Red Queen schrieb:Deiner Formulierung nach wird "survival of the fittest" durch rein genetische "natürliche Selektion" sichergestellt, welche angeblich nicht mehr existieren würde, wenn "jeder mit jedem dürfte". Meine Schlussfolgerung war, dass du die These vertrittst, dass die Selektion aufhört, sobald wir "in die Natur eingreifen",
Ah, okay, ich verstehe, dann habe ich mich missverständlich ausgedrückt
:
Was ich meinte mit "es gibt keine Selektion, wenn jeder mit jedem darf", geht von einem Brave New World-Szenario aus, wo dann auch wirklich jeder mit jedem mal zusammenkommt. Also wo nicht einfach nur die Möglichkeit besteht, sondern wo regelmäßiges Wechseln des Partners die soziale Norm ist.
Der ideale Partner zur Fortpflanzung braucht normalerweise die optimale Mischung aus guten Genen (was wir am Aussehen festmachen) und der Bereitschaft zur Bindung (was wir an der Persönlichkeit festmachen). Ein Alpha-Männchen, das aber keine stabilen Bindungen aufrechterhalten kann, wäre da genauso ungeeignet wie ein treuer Schwächling - es braucht den Mittelweg zwischen beiden.
Wenn wirklich jeder zum Zug käme, dann würden auch die Leute Kinder zeugen, die nicht verantwortungsbewusst sind, um bei ihnen zu bleiben und sie großzuziehen, und auch die, die nicht die Fähigkeiten und das Durchsetzungsvermögen hätten, die Interessen ihrer Familie zu verteidigen.
Glücklicherweise hat Mutter Natur da Schranken eingebaut, sodass es nicht dazu kommt
: Wie du schon gesagt hast, jede Zwergin wird ihre Vorlieben haben - und die haben genau diesen Zweck: die besten potentiellen Partner vorab zu selektieren, anstatt jeden mal auszuprobieren. Denn wer das tut, läuft Gefahr, sich einen Nachkommen von einem suboptimalen Partner einzufangen, bevor "der beste" ausfindig gemacht werden konnte (das ist der evolutionäre Hintergrund vom "Slut Shaming").
Daraus folgt dann allerdings logischerweise, dass es ein "jeder-mit-jedem"-Szenario gar nicht gibt - sondern dass nur theoretisch jeder mit jedem dürfte, de facto aber ein "ein paar wenige mit vielen, viele andere mit gar keinen " daraus wird. Und das sorgt eben für Instabilität, so wie Ungleichheit in anderen Bereichen des Lebens es auch tut.
Red Queen schrieb:Zum Beispiel dürfte jeder erst dann Kinder bekommen, wenn er bestimmte "Prüfungen" bestanden hat. Darf ein Zwerg nur dann anfangen, Kinder zu bekommen, wenn er mindestens drei Schlachten überlebt hat? Wenn er ein bestimmtes Gewicht stemmen kann? Wenn er 100% beim allgemeinen Bogenschießtest auf der Zwergenhochschule kriegt?
Ich weiß es nicht - das haben allein die zwergischen Frauen zu entscheiden!
Dürfte also sehr von den aktuellen Rahmenbedingungen abhängen, wer gerade "der beste" ist. Da werden ja keine objektiven und absoluten Maße angelegt, so wie du es vorschlägst (3 Schlachten, 100% im Test etc.), sondern da geht es bloß um die
relative Position der Kandidaten zueinander. Selbst der beste Zwerg mag ein weniger gewandter Schwertkämpfer sein als ein Elf, aber er wäre dann eben der beste seines Stammes.
Red Queen schrieb:Geburtenrate. Worauf du dich auch schon bezogen hattest.
Danke für die Klarstellung!
Das will ich mir auf jeden Fall in Zukunft noch einmal genauer angucken, da ich über dieses Thema jetzt verschiedene, teils widersprüchliche Angaben gehört habe.
Red Queen schrieb:Bei Gemeinschaften, die aus weniger als hundert Mitgliedern bestehen, inklusive Kinder, scheint es mir immer noch eine spektakulär schlechte Idee zu sein, sich darauf zu verlassen, dass eine handsvoll überlebender Männer alle notwendigen Kinder zeugen kann. Das ist eine Expressautobahn in eine genetische Sackgasse voller Verwandter.
