3. Akt - In den Bergen

Sanft ertönte eine Melodie aus der Flöte Valeskas. Die Magie und auch die Bewegung während des Spiels ließen den Skorpion den Bewegungen folgen, bis er plötzlich in der Bewegung erstarrte.

"Ich bin nur eine bescheidene Dienerin, die geschickt wurde, dich zu finden", erwiderte das Wesen aus Licht. "Ich wurde von der Meisterin Tasol'Shaeyla gesandt, um dich und deine Freunde zur Zuflucht zu bringen. Die Ereignisse sind besorgniserregend."

Das Wesen schwebte in Richtung des Ausgangs und schien auf euch zu warten.

Mirak erstarrte zur Salzsäule. Nur seine Augen verfolgten dieses sonderbare Licht, von dem er nicht wusste, ob er ihm vertrauen solle, oder es angreifen. Seine Hand umklammerte fest den Schwertgriff, bis seine Knöchel weiß hervortraten, doch er war unfähig es zu ziehen.
Vorsichtig linste er zu seinen Freunden, wartete ab, was sie taten.

Quendi überlegte der Aufforderung nachzugehen. Hatten sie etwas vor ihr zu befürchten? Sie konnte sich nicht vorstellen, dass dieses Lichtwesen etwas Böses im Sinn hatte.
"Was meint ihr? Sollen wir dem Lichtgeist folgen?", fragte sie in die Runde. Keaborg würde frische Luft vielleicht auch gut tun, dachte sie.

Valeska setzte langsam die Flöte ab, ohne ihren Blick von dem starren Skorpion zu wenden.
"Ich bin bei allem dabei, das mich hier herausbringt, bevor das Vieh wieder erwacht", sagte sie zu den anderen und bewegte sich langsam rückwärts, bis sie mit dem Rücken an die Wand stieß. Sie würde dem grünen Tier erst den Rücken zuwenden, wenn sie sich sicher war, dass alles Leben aus ihm gewichen war. Vielleicht sollte sie vorsichtshalber rückwärts durch den Gang kriechen?

"Das hat uns wohl nicht weiterbegracht. Danke, Valeska."
Mit spitzen Fingern packte Raya den Skorpion und steckte ihn wieder in den Beutel.
"Nicht dass er noch jemanden verletzt."


Stirnrunzelnd wegen Miraks skeptischen Verhaltens sah sie dem Lichtwesen nach. Dann nickte sie Quendi entschlossen zu.
"Ich bin auch dafür, dass wir mitgehen. Hier kommen wir ja doch nicht weiter, und wir können jede Hilfe gebrauchen. Los, Kaebjorg! Achte auf die Umgebung!"
Sie ließ die Lichtkugel vorwärts tanzen und setzte sich in Bewegung.



Man würde ihn ja doch nicht in Ruhe trinken lassen, also was sollte er auch anderes tun? Missmutig erhob Kaebjorg sich aus seiner Ecke und schlurfte Raya nach zum Höhleneingang, oder besser gesagt dem engen Tunnel, durch den sie gekommen waren. Ansehen wollte er niemanden, aber er warf einen Blick zurück auf die pulsierende Säule - schaurig.
Mit handfesten Angreifern konnte er mehr anfangen, wie zum Beispiel den widerlichen kleinen Khof'Ghot, die ihn und die verschiedenen Schiffsmannschaften jahrelang geärgert hatten. Wenn ihm jetzt so einer in die Finger käme ...!
Er packte den Hammus fester.

Etwas überrascht war Ava von der scheinbaren Wirkung des Flötenspiels auf den Skorpion, aber erleichtert. Auch sie folgte nun dem Lichtwesen, Rayas tanzender Lichtkugel und den anderen.

Auch Quendi folgte den anderen in Richtung Höhlenausgang. Dabei beobachtete sie den Gidwerg mit wachsamen Augen. Kaeborg schaute immer grimmiger, so hatte sie ihn noch nie erlebt. Was wenn .... aber den Gedanken schob sie erstmal wieder beiseite. Vielleicht wurde er an der frischen Luft wieder normal.

Ihr folgtet dem Lichtboten wieder durch den engen Durchgang, dann hinaus ins Freie. Als ihr eure Schritte den Berg hinab lenken wollte, wandte sich der Lichtgeist an euch: "Nicht dort entlang, das ist nicht sicher." Dabei deutete er in Richtung des grünen Sees. Eine große, grüne Kreatur badete in dem Tümpel, der Statur nach ein Svarth'Alv.
Kaum hatte Kaebjorg die Höhle verlassen, fiel auch seine Benommenheit und Trauer von ihm ab. Dazu sah er am Ufer des Tümpels 3 dieser verdammten, kleinen Khof'Ghot.
"Kommt, bevor sie uns entdecken", sagte der Geist und zeigte auf den Pfad, der weiter nach oben führte, hinauf zu einem Pass, der in die Höhen des Jadegebirges führte.

Valeska nahm den Rat des Lichtwesens sofort an und schlich den Pfad aufwärts. Sie hatte keinen Bedarf an einem Kampf. Es war bestimmt kein gutes Zeichen, dass sich der Anführer des Feindtrupps bereits grün verfärbt hatte. Wer wusste schon, welche Kräfte ihm der Jadeteich verlieh?
Besorgt warf sie einen Blick auf den Gidwerg. Der würde doch jetzt keinen Blödsinn machen? Immerhin hatte er bereits zwei Tassen Narimbrand intus und war im Berg nicht gerade bester Stimmung gewesen.
"Kommt rasch, bevor sie uns entdecken", flüsterte sie den anderen zu.

Quendi schaute besorgt zu den Feinden, die sich an Fluss versammelt hatten. Ob sie wohl unbemerkt den Berg hinauf kamen?
Zum Glück hatte der Lichtgeist sie frühzeitig gewarnt. Sie folgte den anderen so leise wie möglich den Hang hinauf

Die Hand fest um den Schwertgriff verkrampft folgte auch Mirak seinen Freunden und dieser seltsamen Gestalt, die ihm nicht ganz geheuer war, aber seine Freunde schienen Vertrauen zu dem Ding zu haben. Zudem linste er gelegentlich zu Kaebjorg. Ihm war unklar, wieso der Gidwerg plötzlich so verstimmt drein schaute.

Beim ausgekippten Narimbrand, was war eben passiert? Gerade war Kaebjorg noch so wütend gewesen, dass er einem Khof'Ghot mit bloßen Händen den Kopf abreißen hätte können, und jetzt standen gleich drei von ihnen da vorne am Teich - und er hielt sich zurück. Wahrscheinlich lag das an dem großen Svarth'Alv, der sich in dem grünen Schlamm badete wie die Reichen in Milch und Honig ... unheimlich!
Er wusste, die Kerle da waren die Feinde und es würde früher oder später zum Kampf mit ihnen kommen, aber jetzt war nicht der Moment. Ihnen fehlten noch Informationen.
Andererseits ... wäre es nicht sinnvoll, den großen Grünen direkt aus dem Hinterhalt umzulegen? Die drei kleinen Witzfiguren wären dann auch kein Problem mehr.

Zu dumm, dass es hier kein Fernglas gab. Aber ...
Er schlich mit den anderen aus dem Bereich der Höhle weg, dann stupste er Quendi an. "He, haste nich so ne ulkige Brille? Vielleicht könn wir den Grünling da ja sofort umlegen."

Quendi setzte ihre Durchblickbrille auf und spähte zu den Feinden am See hinunter.

Quendi schaute durch die Brille, schwenkte von den Khof'Ghot zu dem Svarth'Alv im grünen See. Sie konnte die ölige, grüne Flüssigkeit erkennen, die von einer jadegrünen steinerner Haut abperlte. Ein Schauer lief ihr über Rücken. Dieser Svarth'Alv sah aus, wie der Skorpion.


"Es ist nicht klug, hier weiter zu verweilen", flüsterte der Lichtgeist.

Valeska war schon ein Stück den Berg hochgelaufen - direkt an dem Lichtgeist vorbei, was ihr einiges an Mut abverlangte. Doch unten zu warten, bis sie von den Feinden entdeckt wurden, war die weitaus schlechtere Wahl. Sie verstand nicht, warum sich der Rest der Gruppe nicht endlich in Bewegung setzte. Die wollten doch hoffentlich nicht angreifen? Ihr Herz klopfte ihr bis in den Hals, als sie innehielt und wartete.

Ava war den anderen aus der Höhle gefolgt, aber als der Lichtgeist den Pass hinaufzeigte,stockten ihre Schritte. Es war eine Sache, ein bisschen aufwärts zu gehen, um eine Suche womöglich zu beenden, aber eine völlig andere, ohne ganz zu wissen wieso, in die höchsten Höhen des Jadegebirges zu steigen.
Die Sache mit der Höhe hatte sie bisher so gut wie möglich verdrängt, konnte aber nicht unterdrücken, dass sie sich instinktiv dicht an die Felswand hinter sich presste.
Nur, nicht hoch zu gehen schien keine Option, denn das Lichtwesen versprach Schutz und Antworten. Nicht auf die Frage, die sie bis hier geführt hatte, aber auf all die anderen, die inzwischen dazu gekommen waren.
Und unten warteten Feinde. Ava ballte ihre zitternden Hände zu Fäusten, entschlossen den anderen zu folgen, als ihr klar wurde, dass Valeska oberhalb des Lichtwesens angehalten hatte, und Quendi mit ihrer komischen Brille nach unten zum Teich blickte.
Immer noch unsicher bewegte sie sich ein paar Schritte zu Valeska und blieb erneut stehen.

Kaebjorg stupste Quendi in die Seite und raunte: "Was siehste?"

Quendis Blick schweifte über das Geschöpf. Auch wenn es wie ein Khof'Ghot aussah, die Durchblickbrille zeigte ihr das wahre das Gesicht des Feindes. Ein Schauer erfasste sie, der sich vom Kopf, über ihre Schultern bis hinunter zu den Zehenspitzen ausbreitete. Ihr Körper bebte vor Angst. Das Ding, das unten am See stand, sah aus wie der Jadeskorpion den Raya in ihrer Tasche verwahrte, nur in ca. 100 facher Ausführung.
"Dafür sind wir noch nicht bereit." Sie schluckte. "Dieser Khof'Ghot, nein, das ist kein Khof'Ghot, das ist etwas das sich als Khof'Ghot ausgibt. Er sieht aus wie der Jadeskorpion, und überall trieft das grüne Zeug von ihm herab. Als würde er grün bluten. Lasst uns abhauen und hoffen, dass sie uns nicht bemerken.

Als Valeska das hörte, atmete sie auf. Endlich war eine Entscheidung gefallen, auch wenn noch die Zustimmung des Gidwerg fehlte. Sie drehte sich um und begann weiter den Berg hinaufzuklettern. Im Moment gab es nur den einen Pfad und sollte sie an eine Kreuzung gelangen, würde sie dem Lichtwesen den Vortritt lassen. Doch im Moment wollte sie nur so viele Schritte wie möglich zwischen sich und die Feinde am Teich bringen.

Nach und nach löstet ihr euch von dem bizarren Anblick, den die Szenerie am Tümpel euch bot und ihr schlosst euch Valeska und Quendi an, die zögerlich den Lichtgeist folgten. Auch Raya zeigte sich zuversichtlich, näherte sie sich doch dem Ort, der ihr vielleicht so manche Frage beantworten würde. Der Weg führte immer weiter in die Höhe, die Luft wurde schneidend und eisig, die Landschaft verwandelte sich in ein eintöniges Weiß. So floss die Zeit dahin. Minuten wurden zu Stunden, wurden zu Tagen. Dann, eines Nachmittags konntet ihr in einiger Entfernung ein Gebäude sehen, das sich an einen hohen Berg schmiegte.

Valeska erspähte das Gebäude als Erste. "Das sieht aus wie ein Tempel", wandte sie sich an Raya, die nicht weit entfernt von ihr lief. "Sind wir hier richtig?"

Quendi war müde und durchgefrorer. Umso mehr freute sie der Anblick des Tempels, der sich fast künstlerisch an den Hang des Berges schmiegte. Die drei Dächer des Tempels sahen aus, wie aus dem Stein gehauene Treppenstufen. Die vielen kleinen Fenster waren gold umrandet und die jadegrünen Ziegel hoben sich vom weißen Schnee ab, der die Klippen des Hangs bedeckte und schwer auf den Dächern des Tempels ruhte.

"Wunderschön", staunte Quendi und nahm Valeskas Frage nur am Rande wahr. Ihr war es auch sichtlich egal, ob der Tempel das Ziel war. Sie wollte einfach nur ins Warme. Deswegen stampfte sie voran, ohne auf die Antwort von Raya zu warten.

Raya fühlte im Inneren eine Art Nachhausekommen. Während des langen Weges über, den sie dem Lichtgeist folgten, zog sie etwas in diese Richtung. Sie konnte nicht sagen, was es genau war - ein Drang, ihr Selbst zu vervollständigen. Sie strich sich die weiße Haarsträhne, die sich in den letzten Tagen vergrößerte, aus dem Gesicht.
"Ja, wunderschön", flüsterte sie.

"Das ist der Jadetempel. Hier erwarten euch meine Herren", sagte der Lichtgeist.

Der Aufstieg erwies sich als beschwerlich, augenscheinlich liebten die Bewohner dieses Ortes die Abgeschiedenheit. Der Pfad führte auf ein kleines Plateau, bis zu einem Tor aus grün gefährbten Holz.

Als Quendi das Tor vor sich erblickte, fühlte sie ein erfürchtiges Kribbeln über ihren Rücken laufen.
"Sollen wir reingehen?"wandte sie sich fragend an ihre Gefährten.

Mirak wirkte nach wie vor dem ganzen skeptisch gegenüber, dennoch meinte er leise: "Wir sind jetzt bis hierher gekommen, dann können wir auch schauen, was sich dahinter verbirgt. Wie seht ihr das?", wendete er sich an die Anderen, bevor er ehrfurchtsvoll das Tor beäugte.