert erzählte, verstand er überhaupt nichts, obwohl er verblüfft angesichts der Freundlichkeit des Mannes war. Er musste doch nur in den Himmel schauen und wusste, ob es Tag, oder Nacht war.
    Viel interessanter fand er einen kleinen Schatten hinter dem Käufer, der sich bei näherem Hinschauen als Mensch entpuppte. Durch die figurbetonte Kleidung ahnte er, dass es sich um ein Mädchen handeln musste. Unter ihrem Kapuzenmantel konnte er ihr Gesicht nicht erkennen, aber eine Haarsträhne fiel aus ihm heraus, in der Farbe des Nachthimmels! So etwas hatte Ardian noch nie gesehen.
    Aber halt! Was machte sie denn da? Leise nahm sie sich wertvoll aussehende Sachen, die ganz bestimmt dem netten Herren gehörten, und ließ sie unter ihrem Mantel verschwinden - sie stahl sie! Das würde mächtigen Ärger geben, falls sie erwischt wurde und plötzlich hatte Ardian das Bedürfnis das Mädchen vor ihrer Tat zu warnen.
    »Ein geheimnisvoller Abenteurer brachte mir dieses Stück und berichtete, er habe es von den sagenhaften Twergons erbeutet! Für Euch kostet es nur läppische 10 Dublonen!«
    Der nette Herr hatte sich schon jemand Anderem zugewendet, als er merkte, dass Ardian sich nicht mehr für ihn interessierte. Also schlich auch er um ihn herum und zischte in Richtung des Mädchens:
    »Hey, du da! Bist du wahnsinnig? Wenn man dich dabei entdeckt, dann wird man dich aufknüpfen!«
    Er wollte ihr das nächste Teil aus der Hand reißen, aber ihr Griff verhärtete sich und sie fuhr zu ihm herum.

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    Beitrag von Gotthelf So Jan 10, 2016 11:00 pm

    "Kauft diese wunderschönen Zeitmessgeräte", rief einer dieser Marktschreier schon wieder. "Messing, Bronze und Gold, all das gibt es hier bei mir, zu bezahlbaren Preisen!"
    Rose trat langsam aus dem Schatten des schmalen Gässchens und betrachtete den Stand des Händlers. Er hielt eine kleine Taschenuhr in der Hand und fuchtelte wie wild damit herum. Den aus Zahnrädern und Stahlfedern bestehenden Mechanismus könnte sie sehr gut gebrauchen, um ihre Werkzeuge zu verbessern. Der goldene Überzug bedeutete etwa eine Woche gutes Essen. Zudem würde sie nicht auf den Strich gehen müssen. Ein Blick auf die Ware des Mannes sagte ihr, dass heute ihr Glückstag war. Dutzende Taschenuhren lagen in einer Kiste neben dem Mann, dazu goldene Kettchen und Armreife, wie sie nur adelige Damen bei Hofe trugen. Sie könnten ihr vielleicht sogar passen.
    »Ihr da! Was wäret ihr denn für ein Bürger, wenn ihr euch dieses Angebot auf dieses wundersame Zeitmessgerät entgehen lassen würdet? Kommt näher, kommt näher, es kostet euch - ganz exklusiv - auch nur 20 Dublonen - und ich sage Euch, das Angebot mache ich nicht jedem!«
    Rose sah auf, doch der dicke Händler redete mit einem schmächtigen Jungen. Wie konnte man dem denn nur eine Uhr andrehen wollen? Klar, er war recht fein herausgeputzt, aber an seiner schüchternen Haltung und der tief ins Gesicht gezogenen Kapuze konnte man erkennen, dass es sich höchstens um einen Botenjungen eines feinen Herren halten konnte. Seltsam, irgendwie erinnerte dieses Kerlchen sie an sich selbst, als sie vor ein paar Jahren zum ersten Mal Lorell (diese Stadt) betreten hatte.
    Komm schon, die Ware stiehlt sich nicht von selbst!, sagte sie zu sich selbst und zwang sich, den Blick von dem merkwürdigen Jungen abzuwenden. Langsam beugte sie sich nach vorne und angelte einige Uhren aus der Kiste. Sie stand nun auf einem Bein, den Oberkörper parallel zum Boden, was immense Konzentration erforderte. Eine falsche Bewegung, und sie würde stürzen.
    Der dicke Mann war gerade beschäftigt, anderen Kunden seine Ware aufzudrängen, er hatte nicht den Hauch einer Ahnung, dass er bald um ein halbes Vermögen erleichtert werden würde. Aber sicherlich musste er nicht Hunger leiden, wie dessen Statur zu entnehmen war. Er würde den Diebstahl bemerken, mit den Schultern zucken und weiter verkaufen, so wie es die meisten Händler in Lorell taten, die Diebe nicht selbst fassten oder eigens dafür Leute einstellten.
    Gerade als sie ihre Beute in einen kleinen ledernen Beutel stecken wollte, ergriff jemand ihr Handgelenk. Einen Moment lang blieb ihr Herz stehen, sie dachte, es sei der Krämer.
    »Hey, du da! Bist du wahnsinnig? Wenn man dich dabei entdeckt, dann wird man dich aufknüpfen!«
    Aber es war nur der Junge, den sie zuvor auf der Straße bemerkt hatte. Sie fuhr zu ihm herum und blickte in ein paar verschiedenfarbiger Augen. Ihr erster Instinkt riet ihr, den Jungen von sich zu stoßen, es konnte nur schaden, einen Unheilsbringer anzufassen. Aber er war nur ein Außenseiter, so wie sie. Die Menschen erzählten doch ähnliches über die Elfen. Sie wollte gerade etwas erwidern, als er ihr das Säckchen samt Beute aus der Hand riss. Durch diese plötzliche Bewegung verlor Rose jedoch die Balance und stürzte, genau auf den Händler. Dieser kippte auf den Tresen, wodurch sein gesamter Stand in sich zusammenfiel.
    Oh nein, dachte Rose. Das gibt Ärger.


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    Beitrag von Incendium Mo Jan 11, 2016 7:27 pm

    »Was im Namen der sieben Götter...?«, wutentbrannt rappelte sich der Verkäufer auf und stieß dabei das Mädchen von sich, das auf ihn gefallen war. Ardian schämte sich zutiefst. Der Mann war einer der Wenigen gewesen, die überhaupt nett zu ihm waren und nun hatte er alles zerstört, indem er ihn und das Mädchen vor Schaden bewahren wollte.
    Der Verkäufer fasste sich mit den Händen an den Kopf, als er sich des Ausmaßes der Zerstörung bewusst wurde: Einige dieser tickenden kemanischen Gerätschaften, oder wie der Mann sie nannte, lagen zwischen den Trümmern des Standes und waren teilweise in ihe Einzelteile zersprungen. Einige Menschen nutzten das entstandene Chaos und ließen das ein oder andere Teil in ihren Taschen verschwinden.
    »He, ihr da! Gebt mir das sofort zurück! Nein, nein, nein, bleibt bloß weg, das sind filigrane, zerbrechliche Artefakte!« Während der Verkäufer von der einen Ecke in die andere hüpfte und sich bestmöglich um Schadensbegrenzug kümmerte, indem er hastig versuchte die Teile schneller vom Boden aufzuklauben, als die gierigen Langfinger, wandte sich Ardian zu dem Mädchen um.
    »Ich wollte... Ich meine... Stehlen ist verboten.«, auf sein Gestotter hin bedachte sie ihn mit einem Blick, der nicht finsterer hätte sein können. Ardian machte sich klein und wollte vor Scham im Boden versinken. Nichts konnte er richtig machen!
    Da packte der ihn plötzlich etwas unsanft im Nacken. Es war der Verkäufer, der nun überhaupt nicht mehr nett aussah. Im selben Moment wurde Ardian bewusst, dass er immer noch das Säckchen mit dem Diebesgut in der Hand hielt. Das war nun also die Strafe für sein Versagen, er würde seine Hand verlieren, oder gar Schlimmeres, weil er ja verflucht war. Entschuldigend blickte er in Richtung der Diebin. Zu seiner Verwunderung blickte sie aber gar nicht mehr so zornig drein, sondern schien stattdessen mit sich selbst zu kämpfen.
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    Beitrag von Gotthelf Mo Jan 11, 2016 8:05 pm

    Zu ihrer großen Verwunderung schien der Händler sie überhaupt nicht bemerkt zu haben, obwohl sie auf ihn gefallen war. Stattdessen machte er sich daran, sein Eigentum zu verteidigen, über das die Passanten bereits herfielen wie Geier über einen Toten. Der Junge stand nur da, mit ihrem Beutel in der Hand, hielt ihn hoch, als wüsste er nicht, was er damit machen sollte. Er sah mit seinem verwirrten Gesichtsausdruck so idiotisch aus, dass Rose am liebsten losgelacht hätte. Aber immerhin hatte sie es ihm zu verdanken, dass sie wieder leer ausging. Sicherlich war es ihm egal, er kannte es ja nicht, tagein tagaus zu hungern oder auf Dächern zu schlafen.
    Sie stand auf und fegte den Staub von ihrer Kleidung, als der dicke Händler schnaubend herumfuhr und, ohne sie eines Blickes zu würdigen, den Jungen am Kragen packte.
    "Du warst das also!", schrie er außer sich vor Wut. "Weißt du, was mit Gaunern wie dir passiert? Weißt du es?"
    Mit diesen Worten holte er ein langes Messer unter seinem Tresen hervor und wedelte damit vor dem Gesicht des Jungen herum.
    "Dir werde ich Manieren beibringen", grummelte er.
    Der Junge blickte Rose an, als ob er sich bei ihr entschuldigen wollte. Aber wieso? Er hatte vielleicht unnötigerweise eingegriffen, aber er verdiente es nicht, bestraft zu werden. Warum sagte er nicht einfach die Wahrheit, um heil davonzukommen? Sie kannten sich nicht, sie waren sich nichts schuldig und er war im Recht.
    "Halt!"
    Aus der Menge löste sich ein hochgewachsener Mann, mit einem edlen Stock in der Linken und einem Hut in der Rechten. Seine feine Kleidung passte farblich zu der des Jungen.
    "Was geht hier vor?", fragte er in einem Tonfall, der kein Zögern duldete.


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    Beitrag von Incendium Mo Jan 11, 2016 9:33 pm

    Ardian lief es eiskalt den Rücken hinunter. Natürlich war es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sein Herr auf das ausgebrochene Durcheinander aufmerksam wurde.
    »Was geht hier vor?«, erkundigte er sich in donnerndem Ton.
    »Der dort!«, Der Verkäufer stieß Ardian ins Blickfeld seines Herrn. »Der wollte sich an meinen Taschenuhren bereichern - stehlen wollte er sie! Und das kurz nachdem ich ihm so ein preiswertes Angebot gemacht habe! Ich sollte ihm hier und jetzt die Finger einzeln abschneiden.« Seine letzten Worte stieß er bedrohlich hinter zusammengebissenen Zähnen hervor und Ardian spürte die kalte Klinge seine Rechte entlangfahren, mit der er den Beutel immer noch fest umschlossen hielt. Instinktiv versuchte der Junge sich aus dem eisernen Griff des Händlers zu winden - erfolglos.
    »Und dann war da noch diese ... Göre?« Der Händler wollte auf das Mädchen mit den dunkelblauen Haaren zeigen, musste aber verwundert feststellen, dass sie verschwunden war. Adian vermutete, dass sie sich aus dem Staub gemacht hatte. Es würde jedenfalls zu hinterlistigen Dieben passen, wie ihm immer erzählt wurde.
    »Ist das wahr?«, fragte sein Herr entgeistert, das entflohene Mädchen schien ihn nicht zu interessieren. Sein Gesicht nahm die Farbe einer überreifen Tomate an. Ardian wusste nicht was er sagen sollte. Sein Mund schloss und öffnete sich, aber es kam kein Ton aus seiner Kehle. Ohne sein Zutun wäre der Stand und die Ware des Verkäufers noch heile, aber eigentlich hatte er nichts stehlen wollen - im Gegenteil. Jedoch wurde ihm immer gesagt, dass petzen alles andere als tugendhaftes Verhalten war.
    Der Händler nahm ihm die Antwort ab: »Seht Ihr denn nicht den Beutel in seiner Rechten?! Ein Verfluchter ist er noch dazu, dem braucht es nichts mehr hinzuzufügen.« Der Verkäufer packte Ardians Hand und schnitt in seinen Zeigefinger.
    »Halt!«, brüllte sein Herr, bevor der Mann den Knochen des Jungen durchtrennen konnte. »Der Bursche gehört mir, er arbeitet für mich. Wenn Ihr ihm ein Leid antut, beschädigt Ihr somit mein Eigentum, das kann ich nicht zulassen.«
    »Na und? Was schert Euch dieser verdammte Hexenjunge? Er hat schließlich auch mein Eigentum beschädigt.«
    »Er... verrichtet seine Arbeit zuverlässig - und ist eine billige Aushilfe« Man konnte seinem Herren ansehen, wie schwer ihm das Gesagte über die Lippen ging.
    Während die Männer über eine mögliche Entschädigung diskutierten sah Ardian einen Schatten durch die Menge huschen, die einen Halbkreis um den zerstörten Stand gebildet und sie anstierten. War es das Mädchen? Sie hätte doch längst außer Gefahr sein können, wunderte Ardian sich.
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    Beitrag von Gotthelf Di Jan 12, 2016 9:04 am

    Dieser Junge war wirklich noch dümmer, als sie gedacht hatte. Da gab man ihm schon die Chance, sich zu erklären, was nicht gerade selbstverständlich war, und er öffnete und schloss den Mund wie ein Fisch an Land. Hatte er plötzlich das Sprechen verlernt? Bei aller Wut, die sie auf ihn hatte, musste Rose aber auch zugeben, dass er ungerecht bestraft wurde. Der Händler würde sicherlich bald zur Tat schreiten, wenn ihn nicht etwas davon abbrachte.
    Irgendetwas regte sich in ihr, ein Gefühl, das sie so noch nie gespürt hatte. Es war fast eine Art Mitleid mit dem hilflosen Jungen. Er konnte nicht wirklich etwas dafür, dass er in diese Situation geraten war, wahrscheinlich kannte er sich in Städten überhaupt nicht aus. Und der feine Herr redete über ihn wie über eine große Spinne, die man zwar verabscheute, aber brauchte, um andere Insekten zu fangen.
    Sie nahm einen kleinen Geldbeutel aus ihrer Tasche, den sie zuvor einem reichen Bürger abgenommen hatte, und wog ihn auf der Hand. Das müsste reichen, sagte sie zu sich. Dann trat sie entschlossen aus der Menge.
    "Wie viel verlangt Ihr, um ihn gehen zu lassen?", fragte sie den Händler.
    Die verwirrten Gesichter des Händlers, des Herrn und des Jungen drehten sich zu ihr.
    "Was?", fragte der Krämer verwirrt.
    "Ich bezahle dafür, dass Ihr ihn gehen lasst", sagte sie mit fester Stimme, ließ die Münzen im Geldbeutel klirren und schnürte beiläufig ihr Korsett ein wenig auf.


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    Beitrag von Incendium Mi Jan 13, 2016 6:40 pm

    Mit einem gierigen Funkeln in den Augen ließ der Händler die klimpernden Münzen von einer Hand in die andere gleiten. »Das ist genug, um den angerichteten Schaden auszugleichen und noch mehr! Nur ein Tor würde solch einen Handel nicht eingehen. Einen Verfluchten und ein Dieb zugleich für einen Sack voll Gold?! Nimm ihn und verschwindet von hier«, rief dieser aus und musste sich beherrschen vor Euphorie keine Luftsprünge zu machen. Ardian vermutete, dass das Mädchen den Beutel ebenfalls gestohlen hatte, denn woher sollte sie sonst so viel Gold besitzen? Doch das war dem Händler scheinbar egal.
    Die viel größere Frage, die sich ihm aufdrängte war, warum das Mädchen versuchte ihn frei zu kaufen? Wollte sie ihn in ihre Dienste stellen, wie sein Herr? Wahrscheinlich müsste er dann für sie Dinge stehlen. Auf diesen Gedanken machte sich ein ungutes Gefühl in seiner Magengegend breit. Er wollte niemanden bestehlen, damit würde er anderen doch schaden! Außerdem wusste er gar nicht, wie man richtig stahl.
    »Einen Moment, junge Dame.« Empört trat Ardians Herr einen Schritt vor und baute sich bedrohlich vor dem Mädchen auf. »Ihr scheint vergessen zu haben, dass sich dieser Taugenichts noch immer in meinem Besitz befindet!«
    Das Mädchen machte nicht den Einduck, als ob sie sich von Ardians Herrn einschüchtern ließ, aber insgeheim hoffte der Junge, sie würde einen Rückzieher machen. Diese Stadt machte ihm nämlich mittlerweile Angst. Er wollte nach Hause und das war nun mal in dem kleinen Dorf, am Waldrand, bei den Feldern seines Herrn.
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    Beitrag von Gotthelf Mi Jan 13, 2016 6:55 pm

    Zufrieden sah Rose dem Händler hinterher, während die Menge sich langsam auflöste. Sie war etwas überrascht, als sie den traurigen Gesichtsausdruck des Jungen sah, irgendwie hatte sie gehofft, er wäre zumindest dankbar, dass seine Finger noch an Ort und Stelle waren. Aber diesen Dienern konnte man es wohl nie recht machen.
    "Einen Moment, junge Dame! Ihr scheint vergessen zu haben, dass sich dieser Taugenichts noch immer in meinem Besitz befindet!"
    Fast wäre sie in den Herrn des Jungen hineingerannt. Sie trat einen Schritt zurück und betrachtete den Mann herablassend. Auch er schien nicht sehr erfreut darüber zu sein, dass sein Diener noch heil war. Was war nur los mit diesen feinen Herrschaften?
    "Dieser Junge befindet sich in niemandes Besitz", antwortete sie, um Gelassenheit bemüht. "Jeder ist Herr über sein eigenes Schickal und geht, wohin er gehen möchte. Falls es sein Wunsch ist, mit mir zu gehen, soll er das tun. Falls nicht, ist es mir gleich."
    Mit diesen Worten machte sie Anstalten, an dem Herrn vorbeizugehen.


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    Beitrag von Incendium Do Jan 14, 2016 2:19 pm

    »Jeder ist Herr über sein eigenes Schickal und geht, wohin er gehen möchte.«
    Die Worte hallten in Ardians Kopf wieder. Stimmte es, was das Mädchen mit den blauen Haaren sagte? Konnte er tatsächlich seinen eigenen Weg gehen? Er könnte in den Wald gehen, wann immer er mochte und die Tiere beobachten, er könnte lesen und schreiben lernen und seine geliebten Bücher selbst lesen! Schon öfter hatte er sich ausgemalt, wie es wäre, wenn er frei wäre, hatte sich innerlich aber immer für diese verbotenen Gedanken geschämt. Die Worte des Mädchens jedoch fachten das Feuer des Widerstands in ihm erneut an.
    Nachdenklich schaute er ihr hinterher. Es würde sich nichts ändern, wenn er für sie genauso arbeiten musste, wie für seinen Herren, aber immerhin hatte sie sich doch vorhin für hn eingesetzt, wie für einen echten Menschen, wägte er ab. Vielleicht würde sie ihn anders behandeln - besser behandeln...
    »Komm jetzt, du Nichtsnutz, ich werde den Brief selbst überbringen«, knurrte sein Herr und machte eine verlangende Geste. Ardian beeilte sich, den Brief aus seiner Tasche zu kramen und reichte ihm mit seiner verletzten Hand den blutverschmierten Umschlag.
    »Na wunderbar«, murmelte dieser sarkastisch, wollte den Jungen im Nacken packen und davonschieben.
    Ardian trat jedoch reflexartig einen Schritt zurück, sodass sein Herr ins Leere griff. Der Junge konnte sich diese impulsive Gebärde des Widerstands nicht richtig erklären, aber sie fühlte sich auch nicht falsch an. Sein Herz begann wild zu schlagen und sein Gesicht wurde heiß. Würde er nun einen Rückzieher machen, würde er womöglich nie wieder so eine Chance bekommen.
    Er machte auf dem Absatz kehrt, nahm seine Beine in die Hand und rannte so schnell er konnte. Sein Herr hatte den Stock nicht umsonst: Im Alter hatte er Probleme mit dem Gehen bekommen, so würde er den Jungen niemals einholen.
    Hastig wandte Ardian sich durch die Menschenmenge, bis er endlich wieder einen Blick auf seine Retterin erhaschen konnte. Es dauerte nicht lange, da hatte er sie eingeholt. »Entschuldige«, presste der Junge zwischen zwei Atemzügen hervor, »aber gilt das, was du vorhin gesagt hast, auch für Verfluchte?«
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    Beitrag von Gotthelf Do Jan 14, 2016 9:41 pm

    Ein wenig enttäuscht glitt Rose durch die Menge. Aber was hatte sie sich eigentlich dabei gedacht? Im Grunde war sie dem Jungen nichts schuldig, und hatte nun fast all ihre Ersparnisse verloren, was bedeutete, dass sie noch einmal auf Raubzug gehen musste. Und längere Raubzüge bedeuteten ein höheres Risiko, geschnappt zu werden. Auf diese Weise verreckt man in der Gosse, dachte sie. Indem man anderen hilft, statt auf sie einzutreten.
    Just in diesem Moment rannte jemand in sie hinein, kurz darauf hörte sie die Stimme des Jungen:
    "Entschuldige, aber gilt das, was du vorhin gesagt hast, auch für Verfluchte?"
    Rose war etwas erstaunt, als sie ihn sah, sie hatte nicht gedacht, dass er sich gegen die Sklaverei entschied, wo sie doch so viel Sicherheit bedeutete, beschloss jedoch, diese Entscheidung nicht zu kommentieren. Der Junge würde sich noch früh genug in die Knechtschaft zurücksehnen, wenn er einmal den bitteren Geschmack der Freiheit kennengelernt hat.
    "Du bist kein Verfluchter, das ist nur abergläubischer Unsinn", stellte sie klar. "Jeder kann Herr über sich selbst sein, sofern er die Kraft und den Willen hat, sich durchzusetzen. Aber die Freiheit ist ein ewiger Kampf, denn ständig werden Menschen versuchen, sie dir zu nehmen, wenn du nicht aufpasst."
    Sie merkte, dass er eigentlich viel größer als sie wäre, wenn er denn nur aufrecht gehen würde, aber er zog den Kopf ein, als glaubte er, es machte ihn unsichtbar. Auch entging ihr nicht, dass er sich Schutz suchend an sie schmiegte, was sie auf merkwürdige Art anwiderte. Sie konnte es sich nicht leisten, ihn mitzunehmen und ich durchzufüttern, aber das würde sie ihm noch früh genug erklären können.
    "Komm, wir müssen deine Hand versorgen, sonst wird das ziemlich hässlich."


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    Beitrag von Incendium Fr Jan 15, 2016 3:24 pm

    Das Mädchen hatte ihm aufgetragen in einer dunklen Seitenstraße zu warten, bis sie Verbandszeug geholt hatte. Selten verirrte sich eine Gestalt hier hin und es war im Gegensatz zu den überfüllten Hauptstraßen eigenartig ruhig.
    Jetzt, nachdem die größte Aufregung seiner Flucht verflogen war, spürte Ardian auch den Schmerz, der von seiner Wunde herrührte. Mit jedem Herzschlag schien seine Hand an- und wieder abzuschwellen, es war ein seltsames Gefühl.
    Ein weiteres seltsames Gefühl spielte sich in seinem Kopf ab. Binnen weniger Augenblicke hatte er sich gegen alles entschieden, das er kannte, hatte sein Leben hinter sich gelassen, um ein neues zu beginnen. Er wollte frei sein, wie das Mädchen es gesagt hatte. Aber bereits jetzt schlichen sich Zweifel ein, ob er die nötige Willenskraft dazu aufbringen konnte, wie sie gesagt hatte.
    Bis jetzt fühlte sich frei zu sein jedenfalls nicht sehr gut an. In dieser feuchten Gasse war die Luft noch schlechter und ihm war kalt. Er sehnte sich nach seiner Ruine im Wald, die im Moment unerreichbar erschien.
    Plötzlich trat seine Retterin aus den Schatten, er hatte sie nicht kommen hören. Wortlos verlangte sie mit einer Geste, dass er seine Hand ausstreckte und machte sich daran sie zu verbinden. Dabei wickelte sie einige Kräuter in den Verband mit ein, die seine Wunde unangenehm brennen ließen.
    Auch, wenn es ihr nichts auszumachen schien, war Ardian die Stille unangenehm. Er zupfte den Stoff an seinem Ärmel und immer wenn sich ihre Blicke tafen, schaute er hastig in eine andere Richtung.
    Als sie fertig war, mit seiner Hand entrang er sich ein leises »Danke«, fühlte sich aber genötigt, noch etwas dranzuhängen. »Wie heißt du eigentlich?«
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    Beitrag von Gotthelf Fr Jan 15, 2016 4:39 pm

    "Man nennt mich Rose", antwortete Rose, ein wenig misstrauisch, da sie sich nicht sicher war, ob sie sich dem Jungen so schnell anvertrauen sollte. Immerhin kannten sie sich gerade erst seit ein paar Minuten.
    "Wie nennt man dich?"
    Fügte sie hinzu, mehr aus Höflichkeit, als aus Interesse.
    Die ständigen verstohlenen Blicke, die er ihr zuwarf, entgingen ihr nicht. Jedes Mal, wenn sie aufsah, schaute er jedoch in eine andere Richtung, als fürchtete er, sie könnte etwas aus seinen Augen herauslesen. Was dachte er sich wohl in diesem Moment? Immerhin befand er sich in einem Alter, in dem Frauen einem richtig den Kopf verdrehen konnten. Auf der anderen Seite entdeckte er gerade neue Welten und war sicherlich sehr verwirrt.
    "Komm, wir müssen dir etwas Kleidung besorgen", sagte sie, als sie sah, dass er zitterte. "Hier in der Nähe gibt es einen Unterschlupf, den ich manchmal benutze"


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    Beitrag von Incendium Sa Jan 16, 2016 12:45 pm

    »Rose.« Er widerholte den Namen langsam, fast vorsichtig, wie ein Fremdwort, an das es sich zu gewöhnen galt.
    Ardian schaute an sich herab. Seine Kleidung bestand schon immer aus umgenähten Getreidesäcken, mehr konnte, oder wollte sein Herr sich nicht für ihn leisten. Er erinnerte sich daran, wie Lilia deshalb öfter protestiert hatte , weil er sich so nur noch größeren Spott der anderen Dorfbewohner zuziehen würde, aber sein Herr war stur geblieben. Der Gedanke an sie ließ ihm Tränen in die Augen schießen. Inzwischen war sie genauso abweisend geworden, wie jeder andere auch.
    »Ja, ein wenig Kleidung wäre schön... Rose«, stotterte er. »Ich heiße Ardian.«
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    Beitrag von Gotthelf Sa Jan 16, 2016 2:34 pm

    Hmm, Ardian, ein merkwürdiger Name, dachte Rose. Da war jemand sehr kreativ.
    Aus irgendeinem Grund stimmte sie das traurig. Niemand hatte sich auch nur die Mühe gegeben, sich einen Namen für sie auszudenken. So hatte sie noch nie darüber gedacht. Aber es war viel zu spät, darüber nachzusinnen.
    "Komm mit, Ardian", sagte sie und eilte voraus.
    Auch wenn sie sich bemühte, ihn mithalten zu lassen, geriet der Junge ziemlich schnell außer Atem und hielt sich kaum noch auf den Beinen, als sie eine halb abgebrannte Ruine erreichten. Rose führte ihn über eine verräterisch knarrende Treppe  in den ersten Stock in ein Zimmer und zeigte ihm einen Schrank.
    "Bedien dich", meinte sie und legte ihren Mantel ab. "Es ist nicht viel Auswahl, aber vielleicht passt es ja."


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    Beitrag von Incendium So Jan 17, 2016 10:44 pm

    Die Ärmel des Hemds rutschten dauernd über seine Hände und sie mussten ein zusätzliches Loch in den Gürtel stechen, damit die Hose einigermaßen saß, aber die Kleidung erfüllte ihren Zweck: Zusammen mit einem Paar überrschend gut passender Stiefel und einem schweren Fellmantel sah Ardian nicht schlimmer aus, wie der Rest der Bürger dieser Stadt, und ihm war warm. Das Tragen echter Kleidung fühlte sich seltsam an, doch es freute ihn. Es war wie ein symbolischer Schritt in die Freiheit, als er seine alten Lumpen abgelegt hatte.
    »Und hier wohnst du?«, fragte er.
    Rose versuchte keine große Regung zu zeigen, aber aus ihren Augen las er Bitterkeit und Trauer und schon tat es ihm Leid, so unverblümt gefragt zu haben. Er hätte sich denken können, das niemand freiwillig in einer Ruine leben wollte. »Wie geht es jetzt weiter?« Setzte er schnell nach, um vom Thema abzulenken.
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    Beitrag von Gotthelf So Jan 17, 2016 11:06 pm

    »Und hier wohnst du?«
    Diese Frage erfüllte sie mit einer seltsamen Leere. Vielleicht war es Verbitterung, weil sie eingestehen musste, dass sie es nicht sehr weit gebracht hatte. Auf der anderen Seite, sie war am Leben und sie war frei, sie brauchte keine teuren Sachen, um zufrieden zu sein.
    »Wie geht es jetzt weiter?«, fuhr Ardian hastig fort.
    Rose musterte den Jungen. Für diese Jahreszeit war er ungewöhnlich warm gekleidet, in ihrem schulterfreien Outfit fühlte sie sich im Gegensatz dazu fast nackt. Noch dazu war der Pelzmantel sehr unpraktisch, doch sie beschloss, Ardians Wahl nicht in Frage zu stellen.
    "Jetzt musst du lernen, zu überleben", antwortete sie. "Dazu musst du zunächst in der Lage sein, an Essen, beziehungsweise an Geld zu kommen. Du kannst es entweder stehlen, oder dafür arbeiten."


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    Beitrag von Incendium So Jan 24, 2016 3:24 pm

    Stehlen kam für Ardian nach wie vor nicht in Frage. Jeder dachte von ihm und Seinesgleichen, dass er Krankheiten und Unglück brachte und dass er ein unaufrichtiger Mensch sei. Wenn er nun begann, ein Leben im Schatten zu führen, würde er genau zu dem werden, wovon er sich lösen wollte. Er wollte sein Geld ehrlich verdienen und einen Platz in der Gesellschaft einnehmen. Es war an ihm den Menschen zu zeigen, dass er zu ihnen gehörte.
    Der Junge schaute aus dem glaslosen Fenster und erblickte die Türme der Burg, die weit über die Häuserdächer der Stadt hinausragten. »Wie komme ich da rein?«, fragte er Rose und wies auf die Burg.
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    Beitrag von Gotthelf So Jan 24, 2016 8:18 pm

    Auch wenn es eine schwierige Entscheidung war, vor die sie den Jungen stellte, hoffte sie ein wenig, dass er sich für das Stehlen entscheiden würde. An seinen Gesichtszügen las sie jedoch anderes ab. Wie konnte er nur so naiv sein! Er wollte Teil der Gesellschaft sein und sah nicht, dass die Gesellschaft ihn nie akzeptieren würde, egal was er tat. Man brauchte immer einen Sündenbock, und andere Rassen und Verfluchte eigneten sich sehr gut dazu. Nur wer würde einen Sündenbock gerne in der Gesellschaft haben? Ardian war durch sein Aussehen dazu verdammt, sein Dasein am Rande des System zu fristen, genau wie sie.
    »Wie komme ich da rein?«, fragte der Junge plötzlich und wies auf die Burg.
    "Dahin willst du?" Rose lachte. Dann wurde sie wieder ernst, als sie sich an ihre Zeit in der Zitadelle erinnerte. "Dorthin gelangst du nur, wenn dich die Wachen ins Verließ werfen. Glaub mir" Fügte sie hinzu.
    Sie konnte es ihm nicht verübeln, schließlich hatte sie auch einmal solche Träume. Und dafür hatte sie bezahlt.


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    Beitrag von Incendium So Jan 31, 2016 4:08 pm

    Ardian schaute sie misstrauisch an. In den Büchern stand, dass die Ritter jeden ehrhaften Bürger erhörten und Ritter lebten nunmal in den Burgen. Warum sollten sie sein Gesuch ablehnen? Sie folgten schließlich dem Pfand der Tugend. Lügte Rose ihn an? Wollte sie ihn genauso für sich beanspruchen, wie sein ehemaliger Herr? Sie würde sicherlich von ihm wollen, dass er für sie stahl, aber das konnte sie vergessen. »Ich will zu den Rittern«, hob er an. »Ich will einer von ihnen werden und für Recht und Ordnung kämpfen. In meinen Büchern steht, dass jeder freie Mensch das Recht dazu habe, den Pfad der Gerechtigkeit einzuschalgen und die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Nun bin ich frei und ich habe mich dazu entschlossen diesen Weg zu gehen.«
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    Beitrag von Gotthelf So Jan 31, 2016 4:49 pm

    Aus seinem misstrauischen Blick las sie heraus, dass er ihr nicht glaubte. Eigentlich wollte sie über seine Naivität lachen, doch sein Wunsch ließ sie wieder ernst werden.
    "Sieh mal, welchen Grund hätte ich denn, dir die Wahrheit vorzuenthalten? Ich will dich nicht desillusionieren, aber in dieser Burg leben nur Halsabschneider und Betrüger. Wenn es einmal Ritter gab, von denen du erzählst, sind sie schon lange ausgestorben."
    Rose merkte jedoch, dass Ardian immer noch nicht auf sie hören wollte. Jeglicher Logik zum Trotz.
    "Also gut", sie seufzte. "Ich kann dich zur Burg bringen, jetzt gleich, wenn du willst. Aber sobald du reinkommst, trennen sich unsere Wege und du bist auf dich allein gestellt."


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