Klar, je weniger das werden, desto größer wird das Inzestrisiko, und zwar exponentiell. Unterhalb einer gewissen Schwelle wird es nicht mehr möglich sein, den Stamm langfristig aufrecht und gesund zu erhalten, weil nicht mehr genug genetische Vielfalt besteht. Aber oberhalb dieser Schwelle braucht es dafür weniger Männer als Frauen.
Es soll ja in Island (300.000 Einwohner) eine App geben, mit der man überprüfen kann, ob man mit einem potentiellen Dating-Partner verwandt ist, ohne dass man es wusste
.
Gleichzeitig sei daran erinnert, dass sexuelle Beziehungen ja bereits zwischen Cousins und Cousinen nicht mehr illegal sind, obwohl da ja immer noch 1/8 genetische Überlappung bestehen müsste. Also nimmt die Gefahr bei einer Verwandtschaft um ein paar Ecken auch mit jeder dieser Ecken offenbar wieder exponentiell ab.
Red Queen schrieb:
Selbst in vorindustriellen Gesellschaften ist das nicht der Fall. Die Kindersterblichkeit im vielbeschworenen Mittelalter lag bei ca. 50%. Um den reinen Fortbestand zu sichern, muss man also auf vier oder fünf Kinder pro Frau kommen. Das sind, ohne Verhütung, vielleicht zehn, zwölf Jahre, die frau damit beschäftigt ist, Kinder in die Welt zu setzen.
Schließen diese 50% auch evtl. dazwischenliegende Fehlgeburten mit ein? Oder kommen die noch mit dazu?
Zugleich darf man nicht vergessen: In einer Welt mit so einer hohen Kindersterblichkeit sterben auch Erwachsene deutlich früher. Klar, ein Barbarossa hat sich mit 70 noch aufs Pferd geschwungen und ist auf einen Kreuzzug gegangen, aber als König hungert man eben auch nicht. Normale Bürger kann es da auch schonmal in den Vierzigern erwischen.
Zudem ist die Frage, ob das reine Sichern des Fortbestandes (also zwei Kinder, die überleben) in so einer Welt ausreicht. Kinder waren damals die Haupt-Altersvorsorge. Klar, während sie klein waren, hatte man mehr Mäuler zu stopfen als Leute mit wenigen Kindern - aber je mehr von ihnen überlebten, desto mehr helfende Hände gab es, die einen im Alter unterstützen konnten.
Red Queen schrieb:Es gab auch in vorindustrieller Zeit Gesellschaften, die die Wichtigkeit des Kinderkriegens damit verbunden haben, Frauen beizubringen, wie man kämpft, damit sie sich verteidigen können, wenn die Herren der Schöpfung im Krieg waren.
Da gibst du ja gerade selbst den unterschiedlichen Kontext vor:
Selbstverteidigung ist ein völlig anderes Kaliber als der Kampf in einer Armee!
Natürlich war es wichtig für Frauen, sich und ihre Kinder verteidigen zu können, gerade wenn der Mann nicht zugegen war, um sie zu schützen. Egal ob vor wilden Tieren oder vor Plünderern.
Ob sie es deswegen aber auch mit ausgebildeten Kampfmaschinen wie in einer Armee aufnehmen können, steht auf einem völlig anderen Blatt!
Der Artikel, den du verlinkt hast, zieht sich, wie es oft in Debatten geschieht, leider wieder nur auf das komfortabel sichere Terrain des Existenzsatzes zurück: "Es gibt" ist leicht zu beweisen, dafür brauche ich nur ein einziges Beispiel. Es gibt Frauen, die dieselben physischen Standards einer Armee oder der Feuerwehr erfüllen können wie Männer - klar gibt es die. Diese Aussage wird immer wahr sein, dafür ist ihr Inhalt aber auch immer sehr begrenzt.
Wie viele gibt es denn?
Das ist die Frage, an der sich der Realismus festmacht. Nur, weil es bestimmte Frauen gibt, die diese Kriterien erfüllen, sind sie noch lange nicht so häufig, wie einige Leute das gerne hätten.
