Wie der eine oder andere weiß, habe ich ja neben ein paar Romanen auch einen Schreibratgeber geschrieben. Dieser Ratgeber hatte einen Vorgänger, der inzwischen nicht mehr auf dem Markt erhältlich ist. Darin hatte ich - als kleine Ergänzung meiner eigenen Sichtweise - einige Interviews mit Buchbloggerinnen und Lektorinnen geführt. Als ich dann meinen zweiten Ratgeber veröffentlichte, hatte ich das Gefühl, dass die damaligen Interviews nicht mehr so recht ins Konzept passten, und habe sie herausgenommen. Eigentlich wollte ich sie bereits vor Jahren stattdessen auf meine Webseite stellen, habe es aber immer wieder aus dem Blick verloren. Im Zuge der Wiederbelebung des Forums kam mir nun der Gedanke, ob es nicht viel besser wäre, das Interview mit Cassandra hier im Forum zu posten, wo viel mehr Leute davon profitieren könnten. Nach Rücksprache mit Cassandra, der die Idee sehr gefällt, habe ich mich entschlossen, das Interview in den "Erfolge- und Erfahrungsberichte"-Thread zu stellen. Ich wünsche jedem, der es liest, viel Spaß damit!
Interview: Anja Koda (Lektorin)
Anja Koda arbeitete nach ihrem Abitur mehrere Jahre in verschiedenen sozialen Einrichtungen im Nachtdienst, lernte die Welt kennen und absolvierte eine Ausbildung zur Übersetzerin im Bereich Außenwirtschaft, bis sie schließlich an der Uni landete und Archäologie, Germanistik sowie Philosophie studierte.
Während des Studiums arbeitete sie einige Jahre auf Teilzeitbasis in einem chinesischen Import/Export-Unternehmen und lektorierte nebenbei Dissertationen, Essays und Rezensionen.
Schließlich beschloss sie, ihre Nebentätigkeit zum Hauptberuf zu machen.
Mittlerweile gehören zu ihrem Kundenkreis neben Studenten und Professoren diverser Universitäten auch Klein- und Sachbuchverlage sowie Agenturen, Kunden aus dem Wirtschaftsbereich – und ganz wichtig: Belletristikautoren.
Über verschiedene Foren und Plattformen lernte sie freiberufliche Autoren kennen und durfte viele Romane mit den Schwerpunkten Fantasy, Horror und Science-Fiction lektorieren.
Anja Koda schreibt auch selbst, hat gemeinsam mit anderen Autoren zwei Anthologien veröffentlicht und arbeitet derzeit an ihrem ersten Roman.
website: www.lektorat-koda.de
1. Bei deiner Arbeit als Lektorin machst du ja eine Menge unterschiedlicher Erfahrungen mit Autoren. Was sind die größten Ängste und falschen Vorstellungen, die du bei den Autoren erlebst, die sich mit der Bitte um ein Lektorat an dich wenden?
Leider gibt es immer wieder Autoren, die schlechte Erfahrungen mit Lektoren gemacht haben. Ihnen wurden Textstellen ungefragt gekürzt oder ganz gestrichen; plötzlich tauchen fremde Namen in dem Roman auf, weil der Lektor diese angemessener findet usw.
Nun haben diese Autoren natürlich Angst vor dem, was ich mit ihrem Text anstellen könnte.
Um diesen Befürchtungen entgegenzuwirken, versuche ich dem Autor gleich zu Beginn eine ungefähre Vorstellung davon zu geben, wie ich vorgehe, welche Schwerpunkte ich setze und wie ich mir die Zusammenarbeit vorstelle. Auch biete ich an, einige Seiten vorab zu lektorieren, damit der Autor sich ein Bild von meiner Arbeitsweise machen kann. Ich versuche mir die Zeit zu nehmen und Änderungen entsprechend zu kommentieren, damit er die Gelegenheit erhält, darauf zu reagieren.
Dieses Vorgehen hat sich im Laufe der Jahre bewährt, denn es gibt dem Kunden und mir die Gelegenheit, einander kennenzulernen und uns aufeinander einzustellen. Das beseitigt bereits im Vorfeld etwaige Ängste.
Generell sollte ein Autor nicht grundsätzlich mit allen Änderungen einverstanden sein, aber er darf auch nicht wegen jeder Zeile einen Streit vom Zaun brechen. Im Zweifelsfall sollte er kleinere Änderungen einfach akzeptieren, bei größeren jedoch nachfragen. Wichtig ist, dass er am Ende noch hinter seinem Werk stehen kann.
Ich erlebe es sehr häufig, dass ein Autor glaubt, die Spannung erhalten zu müssen und mich deshalb weitestgehend über den Handlungsverlauf im Unklaren lassen möchte bzw. sich dagegen sträubt, mir das Ende zu verraten. In diesem Fall muss ich natürlich darauf bestehen, denn es geht bei einem Lektorat nicht darum, unterhalten zu werden, sondern dem Autor zu helfen, das Beste aus seinem Roman herauszuholen – und das geht nur, wenn ich als Lektor von Anfang an im Bilde bin.
Ein weiteres, sehr ähnliches Phänomen ist die Angst vor Ideen-Diebstahl. Sicherlich sind Bedenken hinsichtlich der Frage, wie viel man vorab von seinem Manuskript preisgeben darf, berechtigt. Beispielsweise ist es keine gute Idee, die Zusammenfassung des kompletten Plots seines aktuellen Romans in einem Forum zu posten.
Wenn man sich als Autor jedoch an einen Lektor wendet, so kommt man gar nicht daran vorbei, diesen in sein Projekt einzuweihen. Abgesehen davon, dass der Lektor entsprechende Klauseln innerhalb seiner AGB aufgeführt hat, die die Sicherheit und den Datenschutz garantieren, muss er Kenntnis über den Verlauf der Handlung usw. besitzen – wie sonst soll er seinen Job adäquat erledigen können?
Jeder erfahrene Autor kann bestätigen, dass niemand einen Roman auf die Beine zu stellen vermag, indem er lediglich allein in seinem Zimmer hockt und über seinem PC brütet. Der Austausch mit anderen Autoren, die Zuhilfenahme von Betalesern usw. ist unabdingbar für eine erfolgreiche Schriftstellertätigkeit.
Fest steht: Wenn man seinen Roman vermarkten will, ist eine gewisse Publicity unumgänglich. So ist die Präsenz in sozialen Netzwerken, wie beispielsweise Facebook (auch wenn man sonst vielleicht kein Fan davon ist), eine Notwendigkeit, um einen breiten Streukreis zu erlangen. Auch Schriftsteller-Foren oder eigene Blogs sind gute Werbeplattformen – insofern man weiß, wie man sich zu präsentieren hat. In diesem Zusammenhang bietet es sich an, erfahrene Kollegen um Rat zu bitten oder eventuell ein Seminar zu besuchen, das sich dem Thema Werbung und Marketing widmet. Natürlich wird man hier erneut mit der Frage konfrontiert, wie viel man preisgeben möchte.
Grundsätzlich gilt: so viel wie nötig, so wenig wie möglich, wenn es nicht relevant für die Entwicklung einer Erfolg versprechenden Marketingstrategie ist.
Übrigens: Die Furcht davor, der Verleger, bei dem man sein Manuskript einreicht, könne so begeistert sein, dass er beschließt, die Idee zu klauen, ist weitgehend unbegründet. Kein seriöser Verlag würde sich für so etwas hergeben. Außerdem wäre der Imageschaden, der bei Bekanntwerden dieses Vorfalls entstehen würde, gravierender als der Gewinn, den der Verlag durch diesen Diebstahl erzielen könnte.
Deshalb ist es unnötig, den Verlag vor Einreichen des Manuskriptes um eine rechtsverbindliche Erklärung o. Ä. zu bitten. Außerdem besteht bei einer solchen Anfrage eine gute Chance, sich selbst ins Aus zu schießen.
Wenn man unbedingt auf Nummer sicher gehen möchte, so kann man sein Manuskript bei einem Notar hinterlegen, was allerdings mit Kosten verbunden ist.
Eine gewisse Vorsicht walten zu lassen, ist sicherlich nicht schlecht. Doch man sollte stets abwägen, wann das Zurückhalten von Informationen ein Maß erreicht, an dem es eher Schaden als Nutzen bringt.
Ein letzter erwähnenswerter Punkt ist etwas, das bei vielen Autoren – wenn auch unterschwellig – anzutreffen ist: die Erwartung, der erste Roman müsse auch gleich der Durchbruch sein.
Zwar würde kaum ein Autor das zugeben – wenn man sie fragt, heißt es meistens, man schreibe einfach nur so zum Spaß und lasse sich überraschen –, aber die Hoffnung auf Erfolg ist definitiv vorhanden. Bleibt dieser jedoch aus bzw. lassen sich weder Verlag noch Agentur für den Roman gewinnen, dann werfen viele enttäuscht das Handtuch.
Man darf nicht vergessen, dass Qualität und Markttauglichkeit nicht zwingend das Gleiche bedeuten müssen. Es spielen so viele Faktoren eine Rolle, ob ein Roman auf dem Markt eine Chance hat, dass es fast einem Sechser im Lotto gleichkommt, wenn es einem Autor auf Anhieb gelingt, einen Treffer zu landen.
Verlage haben es sich nicht primär zum Ziel gemacht, Nachwuchsautoren und deren Werke zu fördern. In erster Linie sind sie gewinnorientierte Unternehmen, die Umsatz machen müssen. In diesem Kontext spielt die bereits erwähnte Markttauglichkeit eine enorme Rolle, denn Zeit und Geld in das Buch-Projekt eines (noch) unbekannten Autoren zu stecken und dann möglicherweise auf den Kosten sitzen zu bleiben, weil niemand den Roman kauft, ist ein Risiko, das die wenigsten Verlage bereit sind einzugehen, zumindest nicht in größerem Umfang.
Wichtig ist es – wenn man seine Autorentätigkeit ernst nimmt –, dran zu bleiben. Es weiter zu versuchen, selbst dann, wenn man frustriert feststellt, dass man seit Jahren im Bereich der dreistelligen Verkaufszahlen herumgurkt.
2. Was sind für dich die wichtigsten Kriterien, die ein Lektor bei seiner Arbeit berücksichtigen sollte? Wie schwierig ist es, diese Kriterien den Autoren zu vermitteln?
Jeder Autor hat seinen ganz eigenen Stil, sein eigenes Tempo und eine eigene Erzählweise. Wenn ich ein neues Manuskript erhalte, besteht für mich der erste Schritt darin, mich auf diesen Text einzulassen und ihn unvoreingenommen zu betrachten, ganz so, als wäre er mein erster. Als Lektor darf ich niemals nach meinem persönlichen Geschmack urteilen. Es ist wichtig, dem Autor deutlich zu machen, dass die Kritik an einer Figur oder einer Szene nicht subjektiv ist, sondern einen objektiven Hinweis auf einen inhaltlichen, grammatikalischen etc. Fehler darstellt.
Es kommt oft vor, dass ein Autor immer wieder bestimmte Formulierungen o. Ä. verwendet, die sprachlich entweder nicht korrekt sind oder nicht in den Kontext passen.
In dem Fall gilt es herauszufinden, ob der Autor diese Stellen absichtlich entsprechend formuliert, oder ob er aus Gewohnheit so schreibt, weil er sich im Alltag ähnlich ausdrückt.
Auch hier ist die Rücksprache mit dem Autor notwendig, damit ich ihm in einem kurzen Kommentar das Problem mit dieser Formulierung erläutern kann. Dadurch wird potenzieller Widerstand vonseiten des Autors von vornherein vermieden, da er erkennt, dass ich diese Textstellen nicht willkürlich kritisiere oder weil sie nicht meinem persönlichen Geschmack entsprechen.
Grundsätzlich spielt der Lerneffekt auch für mich eine Rolle, denn es kann durchaus vorkommen, dass ich beispielsweise eine Szene falsch interpretiere und Änderungen vornehme, obwohl diese nicht notwendig sind. Durch den Austausch mit dem Autor kann ich somit eigene Fehler vermeiden.
Noch eine Bemerkung zu dem klassischen Vorurteil, dem viele Lektoren ausgesetzt sind: Wir wissen, dass wir niemals eventuelle eigene schriftstellerische Tendenzen an einem fremden Werk ausleben dürfen und tun dies in der Regel auch nicht.
Um des besseren Verständnisses willen – weil ein Beispiel manchmal mehr aussagt als ein ausführlicher Kommentar – formuliere ich hin und wieder eigene Sätze, um dem Autor zu verdeutlichen, worauf ich hinaus will. Allerdings ist es wichtig, den Autor bereits zu Beginn unserer Zusammenarbeit darüber zu informieren, damit er weiß, dass es sich lediglich um Beispiele und keinesfalls um Vorgaben handelt, die er zu übernehmen hat.
Abschließend kann man sagen, dass die Hauptaufgabe des Lektors darin besteht, dem Autor dabei zu helfen, seinen Roman zu optimieren, das Bestmögliche aus seinem Werk herauszuholen, Fehlerquellen aufzudecken, an seinem Stil zu feilen usw.
Um eine adäquate Zusammenarbeit zu gewährleisten, müssen, meiner Ansicht nach, Autor und Lektor das Gespräch, den Austausch suchen. Der Lektor ist nicht der Feind des Autors, sondern dessen Verbündeter. Dies gilt es primär zu vermitteln.
3. Kommt es vor, dass dir eine Geschichte, die du lektoriert hast, als Leserin nicht gefällt, du aber trotzdem mit deiner Arbeit als Lektorin zufrieden bist?
Das kommt durchaus vor. Wie gesagt: Lektoren sind im Idealfall Spezialisten für die technische Seite des Schreibens. Es ist jedoch nicht ihre Aufgabe, die Geschichte selbst zu bewerten. Ich muss nicht jeden Roman mögen – das heißt aber nicht, dass er per se schlecht ist, bloß weil er mir nicht gefällt.
Bei Sachtexten ist das relativ einfach: Auch wenn mich das Thema nicht interessiert (und ich kein Fachlektorat vornehme), kann das Lektorat des Textes spannend sein, wenn es sich beispielsweise um eine schwierige, herausfordernde Arbeit handelt. Habe ich die Aufgabe optimal gemeistert, bin ich zufrieden – auch wenn ich dem Inhalt des Textes selbst nicht allzu viel abgewinnen konnte.
Bei einem Roman ist das etwas anderes. Es ist sehr viel schwieriger, einen Belletristik-Text wertfrei zu lektorieren, wenn man mit der Handlung so gar nicht warm wird. Nur zu leicht gerät man in Versuchung, die eine oder andere Änderung vorzunehmen, um den Text ein wenig „aufzupolieren“. Doch das wäre unprofessionell.
Zum Glück ist es mir bisher noch nicht passiert, dass ich einen Roman lektorieren musste, mit dessen Plot ich überhaupt nichts anfangen konnte. Sicherlich gibt es den einen oder anderen, den ich vermutlich nicht gekauft hätte, wenn er mir im Handel untergekommen wäre, aber die Arbeit an ihnen macht mir dennoch Spaß, weil sie zum Beispiel lebendig geschrieben und die Charaktere einnehmend gezeichnet wurden.
4. Wie sollte aus deiner Sicht als Lektorin ein guter Einstieg in einen Roman aussehen? Was macht für dich eine gute Geschichte aus?
Was den guten Einstieg angeht, so kann ich keine pauschale Aussage machen. Nehmen wir beispielsweise „Via Mala“ von John Knittel. Auf den ersten Seiten wird die allgemeine Szenerie sowie die Natur beschrieben. Das hört sich vielleicht nicht spannend an, doch hier kommt ein ganz entscheidender Faktor ins Spiel: die Sprache.
Selbstverständlich wäre ein mitreißender Prolog ein guter Einstieg, um den Leser bei der Stange zu halten. Doch je nach Handlung ist so ein Einstieg unter Umständen nicht umsetzbar. Von daher muss der Autor mit der Sprache punkten, mit den Dialogen sowie mit der Art und Weise, wie er Szenen, Menschen und Objekte beschreibt. Die erste Hürde, die ein Roman zu nehmen hat, ist der Lektor bzw. der Verleger. Diesen gilt es zu überzeugen. Und das geht am besten, indem man zum Beispiel Phrasen, zu kurze oder zu lange Sätze, Füllwörter, die ausufernde Verwendung von Adjektiven und ganz besonders Umgangssprache vermeidet (es sei denn, diese passt zu dem Milieu, in dem sich ein Charakter bewegt).
Würde ein Lektor auf der ersten Seite eines Romans etwas lesen wie „König X trat majestätisch vor sein Volk, die Menge jubelte ihrem geliebten, verehrten und über alles geschätzten Herrscher entgegen, während dieser warmherzig lächelnd, dabei gedankenverloren, den wallenden, weißen Bart streichend, aus meerblauen Augen die Menge gütig betrachtete …“, würde er das Manuskript sofort ad acta legen.
Dies gilt selbstverständlich nicht nur für die ersten Seiten, sondern für den gesamten Roman. Jeder Autor muss ein Gefühl für Sprache besitzen oder er wird zwangsläufig scheitern. Keine noch so gute Idee oder spannende Handlung vermag den Leser zu fesseln, wenn die Sprache holprig oder der Wortschatz allzu beschränkt ist.
Es ist heute noch so aktuell wie früher: Man kann kein Gefühl für Sprache entwickeln, wenn man selbst wenig bis kaum liest. Deshalb empfehle ich jedem Autor zu lesen – und zwar nicht nur das, was ihn interessiert. Lesen muss auch eine Herausforderung sein. Nur so schafft man sich die sprachliche Grundlage, die Voraussetzung für das Schreiben ist.
Der erwähnte Roman „Via Mala“ punktet eingangs mit der Sprache, denn der Leser sieht die Natur der wilden Schweizer Berge förmlich vor sich. Gelingt es dem Autor, dem Leser bereits auf den ersten Seiten eine Art Kopfkino zu bescheren, so hat er gute Chance, die oben erwähnte Hürde zu meistern.
5. Was wären für dich als Lektorin die größten Fehler, die Autoren bei ihrem Einstieg in ihre Geschichte und bei der Handlungs- und Figurenkonzeption machen?
Viele meinen, ein rasanter Einstieg wäre eine gute Gelegenheit, den Leser an den Roman zu binden. Das kann funktionieren – es kann aber genauso gut nach hinten losgehen. Denn es geht nicht nur darum, auf den ersten drei Seiten Spannung zu erzeugen, sondern den Leser im Idealfall den ganzen Roman über für die Handlung einzunehmen.
Und hier spielt wieder die oben erwähnte Sprache ein Rolle: Jemandem, der schön spricht, hört man gerne zu, auch wenn man nicht unbedingt alles sinngemäß versteht. Nuschelt der Sprecher oder hat er eine sehr ausgeprägte Umgangssprache, so ist man wenig geneigt, ihm zuzuhören. Ähnlich ist es beim Lesen. Fasziniert mich die Sprache, so bleibe ich an dem Text hängen, auch wenn aktuell noch „nichts“ passiert.
Weiterhin muss eine Handlung immer einem Konzept folgen. Einfach so drauf loszuschreiben, ist nicht optimal. Natürlich kann man später Ergänzungen einfügen, aber wenn man nach mehreren hundert Seiten feststellt, dass man nicht mehr weiter weiß, oder das Ende nicht zu dem Anfang des Romans passt, ist das sehr frustrierend.
Dies kann vermieden werden, indem der Plot zumindest grob skizziert wird. Jeder hat da seine eigene Technik. Wichtig ist es, genau zu wissen, welche Figur wo steht, welcher Charakter über welche Eigenschaften verfügt und wohin ihn seine Ambitionen führen sollen. Wer spielt eine zentrale Rolle, wer ist eher der Handlanger usw.
Es ist in der Regel unumgänglich, im Laufe des Schreibprozesses einige Plotgedanken über den Haufen zu werfen, weil sich neue und bessere ergeben haben. Doch verliert man nicht komplett den Faden, denn das grobe Gerüst bleibt bestehen und bildet den Rahmen, an dem man sich orientieren kann.
Im Zusammenhang mit potenziellen Fehlerquellen möchte ich noch zwei weitere Punkte erwähnen, die mir wichtig sind: Bei Dialogen, insbesondere wenn bloß zwei Personen miteinander sprechen, sollte darauf geachtet werden, dass nicht bei jedem zweiten Satz der Name des Sprechers erwähnt wird. Und vor allem auf „sagte er“, „meinte sie“, „platzte sie heraus“, „argwöhnte er“ usw. verzichten. Ein Beispiel.
X kam zur Tür herein und sah Y.
„Was machst du da?“, fragte X argwöhnisch.
„Nichts“, meinte Y und sah dabei ganz unschuldig drein.
X kam näher. „Ich glaube dir nicht“, stellte sie fest.
Darauf wurde Y wütend: „Immer musst du mich verdächtigen“, schrie er sie an.
usw.
Die Lebendigkeit eines Textes geht verloren, wenn man zu sehr auf Adjektive und unnötige Beschreibungen zurückgreift. Man muss als Autor lernen, den Dialog so zu verfassen, dass der Leser die Sprecher (direkt) vor Augen und ihre Stimmen (deutlich) im Ohr hat.
Im Idealfall wird die Figur über das, was sie sagt, über ihre Gedanken und ihre Handlung charakterisiert.
X kam zur Tür herein und sah Y.
Leise trat sie näher an ihren Bruder heran. Dieser bemerkte sie erst, als sie beinahe neben ihm stand. „Was machst du da?“ Für einen kurzen Moment konnte sie einen Anflug von Panik in seinen Augen erkennen.
„Nichts.“
Das war mal wieder typisch. Wie oft hatte er schon „nichts“ getan, und sie musste es hinterher ausbaden. „Ich glaube dir nicht!“
Er fuhr so rasch herum, dass sie erschrocken zurückwich. „Immer musst du mich verdächtigen!“
Es ist nicht nötig zu betonen, dass ein Charakter anfängt loszubrüllen. Konstruiert man den Dialog entsprechend, erkennt der Leser die angespannte Situation auch so und seine Fantasie fügt die brüllende Stimme von selbst hinzu.
Dem Leser alles vorzukauen, nimmt diesem unter Umständen den Spaß am Lesen. Der Autor muss bei der Erstellung der Dialoge die aktive Beteiligung des Lesers anstreben, um ihn auf diese Weise an den Roman zu binden.
Ebenso sollten Merkmale bezüglich der Erscheinung einer Figur, ihres Aussehens, ihrer Kleidung, nicht explizit aufgelistet werden. Insbesondere in spannenden Szenen kann die ausführliche Beschreibung einer Figur dazu führen, dass der Leser diese Stelle einfach überblättert, weil es ihn vielmehr interessiert, wie es mit der Handlung weitergeht.
Es lässt einen Charakter sehr viel plastischer erscheinen, wenn man sein Aussehen nach und nach in die Handlung einwebt.
Sie hatte lange schwarze Haare, die ihr weit über die Schultern fielen. Sie trug eine dunkle Lederweste über einer ebenso dunklen Bluse. Dazu braune Fellhosen und schwarze Stiefel. Ihr langer schwarzer Umhang wurde von einer silbernen Schnalle festgehalten. Ein langes Schwert hing an einem kunstvoll verzierten Ledergürtel und in der Hand hielt sie einen Kurzbogen … etc. etc.
Abgesehen davon, dass man sich diese ganzen Informationen auf Anhieb vermutlich gar nicht merken kann, sind solche Szenen regelrechte Stolpersteine im Lesefluss.
Ihre dunkle Lederkleidung ließ sie mit der Umgebung verschmelzen, weshalb er sie erst bemerkte, als sie die Brücke fast schon erreicht hatte. Sie trieb ihr Pferd zur äußersten Geschwindigkeit an, ihr langes schwarzes Haar flatterte wild und unbändig hinter ihr her, was ihr ein fast dämonisches Aussehen verlieh.
Schwert, Bogen und alles Weitere kann an anderer, passender Stelle eingefügt werden. Hier geht es hauptsächlich darum, die Figur einzuführen und dem Leser ein erstes, zu dem Charakter passendes Bild zu vermitteln.
6. Gab es für dich Situationen, wo du von deiner Seite aus die Zusammenarbeit mit einem Autor beendet hast, und was waren die Gründe dafür?
Bisher ist es nur ein einziges Mal vorgekommen, dass ich mich entschlossen habe, ein Lektorat abzugeben. In diesem Fall konnte ich die Autorin nicht davon überzeugen, dass meine Kritik nicht persönlich gemeint war.
Ich kann sehr gut verstehen, wie frustrierend es für einen Autor sein muss, wenn er mitansehen muss, wie sein sorgsam konstruierter Text auseinandergenommen wird.
Im Deutschunterricht oder an der Uni lernen wir, dass beispielsweise der Ich-Erzähler nicht mit dem Autor gleichzusetzen sei. Das ist auf der einen Seite richtig, aber auf der anderen Seite darf nicht übersehen werden, dass viele Schriftsteller nicht einfach nur irgendeinen Text produzieren, wie früher einen Aufsatz für den Deutschunterricht, sondern unter Umständen ein Werk, in das sie nicht nur ihr Herzblut, sondern auch einen Teil ihrer Persönlichkeit einbringen. Deshalb ist sachliche Kritik ohne Wertung und mit einer gehörigen Portion Sensibilität unumgänglich, denn oftmals wird eine kritische Beurteilung an dem Werk auch als entsprechende Beurteilung an dem Menschen dahinter gesehen.
Selbstverständlich muss und soll der Autor nicht mit jeder (inhaltlichen) Korrektur einverstanden sein. Geht es jedoch beispielsweise um einen nicht existenten Spannungsbogen, um unlogische Szenen oder unglaubwürdige Charaktere, deren Handlungsweise sich dem Leser nicht erschließt, so muss er selbstkritisch genug sein, die Kritik an diesen Punkten annehmen zu können – und sei es im Interesse seines Romans.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man manchmal ein paar Tage benötigt, um die Kritik sacken lassen und objektiv betrachten zu können. Das ist vollkommen in Ordnung, und ich gestehe jedem Autor diesen Zeitraum zu. Aber irgendwann muss man das Ego zugunsten einer guten Arbeit zurückschrauben.
Ich werde übrigens oft gefragt, bei welcher Art Text ich ein Lektorat von vornherein ablehnen würde. Hierauf kann ich keine pauschale Antwort geben, denn ein Lektor muss theoretisch mit jedem Text klarkommen. Das Lektorat eines Romans abzulehnen, weil mir beispielsweise die Geschichte nicht gefällt, wäre unprofessionell. Auch darf man im Zusammenhang mit der Person des Autors nicht allzu empfindlich sein und gleich bei der geringsten Unstimmigkeit das Handtuch werfen. Diplomatie sollte ebenso zum Rüstzeug eines Lektors gehören wie ein dickes Fell und Grundkenntnisse in Psychologie – nicht jede „Attacke“ des Autors richtet sich zwangsläufig gegen den Lektor an sich, sondern ist oftmals eher ein Ausdruck von Unzufriedenheit mit der geäußerten Kritik.
Ein Lektorat würde ich auf jeden Fall unter folgenden drei Bedingungen ablehnen: wenn der Autor, wie oben erwähnt, Kritik am Text grundsätzlich persönlich nimmt und eine konstruktive Zusammenarbeit nicht mehr möglich ist; wenn ich der Meinung bin, dass der Verfasser des Textes sicherlich viele Talente besitzt, Schreiben jedoch nicht dazu gehört; wenn der Inhalt des Textes eindeutig darauf ausgerichtet ist, bestimmte Personen oder Gruppen zu diskriminieren oder ihnen sonst wie zu schaden.
Ansonsten bin ich offen für jede Sorte Text und freue mich immer wieder über neue Anregungen und Herausforderungen.
7. Wie gehst du selbst mit Kritik an deiner Arbeit um, oder anders gefragt: Trifft es dich persönlich, wenn ein Roman, den du lektoriert hast, einen Verriss bekommt?
Wenn Kunden sich über Rechtschreibfehler beschweren, die übersehen wurden, wenn Leser sich in Onlineportalen darüber auslassen, dass der Lektor des Romans X besser noch einmal in die Schule gehen sollte, bevor er sich an die Korrektur von Texten macht usw., dann sind das berechtigte Kritiken, die man sich tunlichst zu Herzen nehmen sollte. Beim nächsten Mal darf das nicht mehr vorkommen. Punkt. Mehr ist dazu nicht zu sagen.
Bei dem Verriss eines von mir lektorierten Romans käme es darauf an, wie er begründet wird. Es gibt sehr erfolgreiche Romane auf dem Markt, an denen die Kritiker kein gutes Haar gelassen haben – und dennoch sind sie Bestseller.
Umgekehrt habe ich viele Romane lektoriert, die Qualität und Anspruch besitzen – und die bis heute von allen angefragten Verlagen abgelehnt wurden mit der Begründung, sie seien nicht markttauglich.
Das trifft mich zwar nicht persönlich, abgesehen davon, dass ein Stück von mir natürlich immer mit dem Autor mitleidet. Für mich ist es hauptsächlich frustrierend.
Zwar ist es mittlerweile durchaus Usus, dass fast alle Verlage auch Nachwuchstalente in ihr Programm aufnehmen. Dennoch wird diesen bei Weitem nicht der Raum zugestanden, den beispielsweise die Stammautoren innehaben. Von daher ist die Chance, einen solchen Platz zu ergattern, nach wie vor sehr gering. Es gibt durchaus engagierte Kleinverlage, die sich vor allem um junge Autoren bemühen, doch deren Streukreis und die zur Verfügung stehenden Mittel sind oft leider begrenzt.
Ich kann die Verlage verstehen, die als Unternehmen um des Selbsterhaltes willen Gewinn machen müssen. Auch sehe ich ein, dass eine Agentur, die sich (wenn sie seriös ist) erst dann für ihre Bemühungen bezahlen lässt, wenn der Autor bzw. dessen Roman bei einem Verlag untergebracht wurde, ihrer Meinung nach marktuntaugliche Werke ablehnt.
Im Interesse der Vielfalt würde ich mir jedoch vonseiten der Verlage und Agenturen ein wenig mehr Mut zum Risiko wünschen – wenn es im Rahmen ihrer (finanziellen) Möglichkeiten liegt.
8. Du schreibst ja selbst Geschichten. Wie schwierig ist es für dich, deine eigenen Texte zu lektorieren?
Was Grammatik und Rechtschreibung angeht, komme ich ganz gut klar. Bei allem anderen lasse ich mir gerne von einer Handvoll Kollegen helfen, deren Unterstützung ich über die Jahre sehr schätzen gelernt habe.
Mir geht es nicht anders als den meisten Autoren: Irgendwann wird man betriebsblind. Auch läuft jedes Mal beim Schreiben eine Art Film vor meinem geistigen Auge ab, sodass ich die Szene, an der ich gerade arbeite, live und in Farbe sehe – ein Luxus, der dem Leser erst einmal nicht vergönnt ist. Deshalb muss ich versuchen, das, was ich sehe, so zu beschreiben, damit es auch für den Leser sichtbar wird. Doch wann ist die Szene plastisch genug? Hier kommen die Kollegen ins Spiel.
Ebenso bin ich bei Passagen auf ihre Unterstützung angewiesen, die mir logisch und nachvollziehbar erscheinen – aber es unter Umständen für den Leser nicht sind. Als Autor kenne ich den jeweiligen Hintergrund der Handlung und möchte natürlich auf den ersten Seiten nicht zu viel verraten. Ist die Geschichte jedoch zu nebulös, verliert der Leser irgendwann das Interesse. Deshalb ist es wichtig, von Außenstehenden darauf hingewiesen zu werden, wenn an einer Stelle etwas mehr Informationen hinzugefügt werden sollten.
Außerdem ist der Austausch mit anderen Autoren generell eine bereichernde Angelegenheit, denn man erhält immer wieder spannende Denkanstöße, hilfreiche Anregungen und wird auf Fehler aufmerksam gemacht, die man selbst vielleicht nicht ohne Weiteres entdeckt hätte.
Ich würde jedem Autor empfehlen, sich mit einem kleinen Kreis von Kollegen zu umgeben und das regelmäßige Gespräch zu suchen. Der Laptop als einziger Gefährte des Autors ist nicht ausreichend.
9. Würdest du sagen, dass der Beruf des Lektors heute noch genauso ist wie vor zehn oder fünfzehn Jahren? Wenn nicht – was hat sich verändert?
Der Beruf des Lektors bzw. das Aufgabenfeld und der Kundenkreis haben sich in den letzten Jahren stark verändert.
Beispielsweise kamen noch vor fünfzehn Jahren viele Manuskripte per Post und mussten mit dem Stift korrigiert werden. Gerade bei größeren Korrekturen konnte es da ganz schnell unübersichtlich werden. Heute werden Texte in der Regel nur noch via Mail verschickt und entsprechend am Bildschirm bearbeitet.
Da immer wieder neue Programme oder Datei-Typen auf dem Markt erscheinen, muss man als Lektor auf dem Laufenden bleiben und in der Lage sein, unterschiedliche Formate handhaben zu können. Ganz allgemein ist unser Aufgabenfeld sehr viel „technischer“ geworden. Je nach Spezialisierung sollte man sich mit der gebräuchlichen Software, den am häufigsten verwendeten Programmen usw. auskennen.
Auch der Kundenkreis hat sich deutlich verändert. Früher kamen meine Kunden hauptsächlich aus dem Firmen- und Unternehmensbereich. Heute erhalte ich sehr viele Anfragen von Verlagen, die sich zunehmend den „Hauslektor“ sparen und auf Freelancer zurückgreifen.
Ebenso wenden sich vermehrt Studenten im Rahmen ihrer Bachelor-/Masterarbeiten oder Dissertationen an Lektoren. Mittlerweile gibt es Agenturen, die sich ausschließlich auf Studenten spezialisiert haben, weil die Nachfrage immer größer geworden ist.
Nicht zu vergessen: Autoren. In den letzten Jahren haben die Anfragen von Autoren, die Unterstützung bei ihrem ersten Roman benötigen, deutlich zugenommen. Hierbei geht es weniger um Rechtschreibung und Grammatik (wobei das selbstverständlich auch eine Rolle spielt), sondern vielmehr um ein Coaching, wie am besten vorgegangen werden soll, welche Techniken es gibt, worauf besonders zu achten ist, wo sich Fehlerquellen verstecken usw.
Da es heute sehr viele Möglichkeiten gibt, seinen Roman zu veröffentlichen (hier muss jedoch betont werden, dass „veröffentlichen“ nicht zwingend gleichbedeutend ist mit „erfolgreich vermarkten“), wird dieser Kundenkreis vermutlich im Laufe der nächsten Jahre noch anwachsen.
Leider spielt auch der Kosten- und Zeitfaktor eine zunehmend größere Rolle. Viele Verlage und Großkunden beauftragen beispielsweise ausländische Satzbetriebe, die zum Teil über eigene Korrektoren verfügen. Diese arbeiten mit den neuesten Rechtschreibprogrammen und sind zum Teil in der Lage, einen Text sehr viel schneller und günstiger zu bearbeiten als einheimische Korrektoren.
Auch viele Autoren oder Studenten greifen auf die erwähnten Programme zurück, da sie oftmals gar nicht in der Lage sind, die gängigen Preise für ein Lektorat zu zahlen.
Wir Lektoren müssen mit dieser Entwicklung Schritt halten. Wie wollen wir damit umgehen, was können wir tun, um weiterhin auf dem Markt tätig zu sein?
Hier muss jeder für sich selbst eine Antwort finden und im Rahmen seiner Möglichkeiten handeln. Zum einen ist eine ständige Weiterbildung unerlässlich geworden – sich ausschließlich auf die Kenntnisse zu verlassen, die man sich vor zwanzig Jahren angeeignet hat, wäre sicherlich keine gute Strategie. Zum anderen gibt es durchaus viele Bereiche, die von Programmen – egal, wie gut sie sind – (noch) nicht abgedeckt werden können. Beispielsweise ist eine Software nicht in der Lage zu erkennen, ob innerhalb einer Romanhandlung der rote Faden fehlt, die Charaktere glaubhaft gezeichnet sind, eventuelle Logiklöcher bestehen o. Ä. Auch das Fachlektorat von Sachtexten wird bis auf Weiteres von Menschen aus Fleisch und Blut übernommen werden.
Das Schreiben, vor allem von Belletristik, Lyrik, Essays usw. ist Kunst, und Kunst kann nur von einem kreativen Geist entsprechend erfasst werden. Bis Computer so weit sind, wird wohl noch eine Weile vergehen. Deshalb bin ich optimistisch, dass mir zumindest in den nächsten Jahren die Arbeit nicht ausgehen wird.
10. Gibt es aufmunternde Worte, die du den Anfängern unter den Autoren am Ende dieses Interviews mit auf den Weg geben möchtest?
Nehmen Sie sich und Ihre Ambitionen ernst. Spielen Sie Ihre Schriftstellertätigkeit nicht herunter. Es ist keine gute Werbung für einen Roman, wenn selbst der Autor nicht von diesem überzeugt zu sein scheint.
Schätzen Sie Ihre Fähigkeiten aber auch realistisch ein. Nicht jeder ist zum Schriftsteller geboren. Das bedeutet nicht, dass Sie das Schreiben einstellen sollen. Ganz im Gegenteil: Jemand, der regelmäßig schreibt, hat oftmals eine ganz andere, sehr viel differenziertere Sicht auf die Welt, als jemand, der wenig oder gar nicht schreibt. Außerdem feilt man gleichzeitig an seiner Ausdrucksweise und seiner Sprache. Wenn es nichts mit dem großen Erfolg als Autor wird, kann die Arbeit am Text dennoch Freude bereiten und einen Sinn haben.
Überhaupt steht nicht der Roman im Vordergrund, sondern das Schreiben. Man vergisst viel zu oft, dass es ein Handwerk ist, dessen Techniken man erst einmal erlernen muss. Niemand würde erwarten, dass er bloß eine Gitarre in die Hand nehmen muss, um schon die schönsten Lieder zu produzieren. Wieso also glauben so viele, sie müssten sich lediglich an den PC setzen und in die Tasten hauen und schon käme ein Roman dabei heraus?
Es gehört Übung dazu, der Austausch mit anderen Autoren, das Lernen im Rahmen von Fortbildungen, Seminaren usw. Will man ernsthaft an einem Roman arbeiten, kommt man so gut wie nie ohne Hilfe von außen aus.
Ebenso gehört der Besuch von Messen, Lesungen und ähnlichen Veranstaltungen zu dem zu absolvierenden Programm. Je tiefer man in die Welt des Buches eintaucht, umso mehr Wissen erlangt man rund um das Thema Schreiben.
Ich wünsche jedem, der dies hier liest, in erster Linie Freude am Schreiben. Alles andere kommt mit der Zeit. Und wenn es auch nicht der erste Platz auf den Bestsellerlisten sein wird, so kann jeder, der das Schreiben ernst nimmt, früher oder später davon profitieren.
Interview: Anja Koda (Lektorin)
Anja Koda arbeitete nach ihrem Abitur mehrere Jahre in verschiedenen sozialen Einrichtungen im Nachtdienst, lernte die Welt kennen und absolvierte eine Ausbildung zur Übersetzerin im Bereich Außenwirtschaft, bis sie schließlich an der Uni landete und Archäologie, Germanistik sowie Philosophie studierte.
Während des Studiums arbeitete sie einige Jahre auf Teilzeitbasis in einem chinesischen Import/Export-Unternehmen und lektorierte nebenbei Dissertationen, Essays und Rezensionen.
Schließlich beschloss sie, ihre Nebentätigkeit zum Hauptberuf zu machen.
Mittlerweile gehören zu ihrem Kundenkreis neben Studenten und Professoren diverser Universitäten auch Klein- und Sachbuchverlage sowie Agenturen, Kunden aus dem Wirtschaftsbereich – und ganz wichtig: Belletristikautoren.
Über verschiedene Foren und Plattformen lernte sie freiberufliche Autoren kennen und durfte viele Romane mit den Schwerpunkten Fantasy, Horror und Science-Fiction lektorieren.
Anja Koda schreibt auch selbst, hat gemeinsam mit anderen Autoren zwei Anthologien veröffentlicht und arbeitet derzeit an ihrem ersten Roman.
website: www.lektorat-koda.de
1. Bei deiner Arbeit als Lektorin machst du ja eine Menge unterschiedlicher Erfahrungen mit Autoren. Was sind die größten Ängste und falschen Vorstellungen, die du bei den Autoren erlebst, die sich mit der Bitte um ein Lektorat an dich wenden?
Leider gibt es immer wieder Autoren, die schlechte Erfahrungen mit Lektoren gemacht haben. Ihnen wurden Textstellen ungefragt gekürzt oder ganz gestrichen; plötzlich tauchen fremde Namen in dem Roman auf, weil der Lektor diese angemessener findet usw.
Nun haben diese Autoren natürlich Angst vor dem, was ich mit ihrem Text anstellen könnte.
Um diesen Befürchtungen entgegenzuwirken, versuche ich dem Autor gleich zu Beginn eine ungefähre Vorstellung davon zu geben, wie ich vorgehe, welche Schwerpunkte ich setze und wie ich mir die Zusammenarbeit vorstelle. Auch biete ich an, einige Seiten vorab zu lektorieren, damit der Autor sich ein Bild von meiner Arbeitsweise machen kann. Ich versuche mir die Zeit zu nehmen und Änderungen entsprechend zu kommentieren, damit er die Gelegenheit erhält, darauf zu reagieren.
Dieses Vorgehen hat sich im Laufe der Jahre bewährt, denn es gibt dem Kunden und mir die Gelegenheit, einander kennenzulernen und uns aufeinander einzustellen. Das beseitigt bereits im Vorfeld etwaige Ängste.
Generell sollte ein Autor nicht grundsätzlich mit allen Änderungen einverstanden sein, aber er darf auch nicht wegen jeder Zeile einen Streit vom Zaun brechen. Im Zweifelsfall sollte er kleinere Änderungen einfach akzeptieren, bei größeren jedoch nachfragen. Wichtig ist, dass er am Ende noch hinter seinem Werk stehen kann.
Ich erlebe es sehr häufig, dass ein Autor glaubt, die Spannung erhalten zu müssen und mich deshalb weitestgehend über den Handlungsverlauf im Unklaren lassen möchte bzw. sich dagegen sträubt, mir das Ende zu verraten. In diesem Fall muss ich natürlich darauf bestehen, denn es geht bei einem Lektorat nicht darum, unterhalten zu werden, sondern dem Autor zu helfen, das Beste aus seinem Roman herauszuholen – und das geht nur, wenn ich als Lektor von Anfang an im Bilde bin.
Ein weiteres, sehr ähnliches Phänomen ist die Angst vor Ideen-Diebstahl. Sicherlich sind Bedenken hinsichtlich der Frage, wie viel man vorab von seinem Manuskript preisgeben darf, berechtigt. Beispielsweise ist es keine gute Idee, die Zusammenfassung des kompletten Plots seines aktuellen Romans in einem Forum zu posten.
Wenn man sich als Autor jedoch an einen Lektor wendet, so kommt man gar nicht daran vorbei, diesen in sein Projekt einzuweihen. Abgesehen davon, dass der Lektor entsprechende Klauseln innerhalb seiner AGB aufgeführt hat, die die Sicherheit und den Datenschutz garantieren, muss er Kenntnis über den Verlauf der Handlung usw. besitzen – wie sonst soll er seinen Job adäquat erledigen können?
Jeder erfahrene Autor kann bestätigen, dass niemand einen Roman auf die Beine zu stellen vermag, indem er lediglich allein in seinem Zimmer hockt und über seinem PC brütet. Der Austausch mit anderen Autoren, die Zuhilfenahme von Betalesern usw. ist unabdingbar für eine erfolgreiche Schriftstellertätigkeit.
Fest steht: Wenn man seinen Roman vermarkten will, ist eine gewisse Publicity unumgänglich. So ist die Präsenz in sozialen Netzwerken, wie beispielsweise Facebook (auch wenn man sonst vielleicht kein Fan davon ist), eine Notwendigkeit, um einen breiten Streukreis zu erlangen. Auch Schriftsteller-Foren oder eigene Blogs sind gute Werbeplattformen – insofern man weiß, wie man sich zu präsentieren hat. In diesem Zusammenhang bietet es sich an, erfahrene Kollegen um Rat zu bitten oder eventuell ein Seminar zu besuchen, das sich dem Thema Werbung und Marketing widmet. Natürlich wird man hier erneut mit der Frage konfrontiert, wie viel man preisgeben möchte.
Grundsätzlich gilt: so viel wie nötig, so wenig wie möglich, wenn es nicht relevant für die Entwicklung einer Erfolg versprechenden Marketingstrategie ist.
Übrigens: Die Furcht davor, der Verleger, bei dem man sein Manuskript einreicht, könne so begeistert sein, dass er beschließt, die Idee zu klauen, ist weitgehend unbegründet. Kein seriöser Verlag würde sich für so etwas hergeben. Außerdem wäre der Imageschaden, der bei Bekanntwerden dieses Vorfalls entstehen würde, gravierender als der Gewinn, den der Verlag durch diesen Diebstahl erzielen könnte.
Deshalb ist es unnötig, den Verlag vor Einreichen des Manuskriptes um eine rechtsverbindliche Erklärung o. Ä. zu bitten. Außerdem besteht bei einer solchen Anfrage eine gute Chance, sich selbst ins Aus zu schießen.
Wenn man unbedingt auf Nummer sicher gehen möchte, so kann man sein Manuskript bei einem Notar hinterlegen, was allerdings mit Kosten verbunden ist.
Eine gewisse Vorsicht walten zu lassen, ist sicherlich nicht schlecht. Doch man sollte stets abwägen, wann das Zurückhalten von Informationen ein Maß erreicht, an dem es eher Schaden als Nutzen bringt.
Ein letzter erwähnenswerter Punkt ist etwas, das bei vielen Autoren – wenn auch unterschwellig – anzutreffen ist: die Erwartung, der erste Roman müsse auch gleich der Durchbruch sein.
Zwar würde kaum ein Autor das zugeben – wenn man sie fragt, heißt es meistens, man schreibe einfach nur so zum Spaß und lasse sich überraschen –, aber die Hoffnung auf Erfolg ist definitiv vorhanden. Bleibt dieser jedoch aus bzw. lassen sich weder Verlag noch Agentur für den Roman gewinnen, dann werfen viele enttäuscht das Handtuch.
Man darf nicht vergessen, dass Qualität und Markttauglichkeit nicht zwingend das Gleiche bedeuten müssen. Es spielen so viele Faktoren eine Rolle, ob ein Roman auf dem Markt eine Chance hat, dass es fast einem Sechser im Lotto gleichkommt, wenn es einem Autor auf Anhieb gelingt, einen Treffer zu landen.
Verlage haben es sich nicht primär zum Ziel gemacht, Nachwuchsautoren und deren Werke zu fördern. In erster Linie sind sie gewinnorientierte Unternehmen, die Umsatz machen müssen. In diesem Kontext spielt die bereits erwähnte Markttauglichkeit eine enorme Rolle, denn Zeit und Geld in das Buch-Projekt eines (noch) unbekannten Autoren zu stecken und dann möglicherweise auf den Kosten sitzen zu bleiben, weil niemand den Roman kauft, ist ein Risiko, das die wenigsten Verlage bereit sind einzugehen, zumindest nicht in größerem Umfang.
Wichtig ist es – wenn man seine Autorentätigkeit ernst nimmt –, dran zu bleiben. Es weiter zu versuchen, selbst dann, wenn man frustriert feststellt, dass man seit Jahren im Bereich der dreistelligen Verkaufszahlen herumgurkt.
2. Was sind für dich die wichtigsten Kriterien, die ein Lektor bei seiner Arbeit berücksichtigen sollte? Wie schwierig ist es, diese Kriterien den Autoren zu vermitteln?
Jeder Autor hat seinen ganz eigenen Stil, sein eigenes Tempo und eine eigene Erzählweise. Wenn ich ein neues Manuskript erhalte, besteht für mich der erste Schritt darin, mich auf diesen Text einzulassen und ihn unvoreingenommen zu betrachten, ganz so, als wäre er mein erster. Als Lektor darf ich niemals nach meinem persönlichen Geschmack urteilen. Es ist wichtig, dem Autor deutlich zu machen, dass die Kritik an einer Figur oder einer Szene nicht subjektiv ist, sondern einen objektiven Hinweis auf einen inhaltlichen, grammatikalischen etc. Fehler darstellt.
Es kommt oft vor, dass ein Autor immer wieder bestimmte Formulierungen o. Ä. verwendet, die sprachlich entweder nicht korrekt sind oder nicht in den Kontext passen.
In dem Fall gilt es herauszufinden, ob der Autor diese Stellen absichtlich entsprechend formuliert, oder ob er aus Gewohnheit so schreibt, weil er sich im Alltag ähnlich ausdrückt.
Auch hier ist die Rücksprache mit dem Autor notwendig, damit ich ihm in einem kurzen Kommentar das Problem mit dieser Formulierung erläutern kann. Dadurch wird potenzieller Widerstand vonseiten des Autors von vornherein vermieden, da er erkennt, dass ich diese Textstellen nicht willkürlich kritisiere oder weil sie nicht meinem persönlichen Geschmack entsprechen.
Grundsätzlich spielt der Lerneffekt auch für mich eine Rolle, denn es kann durchaus vorkommen, dass ich beispielsweise eine Szene falsch interpretiere und Änderungen vornehme, obwohl diese nicht notwendig sind. Durch den Austausch mit dem Autor kann ich somit eigene Fehler vermeiden.
Noch eine Bemerkung zu dem klassischen Vorurteil, dem viele Lektoren ausgesetzt sind: Wir wissen, dass wir niemals eventuelle eigene schriftstellerische Tendenzen an einem fremden Werk ausleben dürfen und tun dies in der Regel auch nicht.
Um des besseren Verständnisses willen – weil ein Beispiel manchmal mehr aussagt als ein ausführlicher Kommentar – formuliere ich hin und wieder eigene Sätze, um dem Autor zu verdeutlichen, worauf ich hinaus will. Allerdings ist es wichtig, den Autor bereits zu Beginn unserer Zusammenarbeit darüber zu informieren, damit er weiß, dass es sich lediglich um Beispiele und keinesfalls um Vorgaben handelt, die er zu übernehmen hat.
Abschließend kann man sagen, dass die Hauptaufgabe des Lektors darin besteht, dem Autor dabei zu helfen, seinen Roman zu optimieren, das Bestmögliche aus seinem Werk herauszuholen, Fehlerquellen aufzudecken, an seinem Stil zu feilen usw.
Um eine adäquate Zusammenarbeit zu gewährleisten, müssen, meiner Ansicht nach, Autor und Lektor das Gespräch, den Austausch suchen. Der Lektor ist nicht der Feind des Autors, sondern dessen Verbündeter. Dies gilt es primär zu vermitteln.
3. Kommt es vor, dass dir eine Geschichte, die du lektoriert hast, als Leserin nicht gefällt, du aber trotzdem mit deiner Arbeit als Lektorin zufrieden bist?
Das kommt durchaus vor. Wie gesagt: Lektoren sind im Idealfall Spezialisten für die technische Seite des Schreibens. Es ist jedoch nicht ihre Aufgabe, die Geschichte selbst zu bewerten. Ich muss nicht jeden Roman mögen – das heißt aber nicht, dass er per se schlecht ist, bloß weil er mir nicht gefällt.
Bei Sachtexten ist das relativ einfach: Auch wenn mich das Thema nicht interessiert (und ich kein Fachlektorat vornehme), kann das Lektorat des Textes spannend sein, wenn es sich beispielsweise um eine schwierige, herausfordernde Arbeit handelt. Habe ich die Aufgabe optimal gemeistert, bin ich zufrieden – auch wenn ich dem Inhalt des Textes selbst nicht allzu viel abgewinnen konnte.
Bei einem Roman ist das etwas anderes. Es ist sehr viel schwieriger, einen Belletristik-Text wertfrei zu lektorieren, wenn man mit der Handlung so gar nicht warm wird. Nur zu leicht gerät man in Versuchung, die eine oder andere Änderung vorzunehmen, um den Text ein wenig „aufzupolieren“. Doch das wäre unprofessionell.
Zum Glück ist es mir bisher noch nicht passiert, dass ich einen Roman lektorieren musste, mit dessen Plot ich überhaupt nichts anfangen konnte. Sicherlich gibt es den einen oder anderen, den ich vermutlich nicht gekauft hätte, wenn er mir im Handel untergekommen wäre, aber die Arbeit an ihnen macht mir dennoch Spaß, weil sie zum Beispiel lebendig geschrieben und die Charaktere einnehmend gezeichnet wurden.
4. Wie sollte aus deiner Sicht als Lektorin ein guter Einstieg in einen Roman aussehen? Was macht für dich eine gute Geschichte aus?
Was den guten Einstieg angeht, so kann ich keine pauschale Aussage machen. Nehmen wir beispielsweise „Via Mala“ von John Knittel. Auf den ersten Seiten wird die allgemeine Szenerie sowie die Natur beschrieben. Das hört sich vielleicht nicht spannend an, doch hier kommt ein ganz entscheidender Faktor ins Spiel: die Sprache.
Selbstverständlich wäre ein mitreißender Prolog ein guter Einstieg, um den Leser bei der Stange zu halten. Doch je nach Handlung ist so ein Einstieg unter Umständen nicht umsetzbar. Von daher muss der Autor mit der Sprache punkten, mit den Dialogen sowie mit der Art und Weise, wie er Szenen, Menschen und Objekte beschreibt. Die erste Hürde, die ein Roman zu nehmen hat, ist der Lektor bzw. der Verleger. Diesen gilt es zu überzeugen. Und das geht am besten, indem man zum Beispiel Phrasen, zu kurze oder zu lange Sätze, Füllwörter, die ausufernde Verwendung von Adjektiven und ganz besonders Umgangssprache vermeidet (es sei denn, diese passt zu dem Milieu, in dem sich ein Charakter bewegt).
Würde ein Lektor auf der ersten Seite eines Romans etwas lesen wie „König X trat majestätisch vor sein Volk, die Menge jubelte ihrem geliebten, verehrten und über alles geschätzten Herrscher entgegen, während dieser warmherzig lächelnd, dabei gedankenverloren, den wallenden, weißen Bart streichend, aus meerblauen Augen die Menge gütig betrachtete …“, würde er das Manuskript sofort ad acta legen.
Dies gilt selbstverständlich nicht nur für die ersten Seiten, sondern für den gesamten Roman. Jeder Autor muss ein Gefühl für Sprache besitzen oder er wird zwangsläufig scheitern. Keine noch so gute Idee oder spannende Handlung vermag den Leser zu fesseln, wenn die Sprache holprig oder der Wortschatz allzu beschränkt ist.
Es ist heute noch so aktuell wie früher: Man kann kein Gefühl für Sprache entwickeln, wenn man selbst wenig bis kaum liest. Deshalb empfehle ich jedem Autor zu lesen – und zwar nicht nur das, was ihn interessiert. Lesen muss auch eine Herausforderung sein. Nur so schafft man sich die sprachliche Grundlage, die Voraussetzung für das Schreiben ist.
Der erwähnte Roman „Via Mala“ punktet eingangs mit der Sprache, denn der Leser sieht die Natur der wilden Schweizer Berge förmlich vor sich. Gelingt es dem Autor, dem Leser bereits auf den ersten Seiten eine Art Kopfkino zu bescheren, so hat er gute Chance, die oben erwähnte Hürde zu meistern.
5. Was wären für dich als Lektorin die größten Fehler, die Autoren bei ihrem Einstieg in ihre Geschichte und bei der Handlungs- und Figurenkonzeption machen?
Viele meinen, ein rasanter Einstieg wäre eine gute Gelegenheit, den Leser an den Roman zu binden. Das kann funktionieren – es kann aber genauso gut nach hinten losgehen. Denn es geht nicht nur darum, auf den ersten drei Seiten Spannung zu erzeugen, sondern den Leser im Idealfall den ganzen Roman über für die Handlung einzunehmen.
Und hier spielt wieder die oben erwähnte Sprache ein Rolle: Jemandem, der schön spricht, hört man gerne zu, auch wenn man nicht unbedingt alles sinngemäß versteht. Nuschelt der Sprecher oder hat er eine sehr ausgeprägte Umgangssprache, so ist man wenig geneigt, ihm zuzuhören. Ähnlich ist es beim Lesen. Fasziniert mich die Sprache, so bleibe ich an dem Text hängen, auch wenn aktuell noch „nichts“ passiert.
Weiterhin muss eine Handlung immer einem Konzept folgen. Einfach so drauf loszuschreiben, ist nicht optimal. Natürlich kann man später Ergänzungen einfügen, aber wenn man nach mehreren hundert Seiten feststellt, dass man nicht mehr weiter weiß, oder das Ende nicht zu dem Anfang des Romans passt, ist das sehr frustrierend.
Dies kann vermieden werden, indem der Plot zumindest grob skizziert wird. Jeder hat da seine eigene Technik. Wichtig ist es, genau zu wissen, welche Figur wo steht, welcher Charakter über welche Eigenschaften verfügt und wohin ihn seine Ambitionen führen sollen. Wer spielt eine zentrale Rolle, wer ist eher der Handlanger usw.
Es ist in der Regel unumgänglich, im Laufe des Schreibprozesses einige Plotgedanken über den Haufen zu werfen, weil sich neue und bessere ergeben haben. Doch verliert man nicht komplett den Faden, denn das grobe Gerüst bleibt bestehen und bildet den Rahmen, an dem man sich orientieren kann.
Im Zusammenhang mit potenziellen Fehlerquellen möchte ich noch zwei weitere Punkte erwähnen, die mir wichtig sind: Bei Dialogen, insbesondere wenn bloß zwei Personen miteinander sprechen, sollte darauf geachtet werden, dass nicht bei jedem zweiten Satz der Name des Sprechers erwähnt wird. Und vor allem auf „sagte er“, „meinte sie“, „platzte sie heraus“, „argwöhnte er“ usw. verzichten. Ein Beispiel.
X kam zur Tür herein und sah Y.
„Was machst du da?“, fragte X argwöhnisch.
„Nichts“, meinte Y und sah dabei ganz unschuldig drein.
X kam näher. „Ich glaube dir nicht“, stellte sie fest.
Darauf wurde Y wütend: „Immer musst du mich verdächtigen“, schrie er sie an.
usw.
Die Lebendigkeit eines Textes geht verloren, wenn man zu sehr auf Adjektive und unnötige Beschreibungen zurückgreift. Man muss als Autor lernen, den Dialog so zu verfassen, dass der Leser die Sprecher (direkt) vor Augen und ihre Stimmen (deutlich) im Ohr hat.
Im Idealfall wird die Figur über das, was sie sagt, über ihre Gedanken und ihre Handlung charakterisiert.
X kam zur Tür herein und sah Y.
Leise trat sie näher an ihren Bruder heran. Dieser bemerkte sie erst, als sie beinahe neben ihm stand. „Was machst du da?“ Für einen kurzen Moment konnte sie einen Anflug von Panik in seinen Augen erkennen.
„Nichts.“
Das war mal wieder typisch. Wie oft hatte er schon „nichts“ getan, und sie musste es hinterher ausbaden. „Ich glaube dir nicht!“
Er fuhr so rasch herum, dass sie erschrocken zurückwich. „Immer musst du mich verdächtigen!“
Es ist nicht nötig zu betonen, dass ein Charakter anfängt loszubrüllen. Konstruiert man den Dialog entsprechend, erkennt der Leser die angespannte Situation auch so und seine Fantasie fügt die brüllende Stimme von selbst hinzu.
Dem Leser alles vorzukauen, nimmt diesem unter Umständen den Spaß am Lesen. Der Autor muss bei der Erstellung der Dialoge die aktive Beteiligung des Lesers anstreben, um ihn auf diese Weise an den Roman zu binden.
Ebenso sollten Merkmale bezüglich der Erscheinung einer Figur, ihres Aussehens, ihrer Kleidung, nicht explizit aufgelistet werden. Insbesondere in spannenden Szenen kann die ausführliche Beschreibung einer Figur dazu führen, dass der Leser diese Stelle einfach überblättert, weil es ihn vielmehr interessiert, wie es mit der Handlung weitergeht.
Es lässt einen Charakter sehr viel plastischer erscheinen, wenn man sein Aussehen nach und nach in die Handlung einwebt.
Sie hatte lange schwarze Haare, die ihr weit über die Schultern fielen. Sie trug eine dunkle Lederweste über einer ebenso dunklen Bluse. Dazu braune Fellhosen und schwarze Stiefel. Ihr langer schwarzer Umhang wurde von einer silbernen Schnalle festgehalten. Ein langes Schwert hing an einem kunstvoll verzierten Ledergürtel und in der Hand hielt sie einen Kurzbogen … etc. etc.
Abgesehen davon, dass man sich diese ganzen Informationen auf Anhieb vermutlich gar nicht merken kann, sind solche Szenen regelrechte Stolpersteine im Lesefluss.
Ihre dunkle Lederkleidung ließ sie mit der Umgebung verschmelzen, weshalb er sie erst bemerkte, als sie die Brücke fast schon erreicht hatte. Sie trieb ihr Pferd zur äußersten Geschwindigkeit an, ihr langes schwarzes Haar flatterte wild und unbändig hinter ihr her, was ihr ein fast dämonisches Aussehen verlieh.
Schwert, Bogen und alles Weitere kann an anderer, passender Stelle eingefügt werden. Hier geht es hauptsächlich darum, die Figur einzuführen und dem Leser ein erstes, zu dem Charakter passendes Bild zu vermitteln.
6. Gab es für dich Situationen, wo du von deiner Seite aus die Zusammenarbeit mit einem Autor beendet hast, und was waren die Gründe dafür?
Bisher ist es nur ein einziges Mal vorgekommen, dass ich mich entschlossen habe, ein Lektorat abzugeben. In diesem Fall konnte ich die Autorin nicht davon überzeugen, dass meine Kritik nicht persönlich gemeint war.
Ich kann sehr gut verstehen, wie frustrierend es für einen Autor sein muss, wenn er mitansehen muss, wie sein sorgsam konstruierter Text auseinandergenommen wird.
Im Deutschunterricht oder an der Uni lernen wir, dass beispielsweise der Ich-Erzähler nicht mit dem Autor gleichzusetzen sei. Das ist auf der einen Seite richtig, aber auf der anderen Seite darf nicht übersehen werden, dass viele Schriftsteller nicht einfach nur irgendeinen Text produzieren, wie früher einen Aufsatz für den Deutschunterricht, sondern unter Umständen ein Werk, in das sie nicht nur ihr Herzblut, sondern auch einen Teil ihrer Persönlichkeit einbringen. Deshalb ist sachliche Kritik ohne Wertung und mit einer gehörigen Portion Sensibilität unumgänglich, denn oftmals wird eine kritische Beurteilung an dem Werk auch als entsprechende Beurteilung an dem Menschen dahinter gesehen.
Selbstverständlich muss und soll der Autor nicht mit jeder (inhaltlichen) Korrektur einverstanden sein. Geht es jedoch beispielsweise um einen nicht existenten Spannungsbogen, um unlogische Szenen oder unglaubwürdige Charaktere, deren Handlungsweise sich dem Leser nicht erschließt, so muss er selbstkritisch genug sein, die Kritik an diesen Punkten annehmen zu können – und sei es im Interesse seines Romans.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man manchmal ein paar Tage benötigt, um die Kritik sacken lassen und objektiv betrachten zu können. Das ist vollkommen in Ordnung, und ich gestehe jedem Autor diesen Zeitraum zu. Aber irgendwann muss man das Ego zugunsten einer guten Arbeit zurückschrauben.
Ich werde übrigens oft gefragt, bei welcher Art Text ich ein Lektorat von vornherein ablehnen würde. Hierauf kann ich keine pauschale Antwort geben, denn ein Lektor muss theoretisch mit jedem Text klarkommen. Das Lektorat eines Romans abzulehnen, weil mir beispielsweise die Geschichte nicht gefällt, wäre unprofessionell. Auch darf man im Zusammenhang mit der Person des Autors nicht allzu empfindlich sein und gleich bei der geringsten Unstimmigkeit das Handtuch werfen. Diplomatie sollte ebenso zum Rüstzeug eines Lektors gehören wie ein dickes Fell und Grundkenntnisse in Psychologie – nicht jede „Attacke“ des Autors richtet sich zwangsläufig gegen den Lektor an sich, sondern ist oftmals eher ein Ausdruck von Unzufriedenheit mit der geäußerten Kritik.
Ein Lektorat würde ich auf jeden Fall unter folgenden drei Bedingungen ablehnen: wenn der Autor, wie oben erwähnt, Kritik am Text grundsätzlich persönlich nimmt und eine konstruktive Zusammenarbeit nicht mehr möglich ist; wenn ich der Meinung bin, dass der Verfasser des Textes sicherlich viele Talente besitzt, Schreiben jedoch nicht dazu gehört; wenn der Inhalt des Textes eindeutig darauf ausgerichtet ist, bestimmte Personen oder Gruppen zu diskriminieren oder ihnen sonst wie zu schaden.
Ansonsten bin ich offen für jede Sorte Text und freue mich immer wieder über neue Anregungen und Herausforderungen.
7. Wie gehst du selbst mit Kritik an deiner Arbeit um, oder anders gefragt: Trifft es dich persönlich, wenn ein Roman, den du lektoriert hast, einen Verriss bekommt?
Wenn Kunden sich über Rechtschreibfehler beschweren, die übersehen wurden, wenn Leser sich in Onlineportalen darüber auslassen, dass der Lektor des Romans X besser noch einmal in die Schule gehen sollte, bevor er sich an die Korrektur von Texten macht usw., dann sind das berechtigte Kritiken, die man sich tunlichst zu Herzen nehmen sollte. Beim nächsten Mal darf das nicht mehr vorkommen. Punkt. Mehr ist dazu nicht zu sagen.
Bei dem Verriss eines von mir lektorierten Romans käme es darauf an, wie er begründet wird. Es gibt sehr erfolgreiche Romane auf dem Markt, an denen die Kritiker kein gutes Haar gelassen haben – und dennoch sind sie Bestseller.
Umgekehrt habe ich viele Romane lektoriert, die Qualität und Anspruch besitzen – und die bis heute von allen angefragten Verlagen abgelehnt wurden mit der Begründung, sie seien nicht markttauglich.
Das trifft mich zwar nicht persönlich, abgesehen davon, dass ein Stück von mir natürlich immer mit dem Autor mitleidet. Für mich ist es hauptsächlich frustrierend.
Zwar ist es mittlerweile durchaus Usus, dass fast alle Verlage auch Nachwuchstalente in ihr Programm aufnehmen. Dennoch wird diesen bei Weitem nicht der Raum zugestanden, den beispielsweise die Stammautoren innehaben. Von daher ist die Chance, einen solchen Platz zu ergattern, nach wie vor sehr gering. Es gibt durchaus engagierte Kleinverlage, die sich vor allem um junge Autoren bemühen, doch deren Streukreis und die zur Verfügung stehenden Mittel sind oft leider begrenzt.
Ich kann die Verlage verstehen, die als Unternehmen um des Selbsterhaltes willen Gewinn machen müssen. Auch sehe ich ein, dass eine Agentur, die sich (wenn sie seriös ist) erst dann für ihre Bemühungen bezahlen lässt, wenn der Autor bzw. dessen Roman bei einem Verlag untergebracht wurde, ihrer Meinung nach marktuntaugliche Werke ablehnt.
Im Interesse der Vielfalt würde ich mir jedoch vonseiten der Verlage und Agenturen ein wenig mehr Mut zum Risiko wünschen – wenn es im Rahmen ihrer (finanziellen) Möglichkeiten liegt.
8. Du schreibst ja selbst Geschichten. Wie schwierig ist es für dich, deine eigenen Texte zu lektorieren?
Was Grammatik und Rechtschreibung angeht, komme ich ganz gut klar. Bei allem anderen lasse ich mir gerne von einer Handvoll Kollegen helfen, deren Unterstützung ich über die Jahre sehr schätzen gelernt habe.
Mir geht es nicht anders als den meisten Autoren: Irgendwann wird man betriebsblind. Auch läuft jedes Mal beim Schreiben eine Art Film vor meinem geistigen Auge ab, sodass ich die Szene, an der ich gerade arbeite, live und in Farbe sehe – ein Luxus, der dem Leser erst einmal nicht vergönnt ist. Deshalb muss ich versuchen, das, was ich sehe, so zu beschreiben, damit es auch für den Leser sichtbar wird. Doch wann ist die Szene plastisch genug? Hier kommen die Kollegen ins Spiel.
Ebenso bin ich bei Passagen auf ihre Unterstützung angewiesen, die mir logisch und nachvollziehbar erscheinen – aber es unter Umständen für den Leser nicht sind. Als Autor kenne ich den jeweiligen Hintergrund der Handlung und möchte natürlich auf den ersten Seiten nicht zu viel verraten. Ist die Geschichte jedoch zu nebulös, verliert der Leser irgendwann das Interesse. Deshalb ist es wichtig, von Außenstehenden darauf hingewiesen zu werden, wenn an einer Stelle etwas mehr Informationen hinzugefügt werden sollten.
Außerdem ist der Austausch mit anderen Autoren generell eine bereichernde Angelegenheit, denn man erhält immer wieder spannende Denkanstöße, hilfreiche Anregungen und wird auf Fehler aufmerksam gemacht, die man selbst vielleicht nicht ohne Weiteres entdeckt hätte.
Ich würde jedem Autor empfehlen, sich mit einem kleinen Kreis von Kollegen zu umgeben und das regelmäßige Gespräch zu suchen. Der Laptop als einziger Gefährte des Autors ist nicht ausreichend.
9. Würdest du sagen, dass der Beruf des Lektors heute noch genauso ist wie vor zehn oder fünfzehn Jahren? Wenn nicht – was hat sich verändert?
Der Beruf des Lektors bzw. das Aufgabenfeld und der Kundenkreis haben sich in den letzten Jahren stark verändert.
Beispielsweise kamen noch vor fünfzehn Jahren viele Manuskripte per Post und mussten mit dem Stift korrigiert werden. Gerade bei größeren Korrekturen konnte es da ganz schnell unübersichtlich werden. Heute werden Texte in der Regel nur noch via Mail verschickt und entsprechend am Bildschirm bearbeitet.
Da immer wieder neue Programme oder Datei-Typen auf dem Markt erscheinen, muss man als Lektor auf dem Laufenden bleiben und in der Lage sein, unterschiedliche Formate handhaben zu können. Ganz allgemein ist unser Aufgabenfeld sehr viel „technischer“ geworden. Je nach Spezialisierung sollte man sich mit der gebräuchlichen Software, den am häufigsten verwendeten Programmen usw. auskennen.
Auch der Kundenkreis hat sich deutlich verändert. Früher kamen meine Kunden hauptsächlich aus dem Firmen- und Unternehmensbereich. Heute erhalte ich sehr viele Anfragen von Verlagen, die sich zunehmend den „Hauslektor“ sparen und auf Freelancer zurückgreifen.
Ebenso wenden sich vermehrt Studenten im Rahmen ihrer Bachelor-/Masterarbeiten oder Dissertationen an Lektoren. Mittlerweile gibt es Agenturen, die sich ausschließlich auf Studenten spezialisiert haben, weil die Nachfrage immer größer geworden ist.
Nicht zu vergessen: Autoren. In den letzten Jahren haben die Anfragen von Autoren, die Unterstützung bei ihrem ersten Roman benötigen, deutlich zugenommen. Hierbei geht es weniger um Rechtschreibung und Grammatik (wobei das selbstverständlich auch eine Rolle spielt), sondern vielmehr um ein Coaching, wie am besten vorgegangen werden soll, welche Techniken es gibt, worauf besonders zu achten ist, wo sich Fehlerquellen verstecken usw.
Da es heute sehr viele Möglichkeiten gibt, seinen Roman zu veröffentlichen (hier muss jedoch betont werden, dass „veröffentlichen“ nicht zwingend gleichbedeutend ist mit „erfolgreich vermarkten“), wird dieser Kundenkreis vermutlich im Laufe der nächsten Jahre noch anwachsen.
Leider spielt auch der Kosten- und Zeitfaktor eine zunehmend größere Rolle. Viele Verlage und Großkunden beauftragen beispielsweise ausländische Satzbetriebe, die zum Teil über eigene Korrektoren verfügen. Diese arbeiten mit den neuesten Rechtschreibprogrammen und sind zum Teil in der Lage, einen Text sehr viel schneller und günstiger zu bearbeiten als einheimische Korrektoren.
Auch viele Autoren oder Studenten greifen auf die erwähnten Programme zurück, da sie oftmals gar nicht in der Lage sind, die gängigen Preise für ein Lektorat zu zahlen.
Wir Lektoren müssen mit dieser Entwicklung Schritt halten. Wie wollen wir damit umgehen, was können wir tun, um weiterhin auf dem Markt tätig zu sein?
Hier muss jeder für sich selbst eine Antwort finden und im Rahmen seiner Möglichkeiten handeln. Zum einen ist eine ständige Weiterbildung unerlässlich geworden – sich ausschließlich auf die Kenntnisse zu verlassen, die man sich vor zwanzig Jahren angeeignet hat, wäre sicherlich keine gute Strategie. Zum anderen gibt es durchaus viele Bereiche, die von Programmen – egal, wie gut sie sind – (noch) nicht abgedeckt werden können. Beispielsweise ist eine Software nicht in der Lage zu erkennen, ob innerhalb einer Romanhandlung der rote Faden fehlt, die Charaktere glaubhaft gezeichnet sind, eventuelle Logiklöcher bestehen o. Ä. Auch das Fachlektorat von Sachtexten wird bis auf Weiteres von Menschen aus Fleisch und Blut übernommen werden.
Das Schreiben, vor allem von Belletristik, Lyrik, Essays usw. ist Kunst, und Kunst kann nur von einem kreativen Geist entsprechend erfasst werden. Bis Computer so weit sind, wird wohl noch eine Weile vergehen. Deshalb bin ich optimistisch, dass mir zumindest in den nächsten Jahren die Arbeit nicht ausgehen wird.
10. Gibt es aufmunternde Worte, die du den Anfängern unter den Autoren am Ende dieses Interviews mit auf den Weg geben möchtest?
Nehmen Sie sich und Ihre Ambitionen ernst. Spielen Sie Ihre Schriftstellertätigkeit nicht herunter. Es ist keine gute Werbung für einen Roman, wenn selbst der Autor nicht von diesem überzeugt zu sein scheint.
Schätzen Sie Ihre Fähigkeiten aber auch realistisch ein. Nicht jeder ist zum Schriftsteller geboren. Das bedeutet nicht, dass Sie das Schreiben einstellen sollen. Ganz im Gegenteil: Jemand, der regelmäßig schreibt, hat oftmals eine ganz andere, sehr viel differenziertere Sicht auf die Welt, als jemand, der wenig oder gar nicht schreibt. Außerdem feilt man gleichzeitig an seiner Ausdrucksweise und seiner Sprache. Wenn es nichts mit dem großen Erfolg als Autor wird, kann die Arbeit am Text dennoch Freude bereiten und einen Sinn haben.
Überhaupt steht nicht der Roman im Vordergrund, sondern das Schreiben. Man vergisst viel zu oft, dass es ein Handwerk ist, dessen Techniken man erst einmal erlernen muss. Niemand würde erwarten, dass er bloß eine Gitarre in die Hand nehmen muss, um schon die schönsten Lieder zu produzieren. Wieso also glauben so viele, sie müssten sich lediglich an den PC setzen und in die Tasten hauen und schon käme ein Roman dabei heraus?
Es gehört Übung dazu, der Austausch mit anderen Autoren, das Lernen im Rahmen von Fortbildungen, Seminaren usw. Will man ernsthaft an einem Roman arbeiten, kommt man so gut wie nie ohne Hilfe von außen aus.
Ebenso gehört der Besuch von Messen, Lesungen und ähnlichen Veranstaltungen zu dem zu absolvierenden Programm. Je tiefer man in die Welt des Buches eintaucht, umso mehr Wissen erlangt man rund um das Thema Schreiben.
Ich wünsche jedem, der dies hier liest, in erster Linie Freude am Schreiben. Alles andere kommt mit der Zeit. Und wenn es auch nicht der erste Platz auf den Bestsellerlisten sein wird, so kann jeder, der das Schreiben ernst nimmt, früher oder später davon profitieren.
Zuletzt von Susanne Gavenis am Mo Jul 22, 2024 2:35 pm bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet