@Incendium: Danke für den Link! Ich kannte bislang von den genannten nur Jenna Moreci, deshalb wundert es mich nicht, dass sie auf Platz 1 steht. Overly Sarcastic Productions wären auch noch zu nennen, die stehen aber nicht auf der Liste.
Ob das jedoch eine "Gegenbewegung gegen unsicheres Auftreten beim Vermarkten des eigenen Buches" ist, steht auf einem anderen Blatt
.
Jenna etwa bezeichnet sich selbst als introvertiert ("who hates people"), mit einer Kamera zu reden und vor dieser selbstbewusst aufzutreten fällt da oft leichter, als das gleiche vor anderen Menschen zu tun. Natürlich gibt YouTube Leuten wie ihr eine Möglichkeit, die eigenen Bücher unabhängig von Verlägen und Rezensenten zu vermarkten - sie gibt viele nützliche Tipps, die stets den Eindruck machen, dass sie weiß, was sie da erzählt, und viele animiert das dann sicherlich auch, mal etwas von ihr lesen zu wollen.
Mir gefällt ihr Kanal vor allem deshalb, weil er lehrreich und unterhaltsam zugleich ist. Ähnlich wie bei Jürgen Becker kenne ich zwar mittlerweile das Muster und kann auch die Zeitpunkte in bisschen vorhersagen, an dem sie einen Gag einbauen wird, aber trotzdem ist sie lustiger als selbst ein Großteil jener YouTube-Kanäle, die sich selbst als Comedy bezeichnen und so etwas dann auch noch hauptberuflich machen. Sie haut ihre flapsigen Sprüche einfach so nebenher raus, während sie einem eigentlich noch etwas beibringt - und weil man sich Dinge, die mit Emotionen verbunden sind, besser merken kann, bleibt das Gelernte natürlich dank des Jokes auch besser hängen
Bei Comedians sind Frauen ja bekanntlich auch in der Unterzahl
- man könnte munkeln, damit hängt die unterschiedliche Bedeutung zusammen, wenn Menschen beider Geschlechter sagen, sie wünschen sich einen Partner mit Humor (bei Frauen heißt das meist "ein Mann, der mich zum Lachen bringt"; bei Männern "eine Frau, die über meine Witze lacht"
Mit anderen Worten, beiden ist klar, wer öfters den Clown gibt!).
Incendium schrieb:
Wenn sich nun Frauen mehr zu ihrem Gender hingezogen fühlen, warum schlägt sich dass dann auch nicht im Rezensionsverhalten nieder?
Ich schätze, damit beziehst du dich auf diesen Satz von Alandra?
Alandra Ossenberg schrieb:Selbst RezensentINNEN würden im Verhältnis mehr Bücher von Männern rezensieren als von Frauen, wenn auch in geringerem Umfang.
Das "in geringerem Umfang" impliziert ja, dass ein größerer Anteil an von Frauen geschriebenen Büchern dabei ist. Also schlägt sich das schon nieder. Es gibt nur eben noch andere Faktoren, die dem wieder teilweise entgegenwirken - wie beispielsweise die Frage nach aktiven oder passiven Protagonisten, die ich in meinem vorherigen Post diskutiert habe
.
Dass passive Protagonist(innen) auch bei Frauen nicht auf uneingeschränkte Zustimmung stoßen, merkt man daran,
dass Twilight und Shades of Grey trotz ihres immensen Erfolges gleichzeitig ja auch gesamtgesellschaftlich so ein bisschen als Trash gehandelt werden. So wie im Musikbereich früher mit ABBA - keiner wollte es öffentlich cool finden, aber insgeheim haben es dann doch alle gehört. Anfang der 2000er war es das Gleiche mit Tokio Hotel. Heute ist es Helene Fischer. All diese Leute sind super erfolgreich, aber viele Ottonormalverbraucher schämen sich zugleich, zuzugeben, wenn sie sie gut finden. Bei Shades of Grey alleine ließe sich das ja noch durch die (wenn auch völlig over-hype-ten) Sexszenen erklären - bei Twilight hingegen nicht.
Bei Harry Potter oder Panem hingegen wirst du deutlich weniger Leute finden, die etwas Schändliches daran finden werden, zu sagen, dass man diese Geschichten mag . Wenn man bedenkt, dass Jennifer Lawrence ursprünglich auch für Twilight vorgesprochen hat (oder es zumindest wollte?), kann sie wohl heute froh sein, dass sie die Rolle der Bella Swan nicht bekommen hat. In der Achtung der Allgemeinheit steht sie nämlich heute deutlich höher, während man von Kirsten Stewart außer diversen Skandalen seit Snow White and the Huntsman nichts mehr gehört hat.
Um mal ein Negativbeispiel mit einem leicht passiven männlichen Charakter zu nennen (wenn auch nicht so passiv wie Peeta Mellark):
Eragon ist in den letzten Jahren deutlich mehr in Veruf geraten.
Solange, bis alle Bücher erschienen waren, waren die Kritiker der Geschichte noch in der Minderheit. Aber seitdem alles draußen ist, blicken viele zurück und bemerken Macken an der Story, die ihnen früher nicht aufgefallen sind, und distanzieren sich jetzt davon.
- Eragon (Teil IV)... und Star Wars: Episode VI:
Neben dem etwas kindlich-klischeehaften Aufbau der Welt - die stammt ja noch aus dem ersten Band, den Paolini mit 15 geschrieben hat, das hätte man ihm wohl noch verziehen - ist wohl ein entscheidender Grund für die Frustration mit Eragon als Reihe insgesamt das Ende. Nicht nur das anti-klimaktische Ableben von Galbatorix - auch die Tatsache, dass der romantische Subplot durch alle vier Bücher hindurch flach bleibt. Eragon geht diesbezüglich als "Loser" in die Geschichte hinein und kommt auch am Ende als solcher aus ihr heraus. Er ist also nicht generell passiv, weil er ja schon maßgeblich für den Verlauf der Geschehnisse im Kampf gegen Galbatorix verantwortlich ist - aber in Bezug auf Arya eben schon.
Der einzige andere bekannte männliche Held, der mit einem Versagen auf romantischer Linie durchkommt und trotzdem von allen geliebt wird, ist Luke Skywalker
.
Nur dass der im Gegensatz zu Eragon mit "sie ist meine Schwester" eine ziemlich gute Ausrede hat
(vom Keuschheitsgelübde der Jedi einmal abgesehen).
Falls also auch Frauen insgesamt lieber Geschichten mit aktiven Protagonisten lesen - die sind wie gesagt häufiger männlich, und werden deshalb mit aller Wahrscheinlichkeit auch häufiger von Männern geschrieben - dann greifen sie eben in Summe immer noch öfter zu Büchern mit männlichen Autoren.
Ist ja auch im Fußball so: Mehr Frauen gucken Männerfußball als Frauenfußball. Letzterer wird tatsächlich mehr von Männern geguckt (mmh... warum nur...
).
Das konkret mag natürlich ein Stück mit der unterschiedlichen Physiologie zu tun haben - die Fußballspiele der Herren sind meistens energetischer, weil halt mehr Körperkraft hinter den Schüssen steckt.
Aber wie erst dieses Jahr anlässlich der WM noch einmal diskutiert wurde: Fußballmannschaften sind gewissermaßen die Krieger der modernen Zeit, da kommt unsere alte Stammesnatur wieder zum Vorschein, wenn wir "die von unserem Tribe" anfeuern können. Und deswegen fließen auch immer Tränen, als würde gleich die Welt untergehen, wenn die eigene Mannschaft verliert - wäre das in der Steinzeit passiert, hätte davon nämlich tatsächlich mitunter das Überleben des Stammes abgehangen.
Und dieser letztere Teil trifft eben auch bei Büchern zu: Man will den Helden anfeuern. Nicht in jeder Situation wünscht man sich, selbst in seine Haut zu schlüpfen - viele Fans sehen auch einfach nur gerne dabei zu, wie ein Charakter "badass" ist (was genau deshalb in letzter Zeit leider gerade in Filmen viel zu sehr übertrieben wird
).
Genau dieser Instinkt springt übrigens auch bei Männern an, wenn sie eine Black Widow einen Haufen Gangster verprügeln oder Daenerys Targaryen ein paar Untote anzünden sehen
. Ich würde mal schätzen, da sind ähnliche Hirnregionen involviert wie beim Frauenfußball-Gucken... oder wie bei einer Begegnung mit einer Domina.
Warum Männer also solche aktiven weiblichen Charaktere schreiben, wäre damit also wohl schon einmal geklärt.
Nur: Wie oft kommt es vor, dass Frauen solche Heldinnen schreiben? Bei Bella Swan und Anastasia Steele finde ich jedenfalls nichts, was "badass" ist. "ass" vielleicht, ja...
den lässt sich eine der beiden ja gerne mal versohlen. Aber nichts, was episch ist.