Im Lied von Eis und Feuer gibt es Brienne von Tarth. Die steht damit aber auch gleichzeitig an der Spitze der Schwertkämpferinnen und ist die einzige in der gesamten Geschichte, die diese physischen Voraussetzungen mitbringt.
Red Queen schrieb:Die beiden räumen regelmäßig auf mit Fehlannahmen RE: Männer und Frauen sind super-duper unterschiedlich und können niemals auf gleicher Ebene gegeneinander antreten.
Da bin ich jetzt aber mal gespannt
. Ich kenne bislang nur die Szenarien, wo Top-Tennisspielerinnen wie Serena Williams gegen den 200.-besten Spieler der männlichen Weltrangliste angetreten sind und verloren haben, oder wo die deutsche Frauenfußballmannschaft (mehrfache Weltmeisterinnen) gegen die männliche U-21 gespielt hat und nass gemacht wurde.
Von den Bundesjugendspielen bis hin zur Olympiade werden nicht ohne Grund unterschiedliche Normen für die Geschlechter angelegt
.
Das hat ja auch Crackle42 schon angeführt:
Crackle42 schrieb:Beim ersten Teil stimme ich dir noch zu, Frauen können genauso kämpfen wie man an z.B. an Kriegsmaiden sehen konnte. Das genannte Argument kann ich aber so nicht unterschreiben und die Behauptungen im Blog sind auch nicht haltbar. Nimm dir die Meta-Analyse von Janet Hyde "The Gender Similarities Hypothesis" zur Hand. Man sieht dort sehr schön, dass die viel postulierten Unterschiede tatsächlich nicht in dem Maße vorliegen wie oft angenommen wird. Aber: Motorische Unterschiede haben kollosalle Differenzen. Gerade throw velocity, throw distance, grip strength, sprinting und physical aggression fallen deutlich zugunsten der Männer aus. Das spiegelt sich auch in sportlichen Leistungsunterschieden wider.
Ich behaupte nicht, dass Frauen deswegen für derlei Disziplinen ungeeignet sind oder sich von Kriegen fernhalten sollen oder müssen
Es gibt ja nun all diese sportlichen Disziplinen auch für Frauen, aber eben mit separaten Wettkampfnormen. Beim direkten Vergleich Männlein gegen Weiblein wird es in einem physischen Wettkampf im Großteil der Fälle äußerst schwierig für die Frau.
Crackle42 schrieb:Ich behaupte auch nicht, dass Frauen deswegen pauschal schlechter und Männer nicht ebenbürtig sind. Oft kommen solche Unterschiede nur ab bestimmten (zeitlichen oder körperlichen) Schwellen zur Geltung aber die Unterschiede deswegen unter den Teppich zu kehren ist auch nicht angebracht.
Solch eine Behauptung würde ja auch nur jemand glauben, der meint, die Geschlechter müssten gleich
artig sein, um gleich
wertig zu sein
.
Die Frage "ebenbürtig oder nicht" stellt sich immer bezogen auf die jeweilige Fähigkeit. Hier reden wir gerade von physischer Kraft, da haben die Männer klar die Oberhand.
Bei Intelligenz etwa sieht es anders aus: Es gibt keine signifikanten Unterschiede in der durchschnittlichen Intelligenz zwischen Männern und Frauen, die Kurve der Männer ist jedoch flacher als die der Frauen, geht also mehr in Richtung der Extreme. Unter den Genies wird man also mehr Männer als Frauen finden - ebenso aber auch unter den Bildungsresistenten
.
Umso überraschender ist es, dass die aus dem Sport bekannten Leistungsunterschiede zwischen Männern und Frauen sich auch in theoretisch reinen "Geistessportarten" wie Schach zeigen...
Red Queen schrieb:Da sind auch einige Posts dabei, die generell für dich nützlich sein könnten, die sich auf historische Waffen und Taktiken beziehen, und speziell darauf, wie man sie richtig schreibt. Unglaublich nützlich.
Darüber habe ich mir in der Tat schon Gedanken gemacht; so lasse ich zum Beispiel meine Schwertkämpferinnen häufiger duplieren (Gegenstück vom Mutieren) - das ist eine Taktik, bei der man die Stärke des Gegners gegen ihn selbst anwendet, wenn man mit dem Schwert anbindet: Der Gegner drückt stärker und versucht, einen zurückzudrängen, man lässt freiwillig die eigene Kraft nach, zieht die Klinge nach oben, und der Gegner haut sich dann mit seiner eigenen Stärke deine Schwertspitze gegen seine Schläfe. Das wird geschlechtsunabhängig so gelehrt - "ist der Gegner stark, sei schwach!" - aber es kommt einem natürlich besonders zu Pass, wenn der Gegner einem aus irgendeinem Grund an Körperkraft überlegen ist. Also z.B. auch, wenn ein Mensch es mit einem Ork aufnimmt.
Generell kann ich hier Shadiversitys Video "Best medieval weapons for women" empfehlen - darin behandelt er analog auch Elfen sowie andere Personen mit schmalerer Statur.
Kurze Zusammenfassung:
Ein Langschwert ist gar nicht mal so übel, da lassen sich Kraftunterschiede leichter wettmachen durch Geschwindigkeit und "Hebeln" am Knauf. Die besten bei uns im Schwertkampfverein waren vor allem flink, das waren keine breiten Kanten.
Der Bogen dagegen - in vielen Büchern
die typische Frauen- und Elfenwaffe - erfordert weitaus mehr Kraft, um ihn auf seine volle Länge zu spannen. Davon, wie
lange Menschen in Fantasy-Filmen ihre Bögen auf vollem Zug gespannt halten können, als sei das nur ein Gummiband, will ich gar nicht erst anfangen...
Wenn Fernkampfwaffe, dann also lieber Armbrust!
Jetzt wäre also die Frage, was du mit "wie man sie richtig schreibt" meinst:
Historisch akkurat?
Innerhalb der Fantasy-Welt realistisch?
Oder philosophisch wünschenswert
?
Letzteren Eindruck bekomme ich nämlich aufgrund deines folgenden Satzes:
Red Queen schrieb:Und wenn du dich dafür entscheidest, würde ich mir als Leser wenigstens wünschen, dass du dich damit mehr auseinandersetzt als einfach "Männer stark, Frauen schwach, ergo [hier bizarre Behauptungen zum Thema Kampffähigkeit einfügen]" als Basis für dein Worldbuilding zu nehmen. Unreflektiertes Wiedergeben dieser Einstellung haben wir bereits in den meisten Fantasyromanen. Du kannst einen weiteren auf den Stapel werfen - aber musst du?)
Das klingt für mich, als hättest du einfach gerne, dass das jemand mal anders schreibt.
Red Queen schrieb:Nichts davon bedeutet, dass du deine strikte Geschlechtertrennung nicht haben kannst. Aber die würde viel mehr auf sozialen und kulturellen Normen und Ansichten beruhen als auf irgendeiner "biologischen Wahrheit".
Schon mal den Satz gehört "Kultur ist eine Funktion unserer Biologie"?
Heißt: Unsere Biologie gibt vor, was uns kulturell wichtig ist?
Wie eben unter anderem, dass sich das Konzept der Monogamie
kulturübergreifend durchgesetzt hat?
Red Queen schrieb:Wow. Das ist eine Art und Weise, Stief- und Adoptiveltern, homosexuelle Paare und durch künstliche Befruchtung gezeugte Kinder und deren Eltern zu ignorieren und kolossal misszuverstehen, wovon ich rede. Sorry, aber diese Reduktion auf "nur dein Erzeuger und dein Gebärer sind berechtig, sich deine Eltern zu nennen" ist einfach respektlos.
Unter "Eltern" verstehe ich die biologischen Eltern. Das schließt Eltern, die künstliche Befruchtung gewählt haben, mit ein, ich verstehe nicht, auf welcher Grundlage du die hier mit in den Topf jener Leute wirfst, die ich hier angeblich beleidigt hätte
.
In Amerika gäbe es natürlich noch Leihmutterschaften, da hätte man also Ei- und Samenspender als die zukünftigen Eltern und eine Leihmutter, die das Kind austrägt - in Deutschland ist das aber bekanntlich verboten. Was schwule Paare folglich deutlich mehr benachteiligt als lesbische, denn ersteren bleibt hierzulande nur die Adoption, Samenbanken sind hingegen kein Problem.
Für Stief- und Adoptiveltern haben wir genau aus diesem Grund eben diese separaten Begriffe. Das hindert diese Menschen nicht daran, ihre Adoptiv- und Stiefkinder zu behandeln wie leibliche Kinder, genausowenig hindert es die Kinder daran, ihre Adoptiv- oder Stiefeltern als Mama und Papa zu bezeichnen. Aber wenn zwei Menschen ihren in frühen Jahren adoptierten Kindern erzählen, sie seien deren Eltern, lügen sie sie an. Dafür gibt es natürlich bei einem so kleinen Kind nachvollziehbare Gründe, warum man ihm das erst einmal vorenthalten will. Aber spätestens, wenn ein Adoptivkind erwachsen ist, sollte es dann die Wahrheit erfahren.
Tatsächlich ist das ja auch in Fantasy-Geschichten ein häufiger Trope
. Fantasy-Helden wachsen irgendwie fast nie bei ihren leiblichen Eltern auf.
Red Queen schrieb:dann hast du eine ganze Menge Zwerginnen über, die eben nicht durch permanente Schwangerschaften an Heim und Herd gebunden sind. Und was die dann für Aufgaben in einer Gesellschaft übernehmen, die obsessiv auf das Kriegführen fixiert ist...?
Darauf antworte ich mit Crackle42s Zitat
:
Crackle42 schrieb:Außerdem müssen Frauen nicht an vorderster Front kämpfen, sie können doch auch Taktiker, Strategen, Tüftler und anderweitig hilfreich sein, indem sie z.B. Kriegsmaschinen bedienen.
Es gibt viele andere Aufgaben, die mit dem Krieg verbunden sind, die im Hintergrund erledigt werden müssen. Während der beiden Weltkriege standen die Frauen dann oft an den Fließbändern in den Fabriken. Waffen müssen ja auch erstmal hergestellt werden. Das Fantasy-Pendant wäre dann, dass z.B. die Tochter des Schmieds den Laden ihres Vaters schmeist, während der im Einsatz ist. Und dann gibt es natürlich noch Heilerinnen im Lazaret, usw.
Speziell auf die von Crackle42 vorgeschlagenen Felder bezogen würde ich allerdings einwerfen, dass dies ebenfalls Domänen sind, für die sich statistisch gesehen deutlich mehr Männer interessieren. Insbesondere, wenn es um "tüfteln" und Maschinen geht
.
Crackle42 schrieb:1) Mir ist das Gender Paradoxon bekannt und ich habe etwas darüber gelesen und diskutiert. Auch hier wäre ich sehr vorsichtig mit den Kausalbehauptungen, denn es ist unbekannt, ob die Geschlechter tatsächlich von ihrer Biologie und ihrem Inneren dazu getrieben werden oder ob auch hier andere Mechanismen für die Selbstselektion verantwortlich sind. Ich werfe mal Stereotype in den Raum: Auch in einer aufgeklärten, liberalen Welt können Stereotype salient gemacht werden und über implizite Rollenbilder zu einer traditionellen Verteilung führen.
Das ist nur dann ein Paradoxon, wenn man davon ausgeht, dass das Aufheben von gesetzlichen Vorgaben, wer mit wessen Erlaubnis als was arbeiten darf, doch selbstverständlich dazu führen müsste, dass sich auf einmal genauso viele Frauen für MINT-Fächer interessieren wie Männer, und genauso viele Männer für soziale Berufe.
Man hat das bereits mit Kleinkindern ausprobiert, indem man ihnen Autos und Fotos von Menschen gezeigt hat. Die Jungs bleiben im Durchschnitt mit den Augen länger bei dem technischen Gerät, die Mädchen bei dem menschlichen Gesicht. Wie viel kulturelle Programmierung sollen diese Kinder denn bereits erhalten haben in einem Alter, wo sie noch nicht einmal Sprache verstehen?
Crackle42 schrieb:aber eine Frau unter den Kriegern zu sehen hat sicherlich auch Moralvorteile.
Das finde ich tatsächlich eine der interessantesten Fragen
: Wie verändert es das Verhalten traditionell männlicher Soldaten, wenn die Frauen neben ihnen im Schützengraben liegen?
Antworten darauf findet man in der realen Welt womöglich am ehesten in Israel, wo schon seit langem Wehrpflicht für beide Geschlechter besteht. Aus einer Doku darüber ist mir bislang nur bekannt, dass die Kaserne da natürlich gerne auch mal zum Baggerschuppen wird, obwohl Beziehungen zwischen Rekruten untereinander eigentlich verboten sind.
Es hebt also bestimmt die Laune der Soldaten ^^, aber hebt es auch ihre Moral? Schließlich kommt es dann ja auch mal schneller zu Eifersüchteleien in der Truppe. Und nicht zuletzt spielt auch das Selbstkonzept des Soldaten eine Rolle: Manch einer mag eher bereit sein, sein Leben zu riskieren, wenn er weiß, dass er damit seine Frau und seine Kinder beschützt. Wenn seine Frau hingegen neben ihm auf dem Schlachtfeld steht und er deutlich weniger tun kann, um sie zu beschützen (bzw. sie sich selbst beschützen muss), fällt eine wichtige Kernmotivation des Kriegerdaseins sogar weg!
Was die reine Leisstungsfähigkeit angeht (also z.B. wie viel Zeit man zur Absolvierung bestimmter militärischer Übungen braucht), so sind rein männliche Einheiten statistisch gesehen effektiver als gemischt-geschlechtliche.
Deshalb ist die Wehrpflicht ein Paradoxon, das nicht in eine post-feministische Gesellschaft passt:
Entweder, sie ist verpflichtend für beide Geschlechter - dann reduziert man aber nach jetzigem Kenntnisstand die Effektivität seiner Armee. In Friedenszeiten mag das kein Problem sein - ebenso in großen Krisen, wo man einfach so viele Leute wie möglich braucht. Aber für sich gesehen bringt es einem erstmal Nachteile ein.
Ober aber, man zieht weiterhin nur die Männer zwangsweise ein - dann braucht von Gleichberechtigung aber niemand mehr zu reden.
Crackle42 schrieb:Ich stelle jetzt mal die rhetorische Frage, wie viele Frauen dieses Alter schätzungsweise erreichen werden, wenn es sich um ein derart kampfversessenes Volk handelt.
Mehr als von den Männern, so viel ist sicher
!
Crackle42 schrieb:Bitte Vorsicht mit deterministischen Kausalaussagen. Ich bin mir sicher, dass es dafür keine Belege gibt, ob sie abgeschwächt oder ausgeschaltet wird oder ob andere Faktoren die wahren Ursachen sind.
Dass man sich mit Kausalaussagen zurückhalten sollte, da stimmte ich dir zu!
Meiner Beurteilung nach ist mein Satz allerdings das
Gegenteil einer Kausalaussage. Eine Kausalaussage wäre "Zivilisation führt zum Ausschalten natürlicher Selektion", oder aber "Die Abwesenheit von Zivilisation führt zum Anschalten natürlicher Selektion." Ich habe gesagt, dass weder das eine noch das andere der Fall ist, d.h. dass ich keinen Grund zur Annahme einer Korrelation zwischen den beiden sehe, geschweige denn einer kausalen Verbindung - weder in die eine noch in die andere Richtung.
Solange es keine Belege gibt, würde ich wie üblich die Nullhypothese beibehalten, die in diesem Fall lautet:
"Es besteht kein signifikanter Unterschied bezüglich des Ausmaßes, in dem natürliche Selektion stattfindet, zwischen freier Wildbahn und Zivilisation".
Dass die Rahmenbedingungen sich ändern und Leute in der Zivilisation als besser angepasst gelten, die es in der freien Wildbahn weniger wären (und umgekehrt), steht damit nicht im Widerspruch.
Zuletzt von Strato Incendus am Di März 19, 2019 4:00 pm bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet